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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Ruderer auf wirklich sehr gewandte Weise geführt, brachte uns bald aus dem Gewühl von kleineren und größeren Schiffen, was dicht am Ufer herrschte, heraus, und etwas weiter in den Meerbusen, wo wir eine freie Stelle fanden, die sich vortrefflich zum Baden eignete. Daß übrigens das „schwarze Meer“ seinen Namen nicht ganz mit Unrecht führt, konnten wir jetzt, wo wir uns auf und in demselben befanden, besser erkennen, wie am gestrigen Abend, als wir es, von der Abendsonne vergoldet, zuerst aus der Ferne gesehen hatten. Die Farbe desselben hat etwas sehr dunkeles, geht fast in das Schwarzgraue über und weicht so sehr von den viel helleren Schattirungen ab, welche die sonstigen Meere in der Regel zeigen. Es wachsen hier nämlich am Boden des Meeres viele dunkel gefärbte Seegräser und andere Pflanzen, deren Widerschein dem Wasser diese düstere Färbung verleiht. Wie klar und leicht ist z. B. das Wasser im Meerbusen von Genua gegen das hier von Varna.

Die Rhede dieses Hafens ist übrigens in vieler Hinsicht vortrefflich und bietet durch die weit in die See sich hineinstreckenden Landzungen den Fahrzeugen einen sicheren Schutz gegen die Nord- und Westwinde, welche die Schifffahrt auf dem „schwarzen Meer“ oft so sehr gefährlich machen, daher Varna mit zu den besten Hafenplätzen desselben gezählt wird. Ganz große, tiefgehende Kriegsschiffe können nicht bis dicht an die Stadt heran, da das Wasser hier zu flach wird, für gewöhnliche Kauffartheischiffe und Korvetten und mäßige Dampfer reicht die Tiefe vollkommen aus. Dieser gute Hafen, verbunden mit den sonstigen Vorzügen seiner Lage, macht auch, daß Varna mit zu den bedeutendsten Handelsstädten der europäischen Türkei gerechnet werden kann. Zwar hat Rußland Varna 1828 möglichst zu zerstören gesucht, da es einen Rival von Odessa in demselben sah, doch erholte sich die Stadt seit jener Zeit schon ziemlich wieder. Es sind mehrere fremde Handlungshäuser hier etablirt, und österreichische, englische und griechische Handelsfahrzeuge besuchen den Hafen alljährlich in großer Anzahl. Besonders jetzt war ein wirklich reges Gewühl in demselben, denn der Ausbruch des Krieges zwischen Rußland und der Türkei stand täglich zu erwarten und so galt es denn die letzten Augenblicke zu benutzen, bevor die russische Flotte den Hafen vielleicht gänzlich sperrte. Viele der in den Tagen, die ich in Varna verweilte, einlaufenden Schiffe hatten freilich keine Waaren des friedlichen Handels, sondern Werkzeuge des Krieges am Bord. Türkische und ägyptische Kriegs- und Handelsschiffe brachten Waffen, besonders auch schwere Geschütze aus den Gießereien von Constantinopel, Bomben, Vollkugeln und Pulver, Andere hatten wieder lebendige Ladungen von Soldaten am Bord. So war denn in den engen schmutzigen Straßen der Stadt oft ein solches Gedränge von Soldaten, Lastträgern und bulgarischen Bauern mit ihren plumpen, mit Büffeln bespannten Karren, welche die Sachen von hier nach Schumla und Silistria weiter schaffen sollten, daß man oft nur mit äußerster Mühe durch das Gewühl hindurchdrängen konnte. Wirklich gar manche interessante Genrebilder aller Art konnte man hier sehen, obgleich man dieselben wieder mit vielen und oft nicht geringen Unannehmlichkeiten erkaufen mußte.

Da wir uns doch einmal im Hafen befanden, so war es mit unser erstes Geschäft nach dem Bade, eine türkische Fregatte, die auf der Rhede vor Anker lag, zu besehen. Unser kleiner Kahn, mit dem wir zum Baden gefahren waren, konnte uns Alle, die wir zur Fregatte fuhren, denn außer unserem Dollmetscher hatten noch zwei türkische Artillerieoffiziere sich uns bei dieser Fahrt angeschlossen, nicht aufnehmen und so nahmen wir denn ein größeres Boot, das mit acht Ruderern bemannt war. Es waren Inselgriechen, welche uns fuhren, hübsche, gewandte Burschen, mit klugen und lebendigen Gesichtern, die ihre langen, schmalen Ruder so geschickt und tactmäßig zu handhaben wußten, daß unser leichtes Boot wie ein Pfeil schnell durch die dunkeln Fluthen schoß. Ich bin gewiß nichts weniger als ein Verehrer der Griechen und gehe denselben gerne so weit ich nur kann aus dem Weg, aber als geschickte und kühne Seeleute habe ich dieselben stets gefunden. Von allen den zahlreichen Völkern, welche die Küsten und Inseln des Mittel- und des „schwarzen Meeres“ bewohnen, sind die Griechen wohl unbedingt mit die besten Seeleute und nach ihnen die Genuesen, die schlechtesten aber gewiß die Neapolitaner.

Obgleich die türkische Fregatte, die Truppen gebracht hatte und jetzt schon wieder nach Constantinopel zurücksegeln wollte, ziemlich weit auf der äußersten Rhede lag, brachte uns unser Boot doch in kürzerer Zeit an Bord derselben, wie dies wahrscheinlich irgend wie andere Ruderer, Engländer und Norweger ausgenommen, gethan hätten. Die Fregatte, ein Schiff von 48 Kanonen, – sie ist seitdem bei Sinope mit zerstört – sah von Außen fast eben so ordentlich und gut gehalten aus, wie ein Kriegsschiff irgend einer andern Nation, und auch die Takellage war, so weit ich es wenigstens als Laie im Seewesen beurtheilen konnte, vollkommen in Ordnung. Unser englischer Seeoffizier wollte freilich nicht Alles ganz nach seinem Geschmacke finden und sagte mir, dies Tau müßte straffer angespannt und jene Rae anders gerichtet sein, erklärte sich aber doch, in Betracht, daß es nur ein türkisches und kein englisches Schiff sei, so ziemlich mit dem Ganzen zufrieden. Eine etwas schadhafte, kleine hölzerne Treppe, die in Haken hing, wurde uns vom Verdeck heruntergeworfen, und mit großer Willfährigkeit empfing uns sogleich am Bord der Commandant des Schiffes. Es war noch ein ziemlich junger, sehr kräftig aussehender Mann, unbedingt der schönste und stattlichste Türke, den ich je gesehen habe. Ein prächtiger Bart von einem seltenen glänzenden Schwarz umschloß sein ungemein edel geformtes Gesicht mit der gebogenen Römernase und den dunkelen, feurigen Augen und wallte ihm in zierlicher Kräuselung, bei der wahrscheinlich die Kunst das Ihrige mit gethan hatte, bis auf die Mitte der Brust herab. Sein Anzug bestand aus einem dunkelblauen Oberrock von militärischem Schnitt, weiten, blauen Pantalons, rothen Maroquinstiefeln und dem nie fehlendem rothen Fez, mit einer kleinen Diamant-Agraffe, dem Zeichen seines Ranges, an demselben. An einem dünnen, rothseidenen Gurt trug er einen kleinen gekrümmten Säbel in prächtiger, mit Gold verzierter Maroquinscheide, der Griff mit blitzenden Steinen ganz besetzt. Der Capitain, der einige Zeit in Toulon gewesen war, konnte etwas Französisch radebrechen und gebrauchte, uns zu Ehren, bisweilen einzelne französische Phrasen, fiel aber bald immer wieder in das Türkische zurück, so daß Stephan-Gregorio dann als Dolmetscher aushelfen mußte. Uns in seine Kajüte zum Frühstück zu begeben, war sogleich die Einladung des Schiffsbefehlshabers und da uns das Bad und unsere Fahrt ziemlich hungrig gemacht hatten, so leisteten wir dieser gastlichen Einladung auch recht gern Folge.

Die Kajüte, die sich im Spiegel der Fregatte befand, war nach türkischem Geschmack sehr elegant eingerichtet und sah ungleich besser aus, als das Gemach des Pascha, in das wir z. B. in Rustschuk geführt waren. Ein schöner Teppich bedeckte den ganzen Fußboden, und niedere, mit rothem Wollendamast überzogene Divans liefen rings an den drei Wänden herum, während der Plafond aus weißer, mehr reich wie gerade geschmackvoll vergoldeter Holztäfelung bestand. Eine vollständige Sammlung sehr schöner und kostbar mit Gold und Steinen verzierter Waffen hing an der einen Kajütenwand und fesselte die Aufmerksamkeit der Eintretenden.

Dem Capitain schien es Freude zu machen, daß wir sogleich großes Wohlgefallen an diesen Waffen fanden, und bereitwillig nahm er die einzelnen Stücke herab und gab sie uns in die Hände, damit wir sie bequemer besehen konnten. Es waren Handschars (breite, dolchartige Messer), mehrere krumme Säbel und auch reich ausgelegte Pistolen darunter, so daß die Sammlung gewiß einen bedeutenden Werth hatte. Das Prachtstück derselben war ein alter, ziemlich schwerer krummer Säbel mit einer der berühmten schwarzen Klingen, wie sie früher in Damascus verfertigt wurden. Der Capitain hieb einen dicken eisernen Nagel, der in der Wand eingeschlagen war, ohne Weiteres damit durch, als wenn es nur ein weicher Holzstift gewesen wäre, ohne daß die treffliche Klinge auch nur die mindeste Scharte bekommen hätte. Nicht ohne ein wohlgefälliges Lächeln hörte er die aufrichtigsten Lobsprüche an, die wir sowohl seiner Geschicklichkeit wie auch der Güte des Säbels spendeten, und die Stephan-Gregorio übersetzte und sagte uns, den Säbel würde er führen, wenn es nur erst gegen die verhaßten „Moskows“ (Russen) in den Krieg ginge. Die russischen Kanonen bei Sinope haben diesen kriegerischen Wünschen ein baldiges Ende gemacht, und der muthige Capitain sammt seiner tüchtigen Fregatte und den prächtigen Waffen ruht jetzt schon lange in dem kühlen Schooß des schwarzen Meeres, denn wenigstens den Zeitungsnachrichten nach soll dieselbe mit in die Luft geflogen sein. Wer weiß, ob nicht der Capitain selbst, mit einer jener glänzenden Pistolen, den letzten Schuß in die eigene Pulverkammer that, als er sein Fahrzeug nicht mehr retten konnte, damit die von ihm so bitter gehaßten Russen nicht den Triumph haben sollten, als Sieger am

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