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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Lande sprengte und die hierbei erhaltenen Resultate wurden unbedingt gut geheißen. Nun ist das Sprengen großer Felsenmassen eben so sicher und gefahrlos, wie das Abfeuern eines Gewehrs, außerdem noch wirksamer und weniger Kosten verursachend wie bisher. Besondere Aufmerksamkeit widmete Roberts dem galvanischen Apparat, der die Entzündung besorgt. Nach und nach hat er ihn so vereinfacht, daß jeder Zimmermann ihn verfertigen und jeder Arbeiter ihn mit Erfolg anwenden kann. Der Apparat hat Aehnlichkeit mit dem bekannten Troggapparat; es ist ein hölzerner, wasserdichter Kasten, der jedoch keine Zellen enthält; die Platten sind nur durch Holzleisten getrennt. Statt des Kupfers ist hier das billigere und wirksamere Eisen gewählt und die Anordnung so getroffen, daß die Platten erst im Moment des Losschießens in die erregende Flüssigkeit, die Säure, eintauchen und nach dem Gebrauch sogleich wieder daraus entfernt werden können. Dadurch erzielt man eine weit größere Stromstärke und eine bedeutende Verringerung der Kosten. Für wenige Groschen Säure reicht für ein ganzes Jahr aus, selbst wenn die Batterie täglich im Gebrauch sein würde. Die Person, welche die Schließung der Batterie, also die Entzündung der Mine zu besorgen hat, kann sich noch weiter von dem Bohrloch entfernen und die Schließung durch Ziehen an einer langen Schnur besorgen.

Die Ersparung an Pulver – gegen das gewöhnliche Verfahren – ist von größerer Bedeutung als man auf den ersten Blick glaubt. Bedeutende Sprengungen verursachen viele Kosten. Bei den Philadelphia-Wasserwerken kostete das verschossene Pulver 21,000 Thaler, bei einer neuen Straße nach Edinburg 7000 Thaler und bei Granitbrüchen verschießt man oft auf einmal für mehr als 20 Thaler Pulver.

Um nicht erst für jede Explosion den feinen zwischen den Leitungsdrähten ausgespannten Eisendraht, der durch den galvanischen Strom zum Erglühen gebracht wird, vorrichten zu müssen, hat Roberts Patronen angefertigt, die man in beliebiger Zahl anfertigen kann und die in die Mitte der Pulverleitung eingesetzt werden, so daß die langen in ihr befestigten Drähte noch mehrere Fuß über den Felsen hervorstehen. Nun wird in das Loch ein Pfropf von Stroh oder Werg eingesetzt, so daß ein lufterfüllter Raum zwischen ihm und dem Pulver bleibt, dessen Größe von den zu erzielenden Erfolgen abhängt; dann wird das Loch lose mit Sand ausgefüllt. Die hervorstehenden Drähte werden mit den Zuleitungsdrähten, die zur Batterie führen, verbunden. Letztere sind mit Zwirn übersponnene Kupferdrähte von ungefähr 1 Linie Durchmesser und stärker. Je nach der Stärke der wirkenden Batterie, die sich genau berechnen läßt, kann man die Mine aus beliebiger Entfernung anzünden; nicht allein eine, sondern beliebig viele, die alle durch Drahtleitungen mit der Batterie in Verbindung stehen und dann alle genau zu ein und derselben Zeit losgehen. Auf die Art erlangt man durch eine Reihe von kleineren, zweckmäßig vertheilten Bohrlöchern eine bei weitem größere Wirkung als durch eine einzige große Mine selbst mit stärkerer Ladung. Ja man kann sogar die Felsmassen in Stücke von bestimmten Formen sprengen, während man früher nur regelmäßige Stücke erhielt, die bei der Verarbeitung viele Abfälle lieferten.

Uns liegt ein Bericht vor über Versuche, welche auf Veranlassung des sächsischen Oberbergamts in Schneeberg angestellt wurden. Hier werden die Vortheile der neuen Sprengmethode gebührend anerkannt. Näheren Aufschluß darüber werden einige großartige Sprengungen geben, die in England ausgeführt worden sind.

Die Londonderry-Coleraine Eisenbahn in Irland[WS 1] geht bei Downhill mittelst zweier Tunnel durch die Basaltfelsen, welche an der irischen Küste in seltener Großartigkeit auftreten. Um die Arbeit zu beschleunigen, führte man die Sprengung mittelst des galvanischen Stromes aus. Die größere Ladung betrug 2400, die kleinere 600 Pfund Pulver; beide wurden durch eine Batterie zu gleicher Zeit entzündet. Kaum war die Batterie geschlossen, so sah man den Fuß des Felsens sich etwas erheben; die obere Masse zitterte und in tausend Spaltungen zerberstend rollte eine Felsenmasse von über einer halben Million Centner in’s Meer. Man hörte einen tiefen hohlen Ton, wie fernen Donner, aber keinen Knall.

Die großartigste und kühnste Sprengung aber wurde wenige Jahre vorher in der Nähe von Dover ausgeführt. Um einen geraden Weg bei der von Folkestone herkommenden Eisenbahn herzustellen, mußte ein nicht unbeträchtlicher Theil des merkwürdig gestalteten Rounddownfelsens, der bekannten Shakspeareklippe, die sich 3/5 Fuß hoch über das Meer erhebt, fortgeschafft werden. In drei großen Kammern am Ende der Schichte barg der Felsen in seinem Schooße den vernichtenden Feind, im Ganzen 18,000 Pfund Pulver, eine Menge, wie sie noch nie angewendet worden. Auf der Rückseite des Felsens war ein hölzerner Schuppen errichtet, aus welchem die drei großen elektrischen Batterien aufgestellt waren. Die Länge der Drahtleitung betrug 1000 Fuß. Man hatte sich vorher eingeübt, um mit Sicherheit das Losgehen aller drei Minen auf einmal zu erreichen. Der Tag der Ausführung wurde auf den 26. Januar 1843 angesetzt. In der Nähe waren Tribünen errichtet und mit der gespanntesten Aufmerksamkeit harrten viele Tausende in ängstlicher Erwartung auf den Ausgang dieses seltsamen Schauspieles, eines der kühnsten Unternehmen, die je der menschliche Geist ausgeführt hat. Genau 26 Minuten nach 2 Uhr empfand man eine leise Erschütterung des Bodens, darauf hörte man ein tiefes, schwaches, undeutliches und unbeschreibliches unterirdisches Rollen. Herschel vergleicht es mit einem dumpfen Murmeln, das kaum länger als eine halbe Secunde dauerte und so schwach war, daß es nur bei der lautlosen Stille gehört werden konnte. Unmittelbar darauf fing der untere Theil des Felsens an herauszubrechen und beinahe zu gleicher Zeit begannen etwa 500 Fuß in der Breite von der Spitze her geräuschlos allmälig herabzusinken, so sanft, daß die auf dem Gipfel des Felsens aufgesteckte Heggenstange unbeschädigt mit den Trümmern unten anlangte. Die Explosion war also nicht lautkrachend, das Zerklüften des Felsens nicht geräuschvoll. Dies erklärt sich aus der eigenthümlichen Struktur der Kreide und dem zerklüfteten Zustande des Felsens. Die Kreide ist am wenigsten geeignet den Schall fortzupflanzen und am besten, die durch einen schweren Schlag erzeugte Schwingung zu dämpfen. Außerdem war die Kraft des Pulvers so genau berechnet, daß nicht ein einziges Bruchstück weit hingeschleudert wurde und so Gefahr brachte. Als hätte der Felsen seinen festen Zustand mit dem flüssigen vertauscht, glitt er wie ein Strom in das nahe Meer, riß das Ufer in seinem Laufe auf und trieb den Schlamm heftig mit sich fort. Der ganze Vorgang dauerte höchstens 8 Minuten. In einem Augenblick war der Felsen zertrümmert, der durch unzählige Jahrtausende hindurch den vereinten Kräften der Stürme und den aufgeregten Wogen getrotzt hatte; seine Trümmer bedeckten einen Raum von 15 Morgen 20 Fuß hoch mit einem Gewicht von 20 Millionen Centnern. Das giebt uns eine Schätzung für die ungeheure Größe der vernichtenden Kraft. Durch diese Sprengung wurden 80,000 Thaler Arbeitslohn erspart.

Unser Erstaunen wächst um so mehr, wenn wir an die Winzigkeit des Feindes denken, gegen den der menschliche Geist diesen Riesenkampf einging. Die Kreide wird bekanntlich durch die Kalkpanzer von Infusorien gebildet, von den Ueberresten kleiner Thierchen, die unser blödes Auge nicht wahrnehmen kann und von denen Schleiden sagt, daß der Ueberzug einer einzigen Visitenkarte schon ein zoologisches Cabinet von vielleicht 100,000 Thierschalen bildet. Tausende dieser Geschöpfe vermag der Druck eines Fingers zu vernichten. Halten wir die besprochene Thatsache dagegen, so lernen wir, daß in dem Wörterbuche der Natur das Wort „klein“ nicht enthalten ist. Nur wir bezeichnen mit groß und klein das, was sich von dem gewöhnlichen entfernt; die Natur kennt einen solchen Maaßstab nicht, in ihr giebt es nichts Ungewöhnliches.

In England bedient man sich des Sprengens auch häufig bei dem Niederreißen der Häuser; die Maurer sind hier zugleich auch Minirer und üben so also die Nachtheile ihrer Kunst aus. Diese Thatsache verdient von unserer Seite Beherzigung, da der Fleiß der Maurer sprüchwörtlich geworden und hier und da Sitte zu sein scheint, Gebäude aufzuführen, um sie schnell wieder einzureißen. Die Artillerie eines einzigen Schiffes reichte hin, um alle Häuser der abgebrannten langen Straße in Edinburg in wenigen Minuten „sanft niedersitzen“ zu machen, eine Arbeit, zu der Maurer, bei dem Schneckengange ihrer Arbeit, viele Monate gebraucht haben würden. Bei Abbrechen der Mauern des Schlosses Dunbar löste ein einziger Schuß eine Masse von 3000 Centnern.

Beim Sprengen kann auch mit der Zeit die Schießbaumwolle zu Ehren kommen. Versuche, die in England angestellt worden sind, lehren, daß in Schieferbrüchen ein Gewichtstheil Schießbaumwolle ebenso viel leistet, wie sechs bis sieben und in festern

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Londonderry-Cotoraine Eisenbahn in Island
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 316. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_316.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)