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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Bord desselben zu kommen. Der Mann sah immer schon so aus, als könne er solch einer heroischen That fähig sein.

Nächst der Waffensammlung fesselten unsere Aufmerksamkeit mehrere kleine Tische, auf denen Seekarten, ein Kompaß, ein Sechstant und andere derartige Seeinstrumente, ein großes Sprachrohr und mehrere größere und kleinere Fernröhre lagen. Alle Instrumente waren aus bekannten englischen Werkstätten, und sahen sehr gut erhalten aus.

Nachdem wir so die Einrichtung der Kajüte besehen hatten, nahmen wir auf Einladung des Capitains, der sich selbst auch auf europäische Weise setzte, auf den Divans Platz. Mit einer kleinen silbernen Pfeife that derselbe jetzt einen hellen Pfiff, und sogleich traten zwei Neger, ganz in rothe Hosen und Jacken gekleidet, mit schon brennenden Tschibuks (Pfeifen) herein und steckten einem Jeden von uns die Spitze derselben in den Mund. Die Röhren der Pfeifen, wohl fünf bis sechs Fuß lang, waren von Weichselholz, in der Mitte mit einem rothseidenen, goldgestickten Handgriff verziert, die kleinen Köpfe ohne Deckel von rothem gebrannten Thon, die langen, breiten Spitzen von hellem glänzenden Bernstein. Als der Capitain sah, daß ich als Nichtraucher mich begnügte, nur den Dampf in die Lust zu paffen, lächelte er darüber und ließ mir durch den Dolmetscher, der sich übrigens nicht mit setzen durfte und auch keine Pfeife bekam, sagen, ich solle mich nur nicht geniren und die Pfeife weglegen, wenn ich nicht rauchen könne oder möge, was ich denn auch ohne Weiteres that.

Landungsplatz in Varna.

Nach aufgehobener Tafel, deren Schluß starker, heißer Kaffee in ganz kleinen Porzellantassen ohne Henkel, die in einer metallenen Untersatzschaale ruhten, bildete, besahen wir uns nun unter der Führung unsers gefälligen Wirthes das Innere der Fregatte genauer. So gut wie die englischen, französischen, holländischen, sardinischen, nordamerikanischen und dänischen Kriegsschiffe, die ich im Verlauf meiner Reisen gesehen hatte, gefiel mir diese Fregatte freilich nicht; mit den russischen Kriegsdampfern, die ich vor einigen Jahren in Swinemünde sah, konnte sie es aber in jeglicher Hinsicht vollkommen aufnehmen. Die Geschütze waren in guter Ordnung und von schwerem Kaliber, obgleich die neueren Erfindungen zum schnelleren Abfeuern derselben noch nicht sich dabei angebracht zeigten: auch die Enterwaffen der Mannschaft waren in brauchbarem Zustande. Die Leute selbst schliefen übrigens nicht in Hängematten, wie dies auf europäischen Kriegsschiffen der Fall ist, sondern kleine Stücke von einem groben Teppich, aus Kuhhaaren und Wolle, die bei Tage ausgerollt, des Nachts aber zwischen die Geschütze gelegt wurden, bildeten ihre Schlafstellen. Auch die Kajüten der Schiffsoffiziere und des Arztes, eines Armeniers, zeichneten sich durch übergroße Einfachheit ihres Mobiliars aus, wie denn auch die Reinlichkeit in allen Räumen lange nicht so groß war, wie dies auf nordeuropäischen Kriegsschiffen der Fall zu sein pflegt. Die Mannschaft selbst, wie uns der Capitain sagte, größtentheils aus den türkischen Besitzungen am adriatischen Meere her gebürtig, sah im Ganzen nur klein und etwas schwächlich aus, obgleich auch wieder einzelne sehr kräftige Gestalten sich darunter befanden. Auffallend waren uns die vielen jungen Bursche von sechzehn bis achtzehn Jahren, die unter den Matrosen waren, dann aber auch wieder mehrere Grauköpfe. Eine bestimmte Uniform, mit Ausnahme des rothen Fez, der oft aber schon so schmierig aussah, daß man seine Farbe kaum noch erkennen konnte, trugen die Matrosen nicht. Die Meisten hatten blaue oder braune baumwollene Hemden, die vorn an der Brust offen waren, und kurze weite Hosen von Segelleinwand an, die aber nur bis an das Knie reichten. Der übrige Theil des Fußes war bloß, und schienen die Fußsohlen förmlich mit einer dicken Hornhaut schon überwachsen zu sein. Da es gerade die Zeit der Mittagsmahlzeit war, so hatten wir Gelegenheit, die Mannschaft essen zu sehen. Um einen Kessel mit Reis hatten sich acht bis zehn Mann auf dem bloßen Verdeck, denn Tische und Bänke befanden sich im Mannschaftsraume nicht, auf den Hacken gekauert, und langten nun, Einer nach dem Andern mit der hohlen Hand in den Reis hinein, auf diese einfache Art die Portion zum Munde führend. Holzkannen mit Wasser standen auch an den Wandecken umher, aus denen dann die Matrosen, so wie sie durstig wurden, mit einem hölzernen Becher sich Wasser herausschöpften und gleich auf der Stelle austranken. Zweimal in der Woche erhalten die Leute nur ein einziges Stücklen Fleisch, sonst leben sie ausschließlich von Reis, Hirse, Bohnen und schlechtem Brot, ohne dabei die mindesten geistigen Getränke zu bekommen. Man dürfte in der That wenig Menschen finden, die so geringe Lebensbedürfnisse haben, und so wenig zu erhalten kosten, als diese türkischen Matrosen, wie denn überhaupt eine ungemeine Frugalität in allen materiellen Genüssen mit zu den vielen lobenswerthen militairischen Eigenschaften der Orientalen gehört. Die Subordination auf diesem Kriegsschiff mußte übrigens sehr strenge sein, denn so wie nur der Capitain sich in einem Verdeck sehen ließ, sprang sogleich die gesammte Mannschaft schnell von ihren Speisekesseln auf, und stellte sich reihenweise an den Kanonen hin, und erst wenn derselbe es ausdrücklich erlaubte, kauerten sie sich wieder auf ihren Plätzen nieder. Auch die Offiziere und Unteroffiziere näherten sich in einer sehr respectvollen Stellung ihrem Befehlshaber.

Sehr befriedigt von der freundlichen Aufnahme des Schiffscapitains

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 329. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_329.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)