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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

No. 31. 1854.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redakteur Ferdinand Stolle.
Wöchentlich 1 ½ Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 12 ½ Ngr. zu beziehen.


Der Honigbaum.

In den vereinigten Staaten von Nordamerika giebt es eine Unmasse von wilden Bienen, die ihre Zellen in hohle Bäume oder Aeste bauen und dort vortrefflichen Honig einlegen. Es leben dort auch Leute, die ein wirkliches Geschäft daraus machen, den Bienen nachzugehen und die Bäume zu finden; besonders in Illinois z. B. wo die weiten blumigen Prairieen das wahre Paradies der Bienen sind; aber auch in Missouri und Arkansas, Louisiana und Texas sucht der Jäger eifrig, die Stellen aufzufinden, die ihm so süßen Raub versprechen, und süßer Honig gehört nicht allein zu seinen Delicatessen, nein, bildet sogar einen Theil seiner Provisionen, neben getrocknetem oder geräuchertem Wildpret und Bärenspeck, neben gedörrten Kürbissen und ausgeschältem Mais.

Die Bienenjagd selbst ist sehr einfach; soll ein Baum aufgefunden werden und sind nicht gerade honigreiche Blumen in der Nähe, auf denen die Bienen arbeiten, und von denen ab ihr Cours zu bestimmen ist, so wählt sich der Jäger in irgend einer Gegend, in der er Bienen vermuthet, einen kleinen offenen Platz, oder haut sich mit seinem schweren Jagdmesser einen solchen im Walde aus, in dessen Mitte er dann einen Stock in die Erde schlägt, ein Bündel Blätter darauf steckt und verdünnten Honig darüber weg spritzt.

Nicht lange dauert es, so finden die Bienen die süße Lockung, und nachdem sie sich schwer damit beladen haben, steigen sie erst in kleinen, dann in größer werdenden Kreisen in die Höhe, als ob sie sich über die genaue Richtung orientiren wollten, und schießen nun plötzlich in schnurgerader Linie ihrem Baume zu, um das Gesammelte im allgemeinen Waarenhaus niederzulegen.

Der Bienenjäger muß nun vor allen Dingen genau auf die Richtung achten, in der die beladenen Bienen fortziehen, wozu natürlich ein gutes Auge gehört; dann trägt er seine Lockspeise zwei- bis dreihundert Schritte den fortgezogenen Bienen nach und wartet, bis sie wieder von diesen, was gar nicht lange dauert, auf’s Neue gefunden ist, um auch von hier aus ihren Cours zu beobachten·

Behalten sie denselben bei, so ist das ein sicheres Zeichen, daß der Baum noch weiter entfernt sein muß, und ihnen nach werden die mit Honig bespritzten Blätter so lange getragen und wieder aufgestellt, bis sie zurück fliegen. Der Jäger weiß nun, daß er den Honigbaum passirt hat, und daß sich derselbe zwischen seinem jetzigen und letzten Haltepunkt befinden müsse, wonach er nun sorgsamer und aufmerksamer zu Werke geht.

Ist er dicht am Baum und die Bienen arbeiten, so zeigt ihr ungewisses Aufsteigen und Zickzackfliegen die sichere Nähe der Zellen an, und es hält dann selten schwer, ihnen mit den Augen bis zu der kleinen Oeffnung zu folgen, in der sie ihren Eingang haben, und wo man gegen den hellen Himmel bald die fleißig und geschäftig aus und einschießenden dunklen Punkte erkennen kann.

Nun werden diese Bienenbäume freilich in allen Jahreszeiten gesucht und gefunden, aber nicht in allen Jahreszeiten darf der Baum umgehauen werden, da man z. B. im Frühjahr, wo der ganze Schwarm den Winter hindurch von dem eingetragenen Honig gelebt, nur sehr wenig darin aufgespeichert finden würde; der Baum könnte aber auch, ehe die richtige Jahreszeit zum Umhauen käme, von einem andern Jäger gefunden werden, und nachher Streitigkeit entstehen, wer der rechtmäßige Besitzer wäre; dem deshalb zu begegnen, hat sich ein Gesetz im Walde, unter den Jägern selber gebildet, daß der einen Bienenbaum als sein rechtmäßiges Eigenthum beanspruchen darf, der ihn zuerst gefunden und, als sein Zeichen ein Stück Rinde davon abgeschlagen, wie die Anfangsbuchstaben seines Namens, oder wenigstens sein Zeichen mit dem Messer da hineingeschnitten hat. Den Baum darf von da an Niemand mit der Axt berühren, wie der Eigenthümer und wenn er ihn fünf oder zehn Jahre stehen ließe – er ist sein, und ein derartiges Eigenthumsrecht wird in der That nur von solchen mißachtet werden, die auch ein Pferd oder Rind ihres Nachbars stehlen würden.

Als ich im Jahre 1840 Rohr am Mississippi schnitt, dasselbe nachher den Kaufleuten in die nördlichen Provinzen hinaufzuschaffen, hatte ich mich durch das stromab gehende Dampfboot an einem Schilfbruch im Staate Tenessee aussetzen lassen, wo ich, wenn ich nicht draußen im Walde logirte, in der Hütte eines dortigen Holzschlägers übernachtete.

Dort im Haus wohnten auch drei junge Leute, zwei Söhne des Mannes und ein anderer junger Bursch, den er zu sich genommen, ihm Klafterholz für die dort anlegenden Boote zu schlagen, und wir vier wurden bald gute Freunde mitsammen, jagten in den Sümpfen, fischten in den Bayous und Slews, oder segelten auf dem Mississippi, und hetzten fast jede Nacht mit einer zahlreichen Meute Hunde (wir hatten deren neunzehn, besonders zur Bärenjagd bestimmt) Waschbären und Opossums, kurz, führten ein ganz vortreffliches Leben und befanden uns ausnehmend wohl. Die Zeit liegt jetzt noch wie ein Traum hinter mir, und ich denke mit Freuden an die glücklichen, sorglosen Stunden zurück, die wir da verlebt.

Nur einen Gegner hatten wir dort oben, und das war ein anderer Farmer oder Ansiedler, ein Mr. Bowley, der sich da später niedergelassen und die ganze Section, trotz seinem späteren Eintreffen, beanspruchte, weil er das Land bebaute, oder wenigstens

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_357.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)