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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

ausschreien. Nehmt Euch zusammen, ich sag’s Euch zum letzten Mal.“ –

Die Rede blieb ohne Eindruck auf den Alten. Er gab die wiederholte Versicherung ab, daß der Blutflecken sich rein zufällig vorgefunden habe, vielleicht durch das Berühren des Verwundeten, vor dem er niedergekniet, daß er nicht im Mindesten bei dem Vorfall betheiligt sei, und den Junker nie gefährdet habe. –

„Potz Henker, Eure Tochter wird doch nicht aus Schadenlust den eigenen Vater in Fatalitäten und in’s Gefängniß bringen wollen? Sie hat’s meinem Sohne gesteckt und ausdrücklich wird gesagt, das Blut an Eurem Rocke sei früher dagewesen, als mein Sohn zu Euch in’s Haus gebracht worden ist. Wo ist die Dirne? Katharina heißt sie ja wohl?“

„Ja Herr. Sie ist auf mein Geheiß zu Hause geblieben. Sie wollte mit Gewalt mit, ich mußte scharf einreden, bis sie es unterließ.“

„Nun, so will ich sie holen lassen!“ – Der Freiherr gab sogleich den Befehl, und fuhr dann fort: „Wie ist es gekommen, daß Euer Mädel heute von der Geschichte anfing und meinem Sohne erzählte, Euch müßte damals auch etwas Uebles begegnet sein? So etwas erzählt man entweder gar nicht, oder, wenn es die Dummheit will, gleich am selbigen Tage. Ich begreife Eure Tochter nicht.“

„Ja, Herr,“ versetzte der alte Soldat betrübt, „das ist eben mein Unglück. Dem eigenen Vater geht es nicht besser, wie Euch, dem Fremden. Was hab’ ich nicht Alles in sie geredet, daß sie sich ändern möchte, aber Gott bewahre, daß es half! Sie ist ganz anders, wie die Dirnen in ihren Jahren. Sie spricht wenig, geht immer sinnend vor sich hin, hat kein Vergnügen an Tanz und Spiel und kein Mensch kann recht in ihr Herz gucken. Sie hat mir heute ein großes Leid zugefügt, außerdem, und einem braven Burschen auch. Ihr kennt ja, gnädiger Herr, den jungen Maler, ich hab’ Euch ja bereits von ihm erzählt, und wißt, was an ihm war. Ich hätt’ ihn gar gern zum Schwiegersohn gehabt, und wetten möcht’ ich jetzt auch, daß Katharina ihn bis zum Sterben lieb hat. Seht, wie ich da von dem Ortsschulzen abgeholt wurde, da lag sie am Boden, rief in Einsfort: Rudolf! und schluchzte, daß es zum Erbarmen war. Wie nun das neue Leid kam, da hörte sie gleich auf zu weinen, ich merkt’s, sie schämte sich der Thränen vor den Leuten und auch vor mir; sie sprach mit dem Schulzen gar verständig, meinte, das sei nur ein Irrthum, eine Bosheit des Junkers – verzeiht mir, gnädiger Herr – und es würde sich bald zeigen, daß ich unschuldig sei.“

Die Stirn des alten Freiherrn verfinsterte sich immer mehr, mit großen Schritten ging er im Zimmer auf und ab und kaum konnte er die Zeit erwarten, wo Katharina eintreten würde. Als es geschah, überflog er mit seinen lebhaften Augen ihre Gestalt und er sagte sich heimlich, daß er in ihrem Stande noch nie ein so vollkommenes Weib gesehen habe. Er kannte sie wohl schon, aber nie hatte er sie einer so großen Aufmerksamkeit gewürdigt, wie jetzt, wo er dazu veranlaßt wurde. – Er ließ auch nach einigen Minuten der Ueberlegung seinen Sohn herüberrufen. – Es dauerte lange, bis dieser kam, er schien nicht sonderlich geneigt zu einer Confrontation mit den Bauern zu sein.

Er sagte es auch mit trotzigen Worten seinem Vater, wobei er aber nicht wagte, Katharina anzusehen. Der alte Freiherr donnerte auf: „Bube, ich rathe Dir ein anderes Betragen! Noch ist’s nicht erwiesen, ob Du nicht Unschuldige verleumdet hast. Ich kenne Deine Gelüste nur allzu gut, und sage Dir, wenn Du nicht rein aus dieser Geschichte hervorgehst, so kriegst Du einen Denkzettel, der Dir auf Jahre zu schaffen machen soll!“ –

„Vor diesen sagst Du mir das, Vater?“

„Vor diesen, ganz recht! Vor der Dirne, der Du nachgelaufen bist, vor dem alten Graukopf, den Du um sein Kind betrügen wolltest. Schäm’ Dich mit Deinen hocharistokratischen Neigungen, wenn Du keinen Adel in der Seele trägst. So tief hinabzusteigen, nur um seinen tollen Leidenschaften zu fröhnen! Schon einmal hab’ ich Dir eine ähnliche Geschichte kaum verzeihen können, es hat damals der Dirne das Herz gebrochen, alle Leute schimpften auf mein Haus und auf mein Wappen, und Du willst diesen Vorfall erneuern? Trotzest Du darauf, daß Du mein Einziger bist? Friedrich Wilhelm I. hat seinem widerspenstigen Sohne den Kopf vor die Füße niederlegen lassen wollen, und dieser Sohn wurde Friedrich der Große. Ich habe die Hoffnung nicht, mit Dir eine ähnliche Ehre einzulegen, ich kann Dich auch nicht köpfen lassen, aber enterben kann ich Dich, ich kann Dich aus meinem Hause jagen, wie den letzten meiner Diener!“

Casimir wurde leichenblaß, seine Lippen bebten vor Ingrimm und Scham, aber er wagte nicht, seinem Vater etwas zu erwiedern; er wußte, daß man ihm im Zorne nicht widersprechen durfte. Der Freiherr wandte sich an Katharina: „Wann hast Du mit meinem Sohne von der Geschichte gesprochen, wann ihm gesagt, daß Du an dem Rocke Deines Vaters Blutflecke gesehen? War das heute oder längst?“

„Längst, gnädiger Herr. Es geschah ganz in Gutem und der Junker nahm das auch so auf. Heute hatten wir nur mitsammen Schlimmes zu besprechen, denn ich wollt’ es nicht mehr dulden, daß er mir überall nachging und von seiner falschen Liebe redete. Ich hatte meinen Schatz, dem zu Lieb mußt’ die Sache aufhören und auch meinem Vater zu Lieb, der ein Aergerniß daran nahm. Die Leute munkelten auch schon davon; es war hohe Zeit, daß ich die Zusammenkünfte aufgab.“ –

„Aber warum bist Du überhaupt mit meinem Sohne zusammengekommen? Wenn Du so gescheidt heute zu denken weißt, so wirst Du es auch schon früher gethan haben. Du sagst da von falscher Lieb’, ich sollte meinen, Du hättest meinem Sohne eben nichts vorzuwerfen. Wenn Dich Dein Geliebter verlassen hat, so find’ ich das nach Deinem Betragen ganz in der Ordnung und es beweist nur, daß er ein Bursche ist, der das Herz auf dem rechten Flecke hat. Was sollte das für eine Ehe werden, wenn er fortwährend Dich bewachen, mit Mißtrauen beobachten müßte? Zwischen Liebenden und Gatten muß Offenheit herrschen, die größte Wahrheit, die Zwietracht im Hause vernichtet alles Glück und allen Frieden. Du hast das nun gebüßt, und im Uebrigen kümmert es mich auch weiter nicht; aber wissen möcht’ ich doch, warum Du mit Casimir, meinem Sohne, zusammengekommen, wenn Du ihm nicht mehr als Deine Gesellschaft schenken wolltest. Ich kenn’ den Jungen zu gut, als daß ich nicht wissen sollte, daß ihm damit wenig gedient gewesen wäre. Hat er Dir vielleicht was gegeben, reiche Geschenke gemacht? Ein Grund muß doch vorhanden sein.“

„Es ist ein Grund vorhanden, gnädiger Herr, aber ich sag’ ihn nicht!“

„Dann werde ich Dich zwingen. Was glaubst Du denn, Dirne, vor wem Du stehst? Ich rathe Dir im Guten, es wohl zu überlegen, bevor Du antwortest. Ich frage Dich noch einmal, was hat Dich veranlaßt, Casimir so weit zu verlocken, daß er wie toll und närrisch vor Liebe sich geberdete? Du hast im Anfang nicht Ja und nicht Nein gesagt zu dem, was er Dir von seiner Leidenschaft auskramte und nun endlich hast Du ihn zurückgewiesen und in einer Weise, die sehr auffällig ist. Du siehst, ich weiß Alles, bin von Allem unterrichtet. Jetzt antworte! Was hat Dich zur Falschheit, zu einem bösen Spiel getrieben?“

„Das weiß nur Gott und ich, und so wird es bleiben. Ihr bekommt nichts aus mir heraus, Herr Freiherr!“ – Sie legte wie betheuernd die Hand auf die Brust und blickte nach oben.–

„Dirne!“ – Der Freiherr ging mit erhobenem Arme auf sie zu. Sie sah ihn fest und unerschrocken an; entwaffnet ließ er unwillkürlich den Arm wieder sinken. Etwas wie eine Verwünschung zwischen den Zähnen murmelnd, ging er im Zimmer auf und ab, hie und da einen Blick nach seinem Sohne, bald auf Katharina und ihren Vater werfend.

Katharina ergriff auf’s Neue das Wort: „Ich weiß nicht so ganz recht, ob ich gegen Euern Herrn Sohn falsch gehandelt oder nicht: hat er doch falscher gegen Andere und auch mich gehandelt. Was wollte er von mir? Doch nimmer, was ein rechtschaffenes Mädchen gewähren kann. Toll ist er geworden, ja, das ist wahr, denn er geberdete sich wild und unnatürlich, als ich nicht gewähren wollte, er treibt es auch noch weiter, denn er klagt meinen Vater an, und der ist unschuldig. Der Junker ist kein guter Herr, ich hab’ nicht gegen ihn gefehlt. Wenn ich gefehlt hab’, und es geht mir seit heute so im Kopfe herum, so hab’ ich es nur gegen den Maler, den Rudolf, den ich im Herzen getragen habe und immer tragen werde, wie’s auch kommen mag. Meinen Vater aber nach Kolberg oder Stettin abführen, lass’ ich nicht, das sag’ ich Euch, Herr Freiherr. Laßt Euch im Guten zureden. Was hat Euer Sohn so lange geschwiegen? Auf all’ Euere Fragen nicht geantwortet? Da steckt etwas dahinter. Fangt nur die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_287.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)