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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

II.

Im öden Kerker schmachtet Fontana kummervoll,
Des Urtheilspruches wartend, der bald ihn treffen soll.
Ob auch die starke Seele nicht vor dem Tod erbebt,
Er hätte, ach, so gerne, so gerne noch gelebt!

Wie schlägt sein Herz entgegen dem einz’gen Sonnenstrahl,
Der einmal jeden Tag sich zu ihm durch’s Gitter stahl!
Wie dürstet seine Seele nach Leben und nach Licht,
Und nach dem Lorbeer, der sich um Künstlerstirnen flicht!

Wenn schwarz auf seine Zelle sich senkt die frühe Nacht,
Da rollt vor seinem Auge in lichter Farbenpracht
Der wache Traum geschäftig viel bunte Bilder aus
Von einem großen, reichen, beglückten Lebenlauf.

Da sieht er stolze Tempel und Thürme sich erhöh’n,
Die langen Säulenreihen in hehrem Schmuck ersteh’n!
Wie wölbet sich die Kuppel so leicht und kühn empor!
Wie glänzt von Gold und Marmor das reichverzierte Thor!

Und dort im grünen Garten, aus Laub und Blumen schaut
Ein Landhaus, nett und wohnlich, nach seinem Riß gebaut;
Daraus tritt ihm entgegen, so wunderhold und mild,
Ihn freundlich zu begrüßen, ein lieblich Frauenbild.

Nach Tages Last und Mühe heißt sie willkommen ihn;
Er öffnet’ seine Arme, sie an sein Herz zu zieh’n –
Da stößt an kalten Stein sich die ausgestreckte Hand,
Und seine Arme fassen die leere Kerkerwand! –

Doch draußen um die Mauern ein holdes Mädchen schleicht,
Dem Angst und Gram und Thränen die Wangen schnell gebleicht;
Es ist, als ob ein Zauber sie bannt in diesen Kreis,
Wo sie den edlen Retter im Kerker schmachten weiß.

Sie kommt an jedem Tage, sobald der Morgen winkt,
Und wieder, wenn am Abend die Sonne niedersinkt,
Schaut nach dem Gitterfenster mit thränenfeuchtem Blick,
Und fragt den Kerkermeister besorgt um sein Geschick.

Als sie nun eines Tages ihn wiederum befragt,
Da wird mit kalten Worten die Antwort ihr gesagt:
„Das Urtheil ist gesprochen, – den Tod hat’s ihm gebracht;
Am dritten Morgen sagt er dem Leben gute Nacht.“

Da sinkt sie an der Schwelle der Kerkerpforte hin;
Doch plötzlich rafft sie wieder sich auf mit starkem Sinn:
„Drei Tage noch! – Noch schimmert ein Hoffnungsstrahl für mich!
Er rettet meine Ehre, – vielleicht sein Leben ich!“

Zu allen Cardinälen eilt sie in ihrem Schmerz,
Beschwört sie, zu erweichen des Papstes eisern Herz;
Doch ob sie auch voll Mitleid die Schöne weinen sehn,
Nicht Einer wagt’s, den strengen Gebieter anzufleh’n.

Schon bricht der dritte Morgen mit Todesschauern an,
Schon naht die letzte Stunde für den geliebten Mann; –
Da drängt sie sich zum Papste mit angstbeschwingtem Schritt,
Als er, zur Kirche gehend, aus dem Palaste tritt.

Sie wirft sich vor ihm nieder: „Du stehst an Gottes Statt, –
An Gottes, dessen Gnade und Huld kein Ende hat!
Laß Du auch Gnade walten, und gieb nicht Dem den Tod,
Der nur die Unschuld schirmte, die frecher Sinn bedroht!“ –

Doch streng und unerschüttert, mit kaltem, stolzem Blick
Weißt Sixtus ohne Schonung die Flehende zurück,
Und ruft vor allem Volke mit hartem, scharfem Wort:
„Ha! nicht umsonst warf Sixtus Montalto’s Krücken fort!“[1]

  1. Sixtus V., einer der bedeutendsten Päpste, besonders als Regent und Staatsmann, hieß mit seinem Familiennamen Felix Peretti. Er erbob sich durch sein Genie vom Hirtenknaben, der Schweine hütete, bis zum Oberhirten der katholischen Kirche. Als Cardinal nannte er sich nach seinem Geburtsorte, Montalto, brachte es dadurch, daß er sich hinfällig und gebrechlich stellte, dahin, von seinen Collegen, welche nach einem beliebten Grundsatze gern schwache und ihrem Einflusse zugängliche Männer wählten, mit der dreifachen Krone bekleidet zu werden. Nach seiner Ernennung warf er aber noch in der Wahlkapelle die Krücken weg, richtete sich zum Staunen aller mit Kraft und Würde empor, und regierte mit kraftvoller Energie, ein Schrecken für das rauflustige und räuberische Gesindel, an dem das verwilderte Rom reich war. Er starb am 24. August 1590.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 325. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_325.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)