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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Verhältnissen wohl gar wuchern lassen, wie sich dies besonders auf einigen Ausflügen in’s Innere manchmal philisterhaft genug zu bewähren schien.

Zwischen den „blauen Nasen“, wie die Neuschotten von den Yankees genannt werden, und den eigentlichen Yankees macht sich auch noch ein Unterschied der mannichfaltigsten Art geltend, der auch für Deutschland sein Interesse haben wird, da er sich in dem würzigsten Humoristen, den Amerika bisher producirt hat, in „Sam Slick“ (dem Advokaten Haliburton in Neuschottland) auf eine Weise ausprägt, die durch Uebersetzungen in Deutschland schon vor Jahren olympisches Göttergelächter erregten. Wir hatten das Glück, den lustigen, modernen Weisen in seiner eigenen Behausung persönlich kennen zu lernen und werden ihm deshalb einen besondern Artikel zu seinem sprechend ähnlichen Portrait widmen.

Ich machte manche Ausflüge um Halifax herum und weiter in’s Land hinein, kann mich aber nicht auf ausführliche Schilderungen einlassen, da selbst die malerischsten und ergreifendsten Landschaftsbilder unter der feurigsten, besten Wortbeschreibung leiden würden.

Ich erwähne nur im Allgemeinen, daß der Reiz des Landschaftlichen hier größtentheils in gemischten Bildern großartiger Wald- und Felsennatur, in plötzlichen Uebergängen des Wildurwäldlichen in’s Idyllische und die Kultur, von zerlumpter Indianerwildniß zu einer reitenden Dame der feinsten Art, aus der schwarzen Negerhütte zum cultivirtesten Backenbart und Vatermörder der „Blaunase“ besteht. Hat man sich mit Lebensgefahr durch furchtbare Granitmassen und dichtverwachsene Wälder hindurchgearbeitet, klingeln und guken uns plötzlich fromme Kühe entgegen, die gemüthlich umherlungern, und drüber hinaus leuchtet das reinlichste, weiße Landhaus aus einladenden Obst- und Blumengärten heraus. Nicht selten wird man durch ein erbärmliches Wigwam (aus Stäben und darüber gebundenen Fellen bestehendes Indianerdorf) und einzelne, grell aber geistlos stierende Indianerweiber und Kinder überrascht, ein erschütternder Anblick der langsam aussterbenden rohen Menschennatur, die sich in die eindringende Kultur der anglo-sächsischen Race nicht finden kann. Man hat Vieles gethan, um diese „Micmacs“, wie diese Indianerreste hier genannt werden, zu civilisiren und zu christianisiren. Eben jetzt ist wieder eine Gesellschaft in Halifax damit beschäftigt, diesen Indianern Christenthum, moderne Kleidung und Lebensweise beizubringen, jedenfalls wieder ohne besondern Erfolg, da man immer mit christlichen Dogmen anfängt, statt sie durch äußerliche Kultur für schönere Sittlichkeits- und Religionswahrheiten (nicht Katechismus-Brocken) vorzubereiten.

Halifax.

Unweit eines armseligen Indianerdorfs stieß ich plötzlich auf eine etwas höhere Kulturstufe einer andern Menschenrace von lauter Negern. Mitten im Walde standen plötzlich einige Dutzend Holzhütten mit Thüren, Fenstern und naiven Ackergeräthen vor mir, mit denen sich kohlpechschwarze Jungen und Mädchen in den verschiedendsten Trachten zu thun machten. Das Weiße ihrer Augen wurde groß, wie ein neues preußisches Zweithalerstück, als sie mich anstarrten. Einige liefen in die Hütten und holten Mütter und Schwestern heraus. Ich aber machte nicht viel Umstände und bat, man möge mich in eine solche Hütte führen, was man denn auch mit viel Gefälligkeit that. Ich bemerkte einige Kamine und Kochapparate, viel Zerbrochnes und Zerlumptes und Betten von zerbröckeltem Laub und Gras, aber doch Menschen, die sogar zum Theil etwas Englisch sprachen und von der Kultur, die sich eine Stunde von ihnen in der feinsten, höchsten Potenz vereinigt fand, Begriffe hatten. Nur meinten sie, es koste zu viel Arbeit, sich so weit hinauf zu arbeiten. In Halifax erzählte man mir, es seien Neger, die ein englischer Admiral 1812 von einem Sklavenschiffe befreit und in Halifax abgesetzt habe. Ein Theil lebt in Halifax selbst in dienenden Verhältnissen, die in den Hütten außerhalb kosteten aber der Stadt im Winter viel Geld und Lebensmittel, da sie nicht dahin zu bringen seien, sich im Sommer gehörigen Vorrath von Kartoffeln, Getreide u. s. w. zu bauen. Ich glaube, sie bleiben deshalb so tief stehen, weil sie von den „christlichen Weißen“ in Amerika fast durchweg als eine ganz untergeordnete Sorte von Geschöpfen mit Verachtung und Demüthigung selbst von Denen behandelt werden, die für sie beten und Geld geben und im „Onkel Tom“ über sie weinen. –

Ich suche meine Erfahrungen und Beobachtungen in einzelne, abgeschlossene Bilder zusammenzudrängen. So laß ich denn hier eins von der Ackerbau-Kultur in Neuschottland folgen, wie ich sie in einem jener modernen „olympischen Spiele“, ganz ähnlich denen im alten England, so recht dicht beisammen sah. Das vom Provinzial-Gouverneur arrangirte Agricultur-Fest bestand zuerst aus einem großartigen Wett-Pflügen auf einer grasbedeckten Ebene vor der Stadt. Das Bild als Ganzes machte einen durchaus erquickenden, heiter erhebenden Eindruck. Kunstvolle, moderne Pflüge von Eisen in den verschiedendsten Gestalten, schöne, starke

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_307.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2021)