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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Gemüth, ein klarer ehrlicher Wille entgegentritt, fühlt er sich im innersten Herzen angesprochen. Mit solchen Menschen, wenn sie in seine Nähe kommen, verkehrt er als mit seines Gleichen in so offener, taktvoller, zarter Weise, daß seine eigene große geistige Bedeutung zunächst nur wie ein klares schönes Licht erscheint, welches dem Bilde des andern zu seiner besten Wirkung verhilft.

Nicht weniger stark aber ist sein Unabhängigkeitstrieb. Wie warm er sich auch der gemüthlichen Stimmung, dem Augenblicke, dem Geist eines Andern hingiebt – seine innere Freiheit opfert er doch niemals. Auch im äußern Leben ist ihm alle Géne, aller Zwang, der ihm von Andern kommt, verhaßt. Was sonst den regierenden Herrn nöthig, wie die Lebenslust ist, die Etikette des Hofes und das altfränkische Ceremoniell, wie es noch an den meisten deutschen Höfen sich findet, es ist ihm, insofern es geistlos oder anspruchsvoll auftritt, geradezu verhaßt und gern entzieht er sich ihm. Er hat bei sich das steife Würdenwesen der adeligen Hofämter fast ganz aufgehoben und den sogenannten privilegirten Ständen, wozu in kleinern Staaten auch die unverhältnißmäßig zahlreiche Coterie des Beamtenstandes gehört, zu ihrem unaufhörlichen Aerger keines von den gesellschaftlichen Hofvorrechten gelassen, in deren exclusivem Genuß vornehme Bedientennaturen so gern das höchste Glück finden.

Solche Eigenschaften mußten den Herzog bald populär machen. Für seine eigenen Länder bewirkte dies freilich noch mehr seine große Gutherzigkeit und Bravheit, sowie die Leichtigkeit, mit welcher Bittende ihn zu irgend einem persönlichen Opfer bringen konnten. Der Landmann, der Bewohner des Gebirgswaldes und der kleine Bürger haben kein zureichendes Urtheil über den Geist und die politische Richtung ihres Herzogs, aber haben im Stillen die Ueberzeugung, daß sie von einem guten Fürsten regiert werden, der nicht nur als Regent gewissenhaft, in strenger Gesetzlichkeit und rein von jeder vornehmen Sünde unter ihnen lebt, sondern der dem Einzelnen auch als Mensch bei jeder Gelegenheit die letzte Hülfe und Zukunft ist.

Mit einer ungemeinen Regsamkeit in Geschäften begabt, besitzt er dabei eine Ausdauer und eine Kraft, die ihm alle Anstrengungen leicht und kaum fühlbar machen. Und wie seine Lebenskraft groß ist, so ist auch der Kreis seiner Interessen von weitem Umfange. Erst spät, aber dann mit großer Energie und Schnelligkeit soll sein Geist sich entwickelt haben. Er hat das Glück gehabt, mit seinem Bruder einige Jahre in Bonn als immatriculirter Student ernsthaft zu studiren und die Collegia zu besuchen. Dort hat er vornehmlich Staatswissenschaft getrieben, aber auch ernste philosophische Studien gemacht. Auch die leichtern Talente, welche als ein Schmuck des Lebens betrachtet werden, hat er mit Eifer ausgebildet. Sein hervorstechendes Talent, das musikalische, hat er, wie allgemein bekannt, in verschiedenen Werken, welche der Oeffentlichkeit angehören, bewiesen. Mir scheint eine besonders hervortretende Eigenthümlichkeit seiner ungewöhnlichen musikalischen Begabung der große Reichthum an graciösen Melodien zu sein, welche auch in der Ausführung größer und mächtiger auftreten, als Dilettanten eigen ist.

Aber auch die sogenannten adeligen Virtuositäten unserer Zeit besitzt der Herzog in nicht gewöhnlichem Grade. Er gilt für einen festgeschulten Waidmann von sehr sicherer Hand und treibt das Waidwerk mit großer Freude; er ist ein vortrefflicher und waghalsiger Reiter und Rossebändiger und in Führung jeder Art von Waffe wohl erfahren. Und wie er bei solchen Eigenschaften in seinem Privatleben den Eindruck einer frischen, gesunden und tüchtigen Kraft macht, so hat er auch im öffentlichen als Regent, als General, als Politiker und vor allem als deutscher Patriot sich überall kräftig, gesund und edel gezeigt.

Es würde den Lesern der Gartenlaube zu lang werden, wenn hier im Einzelnen berichtet werden sollte, was er als regierender Herr für seine kleinen Länder gethan. Einige charakteristische Züge werden genügen. Als er im Jahr 1844 die Regierung antrat, fand er die damaligen Stände, namentlich in Koburg, in einem langjährigen, unfruchtbaren Zwiste mit der Regierung. Er erkannte, daß die Stände in mehreren Punkten im Rechte waren, und machte einer erbitterten Opposition dadurch mit einem Schlage ein Ende, daß er kurz erklärte: „Ihr habt Recht!“ – Im Jahre 1848 ergriff der Eifer der unruhigen Zeit auch seine Territorien. Mit klarem Blicke und der ihm eigenthümlichen Schnelligkeit kam er dem unruhigen Drängen, wo es ihm berechtigt schien, leitend und mäßigend entgegen, und trat auf der andern Seite gegen die Excesse und Uebergriffe der Tumultuanten, namentlich in den den Gebirgskreisen mit der persönlichen Entschiedenheit eines festen Willens auf. Sein Leben hat er dabei mit der größten Gleichgültigkeit oft in Gefahr gesetzt, aber auch die Freude gehabt, daß er da, wo er selbst vortrat, mit seinem Willen immer durchdrang. Als in den letztvergangenen Jahren das Doppelregiment der beiden kleinen Länder, das getheilte Wesen mit seinen ewigen Widersprüchen unerträglich und die Nothwendigkeit einer gemeinsamen Landesregierung unabweisbar geworden war, sprach er das schöne Fürstenwort: „Ich werde nie octroyiren, ich werde nie einen Riß in das gesetzliche Leben meiner Länder machen; aber ich werde die Regierung niederlegen, wenn meine Landtage das Nothwendige nicht einsehen wollen, denn eine fernere Regierung unter den bestehenden Verhältnissen ist unmöglich.“ Die Folge davon war, daß die neuen Wahlen ganz entschieden im Sinne der Regierung ausfielen.

Das Jahr 1848 eröffnete auch seinen kriegerischen Talenten ein weites Feld. Er übernahm in warmer Begeisterung für die Sache der Herzogthümer ein selbstständiges Commando in Schleswig-Holstein, und ihm ward das Glück, den glänzendsten Erfolg des ganzen verhängnißvollen Krieges, den Kampf bei Eckernförde (5. April), anzuführen. Bei dieser Affaire, in welcher seine persönliche Bravour und seine richtige Beurtheilung des Terrains gerühmt wird, erhielt er die tiefen Eindrücke, welche ein glorreicher kriegerischer Erfolg auf die Seele des Feldherrn auszuüben pflegt, nämlich Vertrauen zu sich selbst und zu den braven deutschen Truppen, welche er befehligte. An diesem Tage schlang sich ein festes Band um seine Seele und die von tausend deutschen Herzen, welche für die Größe unsers gemeinschaftlichen Vaterlandes schlagen, und dieses Band, durch Kugelregen und Blut geweiht, wird, so hoffen wir Alle, fest halten, was auch die Zukunft bringen möge. Die große Flagge vom Christian VIII. und der Degen Paludan’s hängen jetzt in den Waffensälen von Koburg, und wohl auch der Herzog erwartet, daß es nicht die letzten Beutestücke sein werden, welche er von Feinden deutscher Größe nach dem Schlosse seiner Väter sendet. – Er hatte bald Veranlassung, zu beweisen, daß sein Herz treu für die deutsche Sache schlug. Als die Herzogthümer durch die Großmächte den Dänen gebunden überliefert wurden, da war er der deutsche Fürst, welcher zu Frankfurt und überall, wo es galt, eifrig gegen alles Unrecht protestirte, das man den Schleswig-Holsteinern anthat; der mit Freuden den Flüchtigen, Verbannten ein Asyl auf seinem Grund und Boden eröffnete, ihre Privatrechte gegen die dänische Regierung nachdrücklich und mit Erfolg vertrat, und die Zumuthung, Einzelne auszuliefern, mit vornehmer Verachtung zurückwies.

Aber nicht den Holsteinern allein erwies er sich treu. In den bösen Jahren, welche herankamen, war mehr als ein Ehrenmann in Gefahr, sein Festhalten an Recht und Gesetz, gegenüber einer fanatischen Reaktion, mit Verlust des Amts und der Freiheit zu bezahlen. Für solche unschuldig Verfolgte wurde er Schützer und Helfer, den Hessen öffnete sich sein kleines Land als Asyl, wie den Holsteinern. Ja man erzählt sich in Gotha unter vier Augen oft, daß der Herzog den und jenen Flüchtling mit ansehnlichen Summen unterstützt und weiter geholfen habe.

Was den Herzog zumeist allen Deutschen theuer macht und was ihm eine Bedeutung verleiht, die weit größer ist, als der Theil der deutschen Bodenfläche, den er beherrscht, das ist seine politische Thätigkeit, sind die Grundsätze, welche er, vielleicht der einzige von allen deutschen Fürsten, mit warmer Begeisterung und mit Verläugnung seines eigenen Interessen von je geltend gemacht hat. Höher als das Stamminteresse seines Hauses hat ihm stets die Ehre und Größe Deutschlands gegolten. Lebhaft empfindet er den Jammer und das Misere der Kleinstaaterei, die Schwäche des Vaterlands gegenüber dem Auslande, den Mangel an Selbstgefühl und politischer Kraft, welcher in der jetzt lebenden Generation überall sichtbar wird. Mit hohem Fürstensinn hat er seit dem Jahre 1848 stets als Vorkämpfer auf der Seite gestanden, auf welcher die Vertreter der deutschen Interessen zu finden waren. Er begrüßte die Nationalversammlung zu Frankfurt als einen großen Fortschritt in der Bildung unserer staatlichen Zustände, obgleich er als Souverain eher, als ein Anderer einsah, daß ihre Aufgabe nicht vollständig zu lösen sein würde. Nach ihrer Auflösung sah er in dem Dreikönigsbündniß und der Union der kleinern deutschen Staaten mit Preußen die einzige Möglichkeit,

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