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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Domenico Fontana.
Von Gustav Heubner,
illustrirt von G. Kühn.
III.

Was wogt des Volkes Menge hin durch das weite Rom?
Was sammeln sich die Schaaren dort vor St. Peters Dom? –
Heut’ wird die Riesensäule vom Meister aufgestellt,
Dem, wenn das Werk mißlänge, das Haupt vom Rumpfe fällt.

Schon liegt, durch hundert Rosse an seinen Platz bewegt,
Von tausendjähr’gem Staube mit Sorgfalt rein gefegt,
Lang hingestreckt, erglänzend im hellen Sonnenschein,
Am Fuß des Postamentes der ungeheure Stein.

Und neben ihm erhebt sich ein wundersamer Bau
Von Balken, Wellen, Rädern, mit manchem starken Tau.
Gar künstlich hat der Meister sich das Gerüst erdacht.
Die Masse zu bezwingen durch seines Geistes Macht.

An ihrem Posten wartet, der Männer große Zahl,
Des Steines Wucht zu heben auf sein Piedestal.
Bewähren soll sich’s heute an diesem Säulenschaft,
Wie Großes mag vollbringen vereinte Manneskraft.

Im weiten Kreise stehet das Volk und harrt gespannt,
Die neugiervollen Blicke nach dem Gerüst gewandt, –
Und in der kalten Menge Ein Herz, das angstvoll schlägt,
Ein Mädchenherz, drin schwankend sich Furcht und Hoffnung regt.

Der Papst steht auf dem Altan, von seinem Hof umringt,
Zu schauen, wie der Meister das große Werk vollbringt;
Der aber tritt jetzt unten aus des Palastes Thor,
Von Wachen rings umgeben, mit stillem Ernst hervor.

Er sinkt auf seine Kniee, den Herrn in Himmelshöh’n
Um Segen und Gelingen in Demuth anzufleh’n,
Und in dem Augenblicke ist jedes Haupt entblößt,
Und neigt sich im Gebete vor Dem, der uns erlöst.

Der Meister hat gebetet, – und reich an Kraft und Muth,
Mit fester, starker Stimme, mit ruhig kaltem Blut
Ertheilt er die Befehle voll Klugheit und Geschick,
Das Ganze überschauend mit klarem, sichrem Blick.

Sein Geist wirkt allbelebend bis zu dem letzten Mann;
Wie regen sich die Hände! Wie spannt der Arm sich an!
Es wächst zur Riesenstärke die klug geeinte Kraft –
Und seht! Da regt, da hebt sich der schwere Säulenschaft!

Und immer höher richtet die Spitze sich empor,
Und staunend sieht ihn steigen des Volkes dichter Chor;
Und langsam sich bewegend, hebt er sich fort und fort,
Und endlich steht er senkrecht auf seinem Fuße dort.

Der Meister blickt zum Himmel, und preist sein gutes Glück;
Doch weiß er: noch das Schwerste der Arbeit blieb zurück!
Denn jetzt gilt’s, ihn gerade und lothrecht, wie er steht,
Frei in der Luft zu heben mit künstlichem Geräth.

Die rüstigen Arbeiter, sie trocknen sich den Schweiß,
Den ihrer Stirn einpreßte der angestrengte Fleiß.
Der Meister gönnet ihnen gern eine Stunde Ruh’;
Dann greifen tausend Hände auf’s Neue wacker zu.

Da straffen sich die Seile in nerv’ger Männerfaust;
Das künstliche Getriebe der Räder schwirrt und saust;
Es drehen sich die Wellen, vom Eisenzahn gepackt,
Und Alles rührt und regt sich in Einem sichern Takt.

Von Ketten und von Tauen umschlungen und gefaßt,
Steigt langsam in die Höhe die ungeheure Last;
Ob von dem schweren Drucke auch das Gerüst erkracht,
Die Balken halten wieder, aus Eichenholz gemacht!

Emporgebracht bis über des Würfels höchsten Rand,
Auf dem sie bald soll finden den felsenfesten Stand,
Wird seitwärts nun die Säule durch’s Kunstgezeug gelenkt,
Daß sie dann auf die Basis sich ruhig niedersenkt.

Schon schwebt sie majestätisch fast über’m Postament,
Schon sieht Fontana freudig die Arbeit nah am End’,
Und mit gespannten Mienen steht rings das Volk und schaut;
Es wird im weiten Kreise kein Zug des Athems laut. –

Da wird des Meisters Antlitz mit einmal todtenbleich,
Er bebt am ganzen Leibe, und winkt, und ruft zugleich
Mit angstgepreßter Stimme: „Halt, Leute! Haltet an!“ –
Und schwankt, und stützt im Wanken sich auf den nächsten Mann.

Im Volksgedränge aber ertönt ein Schmerzensschrei;
Aus eines Mädchens Munde ruft’s: „Wasser schnell herbei! –
Der Meister fällt in Ohnmacht! Es ist um ihn gescheh’n! –
Um Gottes willen Wasser! – O eilt, ihm beizustehn!“ –

Kaum schlägt das Wörtlein „Wasser“ dem Meister an das Ohr,
Da fährt wie aus dem Traume urplötzlich er empor,
Und mit gewalt’ger Stimme noch einmal ruft auch er:
„Ja, Wasser! Wasser! Wasser! In Eile Wasser her! –

Die Taue sah ich rauchen, – ’s war noch um einen Zug,
So brannten sie, – und machten mein Werk zu Lug und Trug!
Ich sah’s, und in Verzweiflung schwand mir Verstand und Sinn,
Und schier ohnmächtig wär’ ich gestürzt zu Boden hin!

Ein Wort hat mich gerettet! – O Heil Dem, der es sprach!
Das Wort, es tönet ewig in meinem Herzen nach!
Die Stimme, die es sagte, sie klang mir so vertraut,
Wie Glück und Heil und Segen, – wie der Geliebten Laut!“ –

Er spricht’s, und prüft die Taue, und findet sie noch fest;
Man bringt die vollen Eimer; das Tauwerk wird genäßt;
Und fröhlich ruft der Meister: „Nun zieht mir wacker an! –
Frisch! – Kräftig! – Einen Ruck noch, – und Alles ist gethan!“ –

Die Säule senkt allmälig sich auf den Unterbau,
Und fügt sich in den Kranz ein, so sicher, so genau,
Daß keines Zolles Breite daran verloren geht; –
Das Werk, es ist vollendet! Der Obelisk, er steht!

Da braust in lautem Jubel empor des Volkes Kreis,
Es künden tausend Stimmen Fontana’s Ruhm und Preis;
Doch heimwärts eilt Maria, im stillen Kämmerlein
Dem Herrn aus frommem Herzen ihr Dankgebet zu weih’n.

Das Volk umringt den Meister, erdrückt ihn jauchzend fast,
Und führt ihn im Triumphe zum päpstlichen Palast;
Es öffnen sich die Pforten zum hohen Prunkgemach,
Und stürmisch drängt die Menge sich, Beifall rufend, nach.

In Demuth beugt Fontana sein Knie vor Sixtus’ Thron;
Der hebt ihn auf voll Güte, und spricht: „Mein lieber Sohn!
Du hast ein Recht erworben durch Deine edle Kunst
Auf Freiheit und auf Leben, – und meine höchste Gunst!

Du sollst mein Rom mir schmücken mit Werken, groß und schön,
Und als das Erste laß mir den Aquaduct erstehn,
Den der bedürft’gen Stadt ich im Geiste längst versprach;
Der heiße: „Glücklich Wasser[1] bis auf den spät’sten Tag!“ –

Der Meister geht, und eilends führt ihn sein erster Gang
Zum weinumlaubten Häuschen dort an des Hügels Hang.
Maria grüßt erröthend; sein schönster Traum wird wahr:
Beseligt tritt er morgen mit ihr zum Brautaltar.

  1. Fontana erbaute später die berühmte Wasserleitung „Aqua felice“ genannt.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_336.jpg&oldid=- (Version vom 7.12.2019)