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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Blätter und Blüthen.

Künstliche Perlen. Die Chinesen sind seit einiger Zeit auf sehr schlaue Weise verfallen, künstliche Perlen durch die Perlenmuschelaustern erzeugen zu lassen. Sie öffnen dieselbe, ein wenig und werfen Stückchen Holz, welche ein Budhabild darstellen, hinein. Die Auster sucht darauf den ihr fremden Körper dadurch zu beseitigen, daß sie ihn mit ihrem Saft überzieht, d. h. ihn zur Perle macht. Auf diese Weise kommen die Chinesen zu einer ganz neuen, für sie sehr schätzbaren Art Perlen, die ihnen ihren Gott in kostbarer Glasirung darstellen. Die Kunst überhaupt, künstliche Perlen zu erzeugen, hat schon Linné entdeckt. Die Auster erzeugt nämlich die Perle, um sich dadurch gegen den Angriff eines ihr feindlichen Krebses, der sie zu durchbohren sucht, zu schützen. Jede Perle ist eine Palisade, die sie gegen ihn aufwirft. Macht man also denselben Prozeß künstlich, bohrt man die Perlenauster an, so erhält man auch Perlen. Diese Kunst wird jedoch wenig ausgeübt, da in den Gegenden, wo Perlenmuschelbänke sind, die Austern in solcher Menge gefunden werden, daß es sich nicht verlohnt, sich erst diese Mühe zu geben. Dieser Muschelfang ist namentlich bei der Insel Ceylon bedeutend. Dort ist er Eigenthum der englischen und holländischen Regierung, und es kommen dabei häufig sehr komische Scenen vor. Die Sclaven suchen bei dem Oeffnen der Auster, zuweilen Perlen zu verschlucken; sobald dies aber bemerkt wird, oder nur der Verdacht entsteht, daß es geschehen ist, wird der Apotbeker geholt und dieser muß dem Sclaven von Staatswegen eine Laxanz eingeben. Manche Perle, die den Hals einer schönen Gräfin oder geldstolzen Banquiersfrau schmückt, mag daher schon einen sonderbaren Weg gemacht haben!




Der Kranich. Lütke, der Kranich, spielt zwar in Reineke Fuchs eine ganz respektable Rolle, und man muß ihn dort mindestens als Hofrath ansehen, aber im wirklichen Leben erweist man ihm in Deutschland lange nicht Ehre genug. Die Japanesen, die überhaupt in vielen Stücken sehr gescheut sind, wissen ihn besser zu ehren. Er bildet den höchsten Schmuck ihrer Tempel und Paläste, und Niemand darf ihn tödten, weil sie wissen, wie nützlich er ihnen auf den Feldern und Wiesen ist, indem er diese von schädlichem Gewürm und Nagethieren befreit, und dabei der Jagd und dem Geflügel lange nicht so gefährlich ist, wie der weit räuberischere Storch. Das weiß man auch in Scandinavien, denn dort bedient man sich seiner bereits als Hausthier. Als solches ist er höchst amüsant. Lloyd schildert einen solchen, den er selbst drei Jahre lang besaß. Im Allgemeinen war er harmlos, einen Knaben konnte er jedoch nicht leiden. Dieser mußte ihm einmal etwas gethan haben, denn wo er ihn sah, verfolgte er ihn. Einmal überraschte ihn der Vogel beim Bade. Er wollte rasch an Ufer, der Vogel schnitt ihm jedoch den Weg ab und trieb ihn in’s Wasser zurück. Nicht eher, als bis ihm Beistand geworden, konnte er an’s Land und sich anzieben. Ehe er jedoch die Thür erreicht hatte, überfiel ihn der Kranich und brachte ihm mehrere Bisse bei. Damit war seine Rache aber gestillt, von diesem Tage an that er dem Knaben nichts mehr. – Dahlson, Landbesitzer in Ferna-Bruck erzählte, daß ein zahmer Kranich fünfzig Jahre lang am Leben geblieben sei. Er war ganz zahm und aß Alles, was man ihm gab. Im Herbst und Frühling sah er seine Brüder, die wilden Kraniche, mit größter Ruhe über sich hinwegziehen, und machte nie einen Versuch zu fliehen. – Auf einem andern Hofe hielt man ein Paar. Das Weibchen wurde sehr groß und machte sich’s zum Geschäft, die Hühner, Gänse und Enten des Hofes zu überwachen, die es allgemein fürchteten. Des Morgens ging es regelmäßig in die Küche und bat sich sein Frühstück aus. Kamen die Knaben mit Butterbrot, so zerrte es diese so lange an den Knöpfen, bis sie ihm ein Stück gäben oder auch das Brot fallen ließen, das es dann rasch verschlang. Es fürchtete sich weder vor Hunden noch Katzen. Den Kuhjungen konnte es gut leiden, weil dieser mit ihm spielte. Den Gärtner haßte es dagegen, weil dieser es aus dem Garten jagte, wenn es nach Grünem suchte. Es aß auch Kartoffeln, und sehr komisch war es, wenn es den Schnabel in diese zu stark gepickt hatte und ihn nicht wieder auseinander bringen konnte. Dann ließ man es gewöhnlich eine Weile umhertanzen, bis man es befreite. Sein Gehör war sehr scharf. Wenn es auch so weit ab war, daß man es nicht mehr sehen konnte, so kam es auf den Ruf des Hausherrn augenblicklich herbei. Auch aus hoher Luft hörte es ihn. Fisch aß es gern, aber noch lieber Fleisch, flog aber damit immer erst an’s Wasser, wusch es ab und wälzte es dann im Sand. „Sand reinigt den Magen,“ muß es wohl dabei gedacht haben.

Von einen andern Kranich in Westgothland wird erzählt: Er war fünfzehn Jahre dort und der Liebling des ganzen Hauses. Es war ein Weibchen, und am liebsten mit Frauen zusammen. Je mehr beisammen waren, desto lustiger war er. Vor der Herrin des Hauses hatte er eine besondere Hochachtung. Sobald sie im Hofe erschien, machte er ihr seine Aufwartung, und es genügte ihm auch schon, daß sie sich in der Thüre zeigte oder daß er ihre Stimme hörte, sogleich war er da. Wenn das Futter gestreut war, und ihm die Hühner nicht aus dem Wege gingen, nahm er sie bein Kopf und tauchte sie in eine Wassertubbe. Aeußerst versessen war er auf’s Tanzen, aber nicht mit Jedem mochte er tanzen. That er es, so sprang er mit ausgespreizten Flügeln hoch in die Luft und suchte alle Schritte seines Partner nachzumachen. Sein Gehör war ungemein scharf. Wenn im Hause Klavier gespielt wurde, hörte er eine Weile still zu, dann ging er, auch wenn Besucher dort waren, in’s Zimmer und stellte sich neben das Instrument. Er unterschied offenbar die Töne. Wenn ein Adagio gespielt wurde, hielt er seinen Kopf nieder oder drehte ihn leise umher, als wäre er traurig. Wurde dagegen eine Polka oder ein anderes lustiges Stück gespielt, so stand er ganz aufrecht da, drehte Kopf und Augen schnell umher und bezeugte sein Vergnügen auf alle Weise, die ihm zu Gebote stand. Sehr gern besah er sich im Spiegel und nahm vor diesem allerlei Stellungen an; namentlich war das der Fall, wenn er vor dem Trumeau stand, wo er sich in seiner vollen Größe bewundern konnte. Während der Zugzeit riefen ihm seine Kameraden vergebens zu, er möge ihnen folgen. Nur einmal ließ er sich verlocken, mit einem derselben den Tag auf einer Wiese neben dem Hause zuzubringen; als ihn derselbe aber Abends einlud, ihm zu folgen, sagte er ihm Lebewohl und flog nach Hause. Eines Morgens fand man ihn an seinem gewöhnlichen Ruheplatze todt, ohne daß man eine Ursache seines Todes kannte. Die ganze Nachbarschaft trauerte um ihn. – Ein Pärchen, das ganz jung auf den Hof eines Gutsbesitzers kam, zeigte eine merkwürdige Anhänglichkeit an einander. Wenn eines sich entfernt hatte, rief das andere gleich mit lautem Geschrei nach ihm. Als das Männchen verwundet war, war das Weibchen untröstlich, verließ jenes keinen Augenblick und duldete nicht, daß ihm irgend wer zu nahe kam. Als später das Weibchen starb, war das Männchen ganz außer sich. Es zog seinen Herrn zu dem todten Weibchen hin, und drückte auf jede Weise seinen Schmerz aus. Nachdem der todte Vogel fortgenommen war, rannte das Männchen im ganzen Hause umher, pochte an jede Thür und suchte in jedem Zimmer umher, in das man es einließ. Dann stand er drei Tage lang unbeweglich in jammervollem Zustande auf dem Felde und nur allmälig nahm er wieder Antheil an den Freuden des Lebens. Jetzt übertrug er seine Liebe auf die Thiere des Hofes, vorzüglich auf einen Bullen, an dessen Brüllen er sich erfreute. Ihn schien er als seinen Herrn und Meister zu betrachten, denn er begleitete ihn überall hin und tanzte um ihn und verbeugte sich vor ihm, wenn er still stand, auf die komischste Weise. Das Federvieh hielt er in strenger Zucht, bewieß aber mehr Nachsicht gegen die Hennen und Enten, als gegen die Gänse und Truthühner. Bei den Schafen versah er die Dienste des Schäferhundes. Das Jungvieh konnte er ganz allein auf die Weide und von da heimtreihen. Fremdes Vieh jagte er vom Hof oder aus den Feldern. Wurden die Pferde angeschirrt, so stand er als Schildwache dabei; waren sie unruhig, so schlug er mit den Flügeln, schüttelte den Kopf und schrie laut. Nur die Schweine würdigte er keines Blicks, sie schien er tief zu verachten. Auch Bettler und schlecht gekleidete Leute konnte er nicht leiden und ließ sie nicht in’s Haus. Vor Schornsteinfegern fürchtete er sich, und ebenso hatte er Mühe, sich an schwarze Hunde oder Truthühner zu gewöhnen. Eine Beleidigung vergaß er nicht leicht und behielt sie lange im Gedächtniß. Wenn er hungrig war, ging er in die Küche und bat sich mit einem besonderen Schrei zu essen aus. Sollte er Abends nach seiner Lagerstätte gehen, so versteckte er sich vor der Magd, fand ihn diese jedoch, so ging er ruhig zu Bett. – Einmal brachte er sich von seinen Ausflügen ein Weibchen mit, dieses hielt aber nicht aus, sondern flog gleich wieder weg. Als man ihm darauf ein ganz junges Weibchen gab, empfing er es mit vieler Zärtlichkeit, führte es überall hin und lehrte es tanzen; betrug es sich jedoch widerspenstig, so bestrafte er es mit seinem Schnabel. In einem milden Winter, wo eine Menge Kraniche lange dort blieben, besuchte er diese häufig, kehrte aber fast immer mit zerrissenen Federn und blutend zurück. Er mußte also wohl mit ihnen gekämpft haben. Zuweilen war er Tage lang fort, kam aber immer wieder.




Hydraulische Dampfschiffe. Das neue Princip, Schiffe zu treiben, ist in England schon in mehreren Formen patentirt worden. Die eine Art, mit welcher man schon 40–50 englische, d. h. 10 deutsche) Meilen in der Stunde zurücklegte, patentirt dem Erfinder Mr. Gwynne, besteht im Einsaugen des Wassers durch eine Röhre am Bug den Schiffes vermittelst zweier Centrifugalpumpen, welche zugleich das Wasser mit furchtbarer Gewalt am Hintertheile heraustreiben, so daß das Schiff zugleich gezogen und getrieben wird. Die dadurch erzielte Schnelligkeit und Sicherheit übertrifft Alles, was man jetzt mit Rädern und Schrauben erreicht hat. Eine ganze Kompagnie von Kapitalisten führt jetzt eine noch vollkommnere Art, die Mr. Higginson patentirt worden ist, im Großen aus. Das erste Schiff der Gesellschaft soll bald in See gehen, und man hat schon gemeldet, daß es mehr als 10 deutsche Meilen in der Stunde zurücklegen werde.




Republikanische Negerzeitung. In die Neger-Republik Liberia an der Westküste Afrika’s (etwa unterm 8° nördl. Breite, mit der Hauptstadt Monrovia, erscheint jetzt die erste Neger-Zeitung unter dem Namen „Liberia Herald“. Redacteur, Mitarbeiter, Drucker, Setzer, Leser – alle sind Neger. Der Inhalt macht ihnen alle Ehre, da Leitartikel, Berichte über Versammlungen der Ständekammer u. s. w. ganz gebildet geschrieben sind. Die Bewohner sind ursprünglich befreite Sklaven, die besonders von den Engländern dorthin gebracht wurden. Diese Zeitung ist vielleicht ein wichtigeres Zeichen der Zeit, als sich viele Weißhäute in ihrer Weisheit träumen lassen.


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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_178.jpg&oldid=- (Version vom 29.8.2018)