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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Gestein wie vier bis fünf Theile Pulver. In einem Schieferbruche wurden 11,000 Centner Gestein durch nur 1/2 Pfund Schießbaumwolle sanft von dem festen Lager abgestoßen.

Sprengungen unter Wasser wurden bereits ausgeführt bevor man noch die Wirkungen des galvanischen Stromes kannte, doch waren sie sehr kostspielig und unsicher; unter zehn Versuchen mißlangen mindestens drei. Der englische Oberst Paslay hat die neue Sprengungsmethode unter Wasser so ausgebildet, daß sie dieselbe Sicherheit gewährt wie auf dem Lande. Er hat mit dem Ingenieurcorps zahlreiche Versuche auf dem Medway bei Chatham angestellt. Er entzündete aus einem Boote auf 500 Fuß Entfernung eine am Grunde des Flusses lagernde Pulvermasse, sprengte ein unter dem Wasser liegendes Wrack, dessen Trümmer unmittelbar nach der Explosion mit der emporgeschleuderten Wassermasse an die Oberfläche kamen und in 14 Fuß Tiefe versenkte große Sandsteinblöcke. Die Leitungsdrähte – von 1/8 bis 1/5 Zoll Stärke werden an einem mit siedendem Theer getränkten Tau der Länge nach durch Umwickeln von Hanfgarn befestigt, so daß das Ganze ein einfaches Tau bildet, das sich beliebig aufrollen und ausspannen läßt. Die Patronen werden durch Ueberziehen mit einer geschmolzenen Mischung von Pech und Talg wasserdicht gemacht. Solche wurden mit großer Sicherheit abgefeuert, nachdem sie bereits zehn Tage unter Wasser gelegen hatten. Die Batterie arbeitete stets in freier Luft, oft bei starkem Regen, einmal bei einem heftigen Schneesturme, ohne jemals zu versagen.

Von großem Interesse sind die Sprengungen, welche Pasley 1839–1840 in dem Hafen von Spithead ausführte, um das die Schifffahrt hindernde Wrack des Royal George, der vor 57 Jahren hier versunken war, fortzuräumen. So lange hatte die Festigkeit dieses Linienschiffes den Angriffen des Wassers getrotzt und auch jetzt konnten Ladungen von mehreren Tausend Pfund Pulver nur Stücke davon abreißen. Die ersten Angriffe gegen das ungeheure Wrack begannen am 29. August. Fünf Ladungen, zusammen 360 Pfund Pulver, wurden mit Erfolg zu gleicher Zeit losgebrannt. Die Wirkung glich einem heftigen Erdbebenstoße; die in der nächsten Nähe vor Anker liegenden Schiffe geriethen, ungeachtet ihrer Größe, in ein heftiges Schwanken. Das Wasser blieb jedoch vollkommen ruhig; erst nach einigen Secunden bUdete es unter heftigem Blasenwerfen und Sprudeln einen Kreis, der sich allmälig bis auf 50 Fuß in die Runde ausdehnte. Den 22. September wurden 2320 Pfund Pulver, die von Tauchern längs des festesten Theiles des Wracks befestigt worden waren, aus 500 Fuß Entfernung losgebrannt. Das Wasser, bei einer Tiefe von 90 Faden, dessen Oberfläche ganz glatt und ruhig war, gerieth anfänglich in eine zitternde Bewegung, die kleine unregelmäßige Wellen von nur ein Paar Zoll Höhe erzeugten. Nach drei oder vier Secunden aber erhob sich das Wasser in Gestalt eines großen Bienenkorbes, anfänglich langsam, dann aber rasch und an Umfang zunehmend bis es zu einer Höhe von 30 Fuß emporstieg. Von dieser Höhe herabfallend, bildete es sodann eine Reihe von Ringen, die sich nach allen Richtungen ausbreiteten und von denen der erste wie eine mehrere Fuß hohe Welle erschien. Weder die Erschütterung, noch der Knall war so groß, wie man nach den ersten kleineren Explosionen erwartete. Bei einer zweiten Explosion einer gleichen Pulvermenge hob sich das Wasser jedoch nur halb so hoch. Die ganz in der Nähe liegenden Schiffe wurden zwar heftig umhergeworfen, litten aber nicht den geringsten Schaden.

Es bleibt hier noch sehr zweifelhaft, ob die englischen Meerungeheuer, die „Erfindung Jacobi’s“ mehr zu fürchten haben werden, als den Heldenmuth der russischen Flotte, die ruhig die Küstenstädte bombardiren läßt und eben nur bei Sinope ihre Ehrentage zu feiern scheint. Ueberhaupt scheint der ganze Plan nur in den Köpfen der Zeitungsschreiber zu existiren. Anders wäre es, könnte man durch Taucher das Pulver direkt unter den Schiffen fest machen.

Viel Unglück würde man verhüten, wenn man im Frühjahr beim Aufgehen der Flüsse das Eis auf diese Art sprengen wollte. – Nach Vollendung der unterseeischen Telegraphen zwischen England und Frankreich machte man mit Hülfe der bestehenden Drahtleitung den merkwürdigen Versuch von einem Ufer der Meerenge zum andern ein Geschütz abzufeuern. Beim Entzünden des Pulvers auf so weite Entfernungen hin, bedarf man außerordentlich großer Batterien. Die neueste Zeit hat aber gelehrt, daß man bei Anwendung eines Inductionsapparates, den wir später in Gemeinschaft mit den übrigen galvanischen Apparaten erläutern werden, durch nur zwei Bunsen’sche Elemente Pulver selbst in einer Entfernung von über 3 Meilen sicher entzünden kann.




Das Haus des Präsidenten.

Zwar ist auch in Europa die Zeit vorüber, wo im Frohndienst Stein auf Stein zu kolossalen Bauten aufgethürmt wurde, um der Laune oder den bizarren Einfällen eines Großen zu genügen, der vielleicht, wie in Spanien kaum ein Eskorial mit seinen 36,000 Fenstern und 14,000 Thüren für würdig genug fand, seine Person zu beherbergen. Jene Zeit ist dahin, selbst so sehr dahin, daß in unsern Tagen vergleichsweise bescheidene Regentensitze, wie z. B. das herzogliche Schloß in Braunschweig aus lauter Sparsamkeit zur Hälfte unvollendet blieben. Allein die stolzen, auch jetzt noch benutzten Hallen, die sie uns übrig ließ, mahnen stets an ein Stück Geschichte, von welchem der Amerikaner nichts weiß, wenn er vor dem weißen Hause in Washington steht.

Die Geschichte vom weißen Hause ist kurz! Es ist die Amtswohnung des Präsidenten der großen Republik, und erhielt seinen Namen von der Farbe seiner Mauern. So steht es in der Bundesstadt Washington an den Ufern des Potomak, still und reizend gelegen zwischen Busch und Baum als bescheidener Sitz des Erwählten der freien Männer, die von Long Island bis zur Bai von St. Franzisko wohnen. Die Wohnung des Präsidenten ist so bescheiden wie sein Gehalt von 25,000 Dollars, womit das Maaß von Glanz angegeben ist, mit welchem die Amerikaner den Ersten im Staate umgeben wissen wollen. Den Republikanern der neuen Welt stand es wohl an, daß sie das Kapitol, wo der Kongreß tagt, der die Hauptsumme aller politischen Gewalt umschließt, in gewaltigen Umrissen errichteten, eine sinnbildliche Darstellung der Oberherrlichkeit des Volkes; – für die Wohnung des Staatsoberhauptes konnte man sich so genügsam erweisen, wie man sich erwies!

Schmucklos wie von Außen ist es auch innen im weißen Hause; schmucklos – nicht geschmacklos! Einen Ceremonienmeister giebt es dort nicht, von Antichambriren ist keine Rede und keine Wache ruft Dir irgendwo Halt entgegen oder wehrt hierhin oder dorthin den Eintritt. Auch wird das Auge nicht von Glanz geblendet; keine golddurchwirkten Tapeten schmücken die Wände und keine orientalischen Teppiche bedecken den Boden. An und in dem weißen Hause ist Alles fein bürgerlich und sittig. So aber will es der Amerikaner und Keinem kommt es in dem Sinn, sich deshalb mit weniger Achtung (Ehrfurcht kennt der Amerikaner Menschen gegenüber nicht) der Wohnung seines Präsidenten zu nahen. Außerdem hat die Leichtigkeit, mit welcher man Zutritt beim Präsidenten erlangt, nicht gerade zur Folge gehabt, daß davon übermäßiger Gebrauch gemacht wird; die Amerikaner wissen, daß bei ihnen das Staatsoberhaupt der müßigen Stunden nicht zu viele hat und so kommen nichtssagende Audienzen im weißen Hause nicht vor. Die Arbeitszeit des Präsidenten hat eine Art Unverletzlichkeit erlangt, und fast immer geht es still in seiner Wohnung her.

Fast immer, – denn bisweilen herrscht doch auch reges Leben im weißen Hause. Der 4. Juli, an welchem Tage im Jahre 1776 die vereinigten Staaten ihre Unabhängigkeit erklärten, ist einer jener Tage, wo sich das weiße Haus füllt und die Amerikaner ihren Präsidenten sehen wollen. Die Toiletten sind dann nicht so bunt wie bei der großen Cour eines Monarchen in Europa, indem der schwarze Frack allein von Galla ist, jedoch die Würde, welche herrscht, ist nicht geringer, wenn es jedenfalls auch freier und ungezwungener hergeht und man sich weniger tief bückt, als in der alten Welt. Zur Zeit des Kongresses ist es der Brauch, daß der Präsident die Repräsentanten des Volkes einige Mal in der Woche gesellig um sich vereinigt, wobei dann auch die fremde Diplomatie, überhaupt die Elite Washingtons und die feinere Damenwelt hinzugezogen wird. Es fehlt den Raouts des Präsidenten nicht an Würze, und wenn auch nicht so und so viel Ahnen erforderlich

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 317. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_317.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)