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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Daß die Sicherheitslampen Hand in Hand gehend mit einer guten Wetterführung allen Unglücksfällen vorbeugen können, lehren uns die deutschen Steinkohlengruben. Anders aber ist es in England. Noch 1835 und 1849 wurden vom Parlament eigene Commissionen eingesetzt, welche über die Ursachen der Unfälle in den Kohlengruben und über die Mittel diesen zu steuern zu berichten hatten. Die letzte giebt den Verlust an Menschenleben durch schlagende Wetter in den englischen Steinkohlengruben jährlich auf 1000 an. Trotz aller Frömmelei und aller Kirchlichkeit legen die hartherzigen Grubenbesitzer doch einen weit geringeren Werth auf das Leben ihrer Arbeiter – freie Männer wie sie, als die Heiden – die alten Römer, welche, obgleich sie nur Verbrecher in den Bergwerken arbeiten ließen, dennoch für das Leben und die Wohlfahrt derselben durch die kostspieligsten Baue sorgten, die wir noch heute in Portugal und Spanien mit Verwunderung anstaunen.

Da alle gütlichen Ermahnungen und Rathschläge an dem Geiz der englischen Grubenbesitzer scheiterten, da blieb der Commission nichts anderen übrig als Zwangsmaßregeln vorzuschlagen. Ein neues Beispiel dafür, daß es mit dem so sehr gerühmten Selfgovernment nicht weit her ist, daß auch hier alle „Gemüthlichkeit“ aufhört, sobald der Geldbeutel mitzusprechen hat. Wie überall anderswo ist auch in dem gepriesenen England sehr Vieles „faul“ und die englischen Zustände im Großen und Ganzen nicht die, welchen die Menschheit als leuchtendem Vorbilde nachzustreben hat.




Bilder aus Varna.


Aegyptische Truppen und ihr Aussehen. – Viel Prügel. – Die kurdische Reiterei. – Ein junger Scheik und seine Ausrüstung. – Die Albanesen. – Kriegslust der Türken. – Ein Kaffeehaus. – Wie man dort Kaffee siedet. – Türkische Frauen. – Das Liebesabenteuer eines Engländers. – Abreise.
(Schluß.)

Da der Sturm, der durch ein heftiges Gewitter entstanden war, sich am Nachmittag wieder mehr gelegt hatte, so machten wir gegen Abend noch einen weiteren Spaziergang um die Stadt herum, um die neuangelegten Werke zu besehen. Das Innere der bulgarischen Städte mit ihren engen, krummen, schmutzigen Straßen voll Unrath, Gestank und ganzen Schaaren halbverhungerter, ekelhafter Hunde, ist so wenig ansprechend, daß man gern jede Gelegenheit benutzen wird, denselben zu entfliehen und sich in Gottes schöner, freier Natur zu bewegen. Uebrigens herrschte auch in der Umgegend reges Leben, denn mehrere Bataillone regulärer ägyptischer Infanterie, die vor einigen Tagen in Varna gelandet waren, um nach Schumla zu marschiren, bivouakirten im Freien, da in der Stadt selbst kein Platz mehr für sie war. Diese ägyptischen regulären Truppen haben sich seitdem mit wahrem Löwenmuthe gegen die Russen geschlagen und verdienen wirklich die unbedingteste Anerkennung, ja selbst Bewunderung wegen ihrer trefflichen militärischen Eigenschaften; ihrem Aeußeren nach sind es aber mit die häßlichsten Soldaten, die ich je in meinem ganzen Leben sah. Kleine magere Menschen, mit braunen hageren Gesichtern, den schmierigen rothen Fez bis fast an die Augen herabgezogen, was ihnen ein sehr dummes Aussehen giebt. Der Abendfrische wegen in alte schmierige Mäntel von unbeschreiblich grobem, braungrauem Tuch mit langen Kaputzen gehüllt, schlotterten sie herum, und starrten neugierig die ihnen fremden Uniformen der englischen Offiziere an. Besonders auch die Fußbekleidung derselben war in der elendesten Beschaffenheit, und Viele hatten sich alte Schlarfen von Schuhen mit Bast an die Füße gebunden, während Einzelne auch ganz bloß gingen. Die Flinten mit Bayonnetten daran, waren englisches Fabrikat und in ziemlich gutem Zustande, die übrige Ausrüstung von Tornister, Lederzeug aber sehr schlecht und unordentlich. Die Disciplin bei diesen regulären ägyptischen Truppen ist ungemein streng, und gerade dies giebt ihnen hauptsächlich mit ihre große Brauchbarkeit für den Krieg. Es wird geprügelt bei ihnen, und während wir im Lager herumgingen, bekamen gewiß ein halbes Dutzend armer Teufel ihre Hiebe, die sie, als wenn dies eine Sache wäre, die sich von selbst verstände, auch in geduldiger Resignation hinnahmen, ohne auch nur den mindesten Klagelaut dabei auszustoßen. Die Procedur hierbei ist übrigens sehr einfach. Der Schuldige muß sich auf dem Bauche der Länge lang hinstrecken, ein Kamerad setzt sich ihm auf den Nacken, ein Anderer auf die Füße, so daß er unbeweglich liegen bleiben muß, und nun bearbeitet ein „Tschausch“ (Unteroffizier) ihm das Sitzfleisch mit einem dicken Bambusrohr so lange, bis der zuschauende Offizier, der unterdeß gemüthlich seinen Tschibuk raucht, den Befehl zum Einhalten giebt. Der Geprügelte springt dann aus seiner allerdings etwas unbequemen Lage auf, küßt demüthig die Hand des Offiziers, sagt: „Ich danke, Herr! Herr! Gott ist Gott!“ und trollt sich dann seiner Wege. Alles geht dabei so gemüthlich und patriarchalisch wie nur möglich zu. Auch ein Grieche, der beim Stehlen ertappt war, erhielt, während wir im Lager herumgingen, die Bastonade und schrie dabei zur großen Verwunderung der Aegypter, die lachend umherstanden, als wenn er am Spieße stäke. So eine Bastonade muß gewiß sehr schmerzhaft sein, und wird sie ordentlich gegeben, soll der Gestrafte oft in mehreren Wochen nicht wieder gehen können. Der Schuldige wird ebenfalls auf den Bauch gelegt, seine nackten Füße aber zwischen zwei Stangen gebunden und ausgerichtet, daß die Fußsohlen waagerecht daliegen, und der Fuß sich nicht bewegen kann. Auf diese bloßen Fußsohlen werden dann die bestimmten Hiebe, die oft bis hundert steigen sollen, mit einem fingerdicken Bambusrohr aufgehauen. Der Grieche erhielt nur zwanzig Hiebe, denn der englische Hauptmann bat für ihn bei dem ägyptischen Offizier, daß ihm die andern erlassen wurden, doch waren seine Fußsohlen davon so übel zugerichtet, daß er nur mühsam fortgehen konnte. Wir schenkten dem Burschen, der ein recht confiscirtes Gesicht hatte, aus Mitleiden einige Piaster, obgleich er dieselben eigentlich nicht verdiente.

So erbärmlich das Aussehen der ägyptischen Truppen war, so exercirten dieselben doch ziemlich gut und gewandt, wie ich mich am andern Tage überzeugen konnte. Freilich eine berliner Wachparade war es nicht, doch wurden alle Bewegungen regelmäßig und ohne Verwirrung, wenn auch freilich etwas langsam ausgeführt. Bei dem Exerciren hieben die Offiziere aber tüchtig mit den flachen Klingen auf die Leute, die etwas langsam waren, darein, und auch einige Unteroffiziere bekamen ihr Theil Hiebe mit ab. Prügel haben nun einmal bei den Orientalen nichts Ehrenrühriges und es wird gar viel bei denselben geschlagen.

Außer diesen Aegyptern waren in und um Varna noch ein gutes Theil türkischer Truppen von allen Waffengattungen versammelt, und in rein militairischer Hinsicht konnte man viel Neues daselbst sehen und kennen lernen. Die malerischsten Gestalten unter allen diesen Truppen befanden sich unter einer kleinen Abtheilung irregulärer kurdischer Reiterei, die auf dem Durchmarsch nach der Donau begriffen war. Diese Kurden ritten schöne, schlanke und kräftige Hengste, und man konnte es den feurigen Thieren schon äußerlich ansehen, welche Kriegstüchtigkeit sie haben würden. Das Sattelzeug derselben war ungemein reich geschmückt und bei einzelnen Führern gewiß von hohem Werthe. Einen jungen Scheik (Häuptling) sahe ich, dessen rabenschwarzer großer Streithengst am Halse und über die Brust förmlich eine Art Panzer von Stahldraht mit rothem Zeug gefüttert, trug, wie ähnliche im Mittelalter bisweilen bei den Turnierrüstungen der Ritterpferde angebracht waren. Der Reiter selbst, ein noch junger, ungemein stattlicher Mann, der mit großer Gewandtheit sein muthiges Roß zu tummeln wußte, hatte ebenfalls über seinen bunten kurzen Waffenrock einen Drahtpanzer, der ganz eng anschloß. Im Einzelkampf sind diese kurdischen Reiter gewiß sehr gefährliche Gegner für die russische Cavallerie, im Ganzen werden sie gegen die geschlossenen Reihen derselben aber wohl nicht allzu viel ausrichten. Sie sind ohne Disciplin und Ordnung und vermögen nicht recht in geschlossenen Reihen zu fechten und regelmäßige Bewegungen auszuführen, und wo diese Eigenschaften fehlen, da hilft bei der Kriegsführung unserer jetzigen Zeit auch die glänzendste Tapferkeit und größte Gewandtheit des Einzelnen nicht viel. So sind diese häßlichen regulären ägyptischen Truppen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_340.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)