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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Eine außergewöhnliche Gelehrsamkeit, treffender Scharfsinn, gewandtes und gründliches Eingehen auf die Leistungen Anderer, liebenswürdige Bescheidenheit in seinem jugendlich frischen, fast kindlichem Aeußeren, gewannen dem jungen Dänen auf einer ersten Reise in den Jahren 1801–1803 die Achtung fast aller Berühmtheiten Deutschlands und Frankreichs.

Seine Thätigkeit steigerte sich bis zu rastlos schaffender Begeisterung, als er 1806 die Professur der Physik in Kopenhagen erhalten hatte. Dabei zeichnete sich Oersted vor vielen andern Forschern dadurch aus, daß er nicht in’s Ungewisse hinein experimentirte, erwartend was und ob er etwas finden werde. Er suchte vielmehr, wie wir bereits andeuteten, und fand. Schon 1813 deutete er durch den französischen Titel: „Untersuchungen über die Uebereinstimmung der elektrischen und der chemischen Kräfte,“ (recherches sur l’identité des forces électriques et chimiques) seiner zuerst deutsch herausgegebenen „Ansichten der Naturgesetze“ hinlänglich an, wonach er suchte. Oersted meinte: ist der Galvanismus nur eine verborgene Form der Elektricität, so kann der Magnetismus auch nur Elektricität in einer noch verborgenen Form sein. Er forschte, bis er den Einfluß des galvanischen Stromes auf die Magnetnadel gefunden hatte. Er hatte damit die Bahn geöffnet, welche zuletzt zu dem elektromagnetischen Telegraphen führen mußte; er befestigte damit am östlichen und westlichen Rande des Weltmeeres die Ringe, an denen man vielleicht bald Europa und Amerika aneinander knüpfen wird. – Oersted’s Entdeckung hat das Jahr 1820 zu einem der denkwürdigsten unsers Jahrhunderts gemacht.

Er hatte die Freude, auf dem von ihm gelegten Grunde seine Ehrensäule der elektromagnetischen Telegraphie sich noch erheben zu sehen. Alle Culturvölker Europa’s und der Riesenarbeiter Nordamerika wetteiferten in ihrem Ausbau.

Hans Christian Oersted.

Neben diesem großartigen Streben vergaß Oersted niemals, daß die Naturwissenschaft nicht blos Befriedigungsmittel für das Völkerleben zu gewähren habe, sondern auch die kleinen Lebenskreise jedes Einzelnen erwärmen und durchdringen müsse. Er war darum unter den ersten, welche in allgemein verständlicher Weise bemüht waren, die Naturwissenschaft zum Gemeingut des Volkes zu machen. Wer kennt nicht „Oersted’s Geist in der Natur?“ Dies ist eine von ihm selbst besorgte Sammlung populärer Vorträge Oersted’s. Es kann sein Verdienst nicht schwächen, daß diese dem minder Gebildeten nicht überall verständlich sind, und daß sein vorwaltend milder Charakter ihn hie und da vom Aussprechen der letzten Wahrheit, vielleicht sogar von deren Erkennen zurückgehalten hat. Oersted bewegte sich in den letzten Jahrzehnten seines Lebens in Kreisen, welche auch dem kühnsten Streiter für die Wahrheit es oft fast unmöglich machen, das Ziel seines Vordringens bis an die letzte Grenze zu verfolgen. Er hielt in Kopenhagen, nicht in der diplomatischen Sprache Frankreichs sondern deutsch, Vorlesungen für – das corps diplomatique!

Schon von Anfang an zog er in den Kreis seiner Zuhörer auch die Frauen. Sie sind ja die einflußreichsten Bildnerinnen des heranwachsenden Geschlechtes.

Sein Freisinn bekundete sich namentlich 1835 durch seine Betheiligung bei der Gründung der „Gesellschaft für Preßfreiheit“ und in einer Rede, welche er an den König Christian VIII. bei dessen Thronbesteigung richtete.

Mit Orden und Ehrenstellen decorirt starb Oersted im hohen Alter am 9. März 1851. Wir zählen jene nicht auf, denn der Conferenzrath und Großkreuz des Dannebrog wird bald vergessen sein. Oersted der Entdecker des Elektromagnetismus ist unsterblich.



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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_258.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)