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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

„Verdammt sei dieses Gesindel!“ grollte Wranitzky und that einen langen Zug aus dem frisch gefüllten Kruge.

Der Stallmeister schwieg, als erwarte er eine Antwort seines Gefährten; als dieser aber stumm vor sich hin sah, fuhr er fort: „Wißt Ihr was! Ich selbst bin nicht so reich mit Gold versehen, um Euch aus Eurer Peiniger Händen zu befreien, was, nebenbei gesagt, auch eine Thorheit wäre, denn was Ihr hier schuldet, habt Ihr gewiß zehnfach zu verdienen gegeben, und den Lederhändler dürft Ihr gleich gar nicht bezahlen, denn der ist Euch mit Allem, was sein ist, dankbar verpflichtet.“

„Das meine ich eben auch,“ murmelte der Pole.

„Nun hört weiter!“ begann der Stallmeister wieder. „Morgen sollt Ihr also zahlen, oder den Tag darauf in’s Gefängniß wandern. Nun seht, da bin ich, dächte ich, gerade zur rechten Zeit gekommen, um Euch zu retten. Morgen trifft von Löbau noch eine Koppel Pferde hier ein, die ich mit meinen Leuten den Truppen bis Leipzig nachführe. Ich bleibe daher morgen Nacht noch hier, breche aber übermorgen Vormittag auf, um meine Reise fortzusetzen. Der Werbeoffizier, welcher hier mit einquartirt ist, begleitet mich mit seinen Reitern als Bedeckung. Wie wäre es nun, wenn Ihr Euch anwerben ließet als braunschweigischer Reitersmann und uns folgtet, oder noch besser, wenn Ihr Euch morgen Abend aus der Stadt entferntet und im nächsten Dorfe Euch aufhaltet, bis wir des Weges vorüberziehen?! Ein gutes Roß sollt Ihr finden, und bis zum Rottmeister werdet Ihr’s bald bringen, auch könnt Ihr ja Glück und Ehre erlangen im Feldzuge gegen die Ungläubigen, während Euch hier nichts als Schimpf und Schande erwächst!“

„Topp, es gilt!“ rief der Pole nach einer kurzen Pause finstern Nachdenkens, und schlug in die dargereichte Hand den Stallmeisters. „Ich ziehe mit, aber gedenken muß ich es diesem Schurken von Rathsherrn, der so gänzlich vergessen, was ich für ihn gethan.“

„Das ist Eure Sache,“ entgegnete der Stallmeister. „Ich helfe Euch, wie Ihr mir geholfen. Nur vergeßt nicht, Euch übermorgen außerhalb der Stadt finden zu lassen.“

„Habt keine Sorge, ich werde zur rechten Zeit bei Euch sein,“ bemerkte Wranitzky, und setzte dann mit einem halb unterdrückten Seufzer hinzu: „obgleich ich gestehe, daß mir an einem Zuge gegen die Türken wenig gelegen, und mir die Fehden der Städte mit den rauflustigen Junkern der Lausitz und Böhmens gar nicht übel behagten. Aber Ihr sollt mich finden, nur rächen muß ich mich, und auch an Diesem Gauch von Wirthe, der so oft meinen Seckel geleert hat, und nun ich am Teiche Bethesda sitze, mich hinauswerfen wollte aus seiner Spelunke; wahrlich, der Kerl verdiente den rothen Hahn auf’s Dach, ehe ich abziehe.“

In diesem Augenblicke kehrte der Wirth von seiner Runde zurück, und sichtbar zufrieden, die beiden Männer im freundschaftlichen Einverständniß zu finden, aber auch wünschend, daß bald Ruhe im Hause werde, wollte er diese eben ermahnen, ihr Lager zu suchen, als der Pole aufsprang und den leeren Methkrug dem Wirth mit den Worten hinreichte:

„Hört, Ihr ungewaschener Gesell, bringt uns noch einen Nachttrunk, und dankt dann dem Himmel in Eurem Kämmerlein, daß dieser wackere Mann mein langjähriger Freund ist, denn sonst möchtet Ihr wohl schwerlich mit heiler Haut davongekommen sein. Von diesem ritterlichen Freund könnt Ihr und andere Lumpen Euers Gelichters bestätigt hören, wie hoch ich jetzt noch geachtet bin an König Sigismunds Hofe, und welch Thor ich gewesen, fast zwei Jahre zu Eurer Stadt Heil und Rettung hier zu verweilen. Geht, armseliger Tropf, und bringt frischen Meth, daß ich die Galle hinunterspüle, die Eure Wucherfratze mir in den Hals hinauftreibt.“

Der Stallmeister, um diese Prahlerei zu unterstützen, ließ seine wohlgefüllte Geldbörse klingend durch die Hand gleiten, und sah halb lachend, halb grimmig dem Wirth dabei in’s Antlitz, so daß dieser kleinlaut entgegnete: „Ereifert Euch nur nicht wegen eines von meiner Seite begangenen Versehens, welches die mir so unerwartet über den Hals gekommene Einquartierung entschuldigen mag. Einen Krug Meth aber sollt Ihr als Nachttrunk erhalten, wie ihn der Kaiser nicht besser in seinem Keller hat, dann aber, edle Herren, begebt Euch zur Ruhe, ehe zum zweiten Male uns die Schaarwache daran mahnt.“

„Bringt den Schlaftrunk auf unser Gemach!“ befahl der Pole und verließ mit dem Stallmeister die Gaststube, um oben ungestört noch weiter mit dem zur glücklichen Stunde erschienenen Freunde zu plaudern und darüber nachzusinnen, auf welche Weise er sich an dem Lederhändler rächen solle vor seiner Flucht aus der Stadt.

(Schluß folgt.)




Malta.

Der Inselfels Malta, durch die Einschiffung der europäischen Truppen jetzt wieder in den Vordergrund getreten – eigentlich eine Gruppe von vier Inseln im mittelländischen Meere, Sicilien gegenüber – ist als einer der wichtigsten Punkte des Mittelmeeres stets ein Zankapfel seefahrender Handelsvölker gewesen. Von dieser natürlichen Meerfestung aus konnte man früher, als sich die Civilisation noch nicht über die Säulen des Herkules handelnd ausgebreitet hatte, den Völkern Europa’s, Asiens und Afrika’s Gesetze vorschreiben. Deshalb war Malta der Reihe nach immer im Besitz der seemächtigsten Nation, der Phönizier, Griechen, Römer, Spanier, Franzosen und Engländer. Letztere machten bekanntlich jetzt Malta zu ihrer Hauptstation für die nach der Türkei bestimmten Truppen und Schiffe. Malta ist in mehrfacher Beziehung ein Fels der orientalischen Frage, eine Garantie gegen russisches Uebergewicht auf der Südseite Europa’s. Charles Napier sucht diesen Felsen eben für die Nordseite.

Wir begnügen uns in historischer Beziehung zu bemerken, daß die St. Johannis-Ritter, von den Türken aus der Insel Rhodus vertrieben, von Karl X. Malta und die benachbarten Inseln als Asyl angewiesen bekamen und dort als Malteser-Ritter bald weit und breit berühmt und berüchtigt wurden, bis sie endlich von ihrem eigenen Großmeister an die Franzosen verrathen wurden (1798). Diese mußten im Jahre 1800 Malta an die Engländer abtreten, welche seitdem immer Meister derselben blieben und sie zum Hafen der Mittelmeerflotte gut zu benutzen verstanden. Napoleon der Große konnte es nie vergeben, daß er bei den Verhandlungen um Malta überlistet worden war. Und die russischen Czaren, welche die Malteser-Ritter seit Jahrhunderten reichlich unterstützt und eine Art Protectorat über Malta zu üben suchten (wie neuerdings über die Türkei), fühlten den Verlust am Stärksten und Nachhaltigsten, seitdem die Engländer dort herrschen.

Die Hauptinsel Malta, höchstens zehn Meilen im Umfang, verdankt ihre Wichtigkeit weder ihrer Größe, noch ihrem Boden, sondern blos ihrer Lage und Gestalt. Sie ist ein ungeheuerer Felsen von Magnesia-Kalk und auf der südlichen Seite so steil und unzugänglich, daß kaum eine Katze landen könnte. Die Felsen steigen fast schnurgerade 800 Fuß hoch aus dem Meere. An der südöstlichen Küste befinden sich die beiden Haupthäfen, blos durch eine etwa 3/4 Stunden lange Landzunge von einander geschieden. Am Ende dieses Vorsprunges erhebt sich die Schloßfestung St. Elmo und ein Leuchtthurm für beide Häfen, und in der 400 Fuß über den Meeresspiegel steigenden Mitte streckt sich la Valetta, die Cidatelle der Insel und der Sitz der Regierung empor. Zu der natürlichen Befestigung dieses Vorsprunges kommen die grandiosesten Fortificationen der Kunst, die größtentheiln von jenen soldatischen Mönchen des Johannes von Jerusalem – den Malteser-Rittern – aufgeführt wurden. Gegenüber erheben sich andere Befestigungen von ziemlich gleicher Kraft, worunter das Schloß St. Angelo, das den Eingang in den andern Hafen bewacht, mit seiner vierfachen Reihe von Kanonen sich wohl den meisten Respect verschaffen würde. Die Engländer fanden bei ihrer Besitzergreifung 800 Kanonen in den Fortificationen vor; doch damit nicht zufrieden, verdoppelten sie nicht nur deren Zahl, sondern ersetzten die alten auch durch neue, größere, weitertragende, so daß man wohl überzeugt sein kann, die Engländer werden diesen Schlüssel des mittelländischen Meeres nicht um den tausendfachen

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