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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

können wie früher! Sollten wir dann gar die Erde umgraben? Aber wir sind Weiße, so gute Weiße, als die größten Pflanzer, und die Haue paßt nur für die Schwarzen: das ist eine ausgemachte Sache.

„Und zudem wird die Zeit kommen, wo es an Armen fehlen wird; der Sclavenhandel ist abgeschafft! So lange er nur blos verboten war, kamen Sclaven genug und von jeder Art zu uns. Die Tricolore, meine Herren, hat uns dieses Gesetz verschafft und sie war auch Veranlassung zu einem Mißverständnisse, das einigen Schwarzen das Leben kostete. Bildeten sich diese Unsinnigen nicht ein, daß die drei Tage[1] drei Wochentage bedeuteten, die ihnen von der Regierung in Paris bewilligt wurden zum Feiern? Schon wollte der mächtigste König von Madagaskar, Radama, keine Malgaches mehr ausführen lassen; der englische Gouverneur von Isle-de-France versprach ihm zum Ersatze eine jährliche Summe von vierzigtausend Piastern, ja zweimalhunderttausend Livres, viermalhunderttausend Livres unsern Geldes! Es kamen noch Yelofs, Yambanen, Makenda’s, schöne Schwarze für die Hacke, ein bischen schwer zu halten, Kaffern, die lieber die Kühe hüten, als den Boden bepflügen und den Schnaps aus der Flasche dem Wasser aus den Strömen weit vorziehen: Mozambiquen, im Allgemeinen gute Thiere, feste Ruderer mit Affengesichtern. Da jede dieser Racen ihre besondere Geschicklichkeit besaß, so konnte man durch eine gute Auswahl für alle Bedürfnisse einer Pflanzung sorgen.

„Unter allen Sclaven, die der Handel an unsere Küsten warf, hätten sich die Malgaches am ehesten heimisch finden sollen: sie fanden die Rinder ihrer Ebenen und eine große Anzahl ihrer Waldbäume wieder. Nun, man hatte mehr Mühe, sie einzugewöhnen, als die andern; es ist zwar wahr, man verlor nicht viel Zeit, um sie anzuweisen, aber sehen Sie, meine Herren, der Neger ist ein geborener Faullenzer und ein Mensch, den es vor der Arbeit ekelt … “

„Wird sich lieber einer jeden Entbehrung unterziehen, als seiner Neigung entgegenhandeln,“ fuhr ich fort, indem ich den Creolen ansah.

„Ja, mein Herr, mein Vater hat es mir sehr oft wiederholt, wenn wir an der Mündung der Flüsse unsere Netze legten. Sehen Sie hier, er hat die Kürbisflasche selbst gemacht, die ich trage; Sie werden keine schönere auf der ganzen Insel finden, er hat mehr als einen Monat dazu gebraucht, um sie so hübsch zu machen, wie sie ist. Das erste Mal, als er sich ihrer bediente (es ist schon so lange her und ich erinnere mich dessen noch, als wäre es gestern gewesen) waren wir auf der Ziegenjagd gegen Salazes zu. Durch vieles Bitten erhielt ich die Erlaubniß, die Jäger begleiten zu dürfen. Der Weg war sehr lang und auf dem Rückweg war ich lendenlahm: aber ich behielt meine Fassung bis zu Ende und mein Vater ließ mich, mit seiner Flinte auf der Schulter, in’s Dorf gehen. Als wir nun vom Gebirge herabstiegen, erblickten wir am Horizonte, weit im Meere draußen, einen kleinen weißen Punkt.

„Siehst Du da unten?“ sagte mein Vater zu mir. – „Ja,“ antwortete ich, „ich sehe einen Strohschober oder eine Seemöve, die mir wohl ihre Flügel leihen könnte, denn ich fange an, zu fühlen, daß mich die Fußsohle drückt.“ Mein Vater antwortete nichts; da die Sonne sich in den Wogen spiegelte, so senkte er seinen großen Hut über die Stirn, hielt rasch an und begann diesen weißen Punkt zu beobachten, der zwischen Himmel und Wasser zu gleiten schien. Was mich betrifft, ich ließ mich auf’s Gras nieder.

„Ich möchte wetten, daß es die Diana ist,“ rief mein Vater nach kurzem Schweigen. „Sie wird einen Kreuzer auf der Höhe von St. Denis gesehen haben und ist nun von ihrer Fahrt abgewichen, um ihn von der Spur abzubringen. Wenn sie der Wind nicht abhält, werden wir sie heute Abend in der Bucht von Piton vor Anker liegen sehen.“

„Während dieser Zeit fuhr ein kleines Kriegsschiff, das wir plötzlich zu unserer Linken sahen, hinter das Cap zu. Es fuhr ungefähr zwanzig Minuten in dieser Richtung, dann – hatte es die Goelette, die es jagte, aus dem Gesichte verloren, oder that nur, als ob es sie nicht bemerkte – wendete sich und verschwand. Alsbald hörte der weiße Punkt auf, sich zu entfernen; er wuchs rasch und wir konnten die Diana selbst erkennen, die mit allen Segeln in der Richtung von Piton fuhr. Sobald es Abend wurde, zündete man in einem Felsenwinkel, der die Bucht begrenzt, ein Feuer an; es waren dies Pflanzer, die bei der Ausrüstung des Schiffes interessirt waren, die einen Leuchtthurm aufrichteten, um der Goelette ihren Weg zu bezeichnen, und wahrlich, die Vorsicht war nicht unnütz, denn niemals hat man eine schwärzere Nacht gesehen und man bedurfte dessen, um die Landung unbesorgt bewerkstelligen zu können.

„Die Ankunft eines Negerschiffs an der Küste machte in den Vierteln immer einiges Aufsehen. Man lief an den Abrand, um die neuen Sclaven zu sehen, besonders die Kinder glitten hinter die Alten, warfen sich in die Kähne und suchten dem Schiffe so nah als möglich zu kommen. Die Matrosen jagten uns mit Ruderhieben davon, wenn wir mit leeren Händen kamen, aber wer Geld von uns hatte, durfte an Bord kommen, und wir kauften schöne graue Papageien von der afrikanischen Küste. Mein Vater war nicht reich und kümmerte sich selten um diese Ankunft; doch hatte er eben eine kleine Erbschaft gemacht, was ihm den Gedanken eingab, einen Schwarzen auszuwählen, dem er das Zimmergewerke lehren konnte, das er selbst von Zeit zu Zeit ausübte. Wie alle Creolen in unsern Vierteln, konnte er ein hölzernes Haus zusammensetzen und eine Pirogue aushöhlen. Die ersten Colonisten, die sich auf diesem Eilande niederließen, mußten wohl selbst ihre Hütten bauen. Sie waren anfänglich Soldaten in den Garnisonen von Madagaskar und wurden dann Flibustier; dann als es nicht mehr profitabel war, die Meere zu durchstreifen, mußten sie sich wohl entschließen, sich am Lande festzusetzen und da haben sie sich hier angepflanzt. Als man später eine Regierung bildete, gab man denen, die Geld hatten, Ländereien; diese fingen nun an, Sclaven zu kaufen und das Land im Großen urbar zu machen und unsere alten Familien, die sich für die Herren der Insel hielten, fanden sich nun allmälig auf ihre Besitzungen eingeschränkt, die nun zur Stunde unter die ungeheuren Plantagen, die sie ersticken, hineingedrängt sind. Ja, meine Herren, die ersten Einwohner und ihre Abkömmlinge, die man verachtet, haben trotzdem die Colonie gegründet und wie Adam im Irdischen Paradiese gaben sie den Vögeln des Himmels, den Fischen der Flüsse und den Bäumen des Waldes ihren Namen.“

„Und damit,“ unterbrach ihn der Doctor, „haben sie der Naturgeschichte und der Botanik einen schlechten Dienst erwiesen.“

„Das ist möglich; aber sie haben für die Gelehrten das gethan, was ich heute für Sie thue, mein Herr: sie haben es übernommen den Weg zu zeigen. Alle Pfade die wir gekommen sind und die wir morgen durchschreiten werden, habe ich wie viele Andere auf meine Kosten kennen gelernt; die Entdeckung dieser Grotte kostete mich … mehr als ich je besitzen werde. Sobald nun die Diana in der kleinen Bai Anker geworfen hatte, sagte mein Vater zu mir: „Moritz, wenn Du nicht zu müde von der Jagd bist, komm mit mir. Es sollte eine schöne Zahl Schwarzer hier ankommen, und ich will wählen. Ein roher Neger von mittlerer Kraft wird nicht mehr kosten als ein französisches Maulthier; ich lehre ihm mein Handwerk; er wird ein Arbeiter, ein guter Arbeiter; wir vermiethen ihn in die großen Werkstätten um einen bis zwei Piaster den Tag; am Ende bezahlt er sich wieder und ich gebe Dir diese Summe als Mitgift und wenn Du sparsam bist, wirst Du einst ein Pflanzer werden.“

„Ich zweifelte nicht daran, daß all das so kommen mußte, weil es mir mein Vater sagte; auch klopfte mir das Herz recht stark als ich beim Schimmer der Laternen, die die Goelette beleuchteten, sie von den Eiebäumen umringt sah. Aus diesem so leichten schmalen Fahrzeuge, das auf dem Wasser tanzte und bei der leichtesten Brise schaukelte, kamen so viele Schwarze, daß ich zu träumen glaubte. Wahrlich, meine Herren, man hätte sie wie trockene Schläuche zu zweit zusammenlegen müssen, um sie alle im Raume halten zu können. Je nachdem man sie an’s Land brachte, betrachtete ich sie von Kopf bis zu Fuß und sie schienen mir alle mehr oder minder beschädigt; das kam daher, weil sie während der Ueberfahrt nicht frei athmen konnten; aber die freie Luft brachte sie mit wenigen Ausnahmen wieder zu sich; Einzelne konnten, wie Fische die zu lange außer dem Wasser bleiben, nicht mehr in’s Leben zurückkommen. Der Kapitän fluchte gegen sie; und es war nicht unmöglich, daß sie expreß deshalb gestorben waren, denn


  1. Die drei Julitage.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_145.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)