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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

bald nach einem Musikstück, einem Kleiderstoff, nach einem Ausflug in der Gegend. Und ich sehe es deutlich, welches Vergnügen es ihm macht, mir gefällig zu sein. Wie sollte ich nicht zufrieden mit meiner Lage sein! Alfred ist eine der edelsten, zartesten Naturen und ich begreife gar nicht, wie ich Jemanden lieben sollte, wenn nicht ihn.“

Am 2. Mai schreibt Delphine:

„Was war das gestern für ein schöner ungetrübter erster Mai. Alfred und ich, wir Beide zusammen nahmen Theil an dem Blüthenfest der Natur. Unsere Herzen freuten sich mit den Kindern, welche auf den Wiesen Kränze flochten und sich dann, die frischen Kronen auf den blonden Köpfchen, lachend und singend umhertrieben mit den Mailüftchen um die Wette. Ich kann es nicht aussprechen, welche Stimmung uns Beide überkam inmitten dieser Auferstehungsfreuden der neubelebten Welt. Wir sagten uns nichts, allein wir fühlten Jeder, was der Andere sagen wollte und nicht konnte. So zärtlich war Alfred noch niemals mit mir gewesen, wie an diesem Tage. Er sah leidend aus, es drang wohl durch die glänzende Feier der Natur und der Geschöpfe manche böse Erinnerung auf ihn ein, die er abzuwehren hatte. Der stille lautere Abend, welcher dem rauschenden sonnigen Tage folgte, stimmte Alfred schwärmerisch. Wir saßen in dem Zelt vor dem Hause. Die Sonne war hinter die Berge gesunken und die Nacht zog sich wie ein schwarzer Flor hin über den Wald; sie gebot ringsumher Schweigen und Ruhe. Die Blumen schloßen ihre Kelche, die Vögel gewannen ihre Nester, die Käfer suchten ihr Nachtquartier. Nur die Nachtigall wachte und sang. Alfred schmiegte sich an mich, ergriff meine Hand und schwur, daß er mir nie den frommen Dienst in dem Heiligthum seines Herzens, nie mein inniges Walten um ihn her vergessen werde. Es war so tief gefühlt, was er sprach, daß ich bis zu Thränen gerührt ward. Was konnte ich erwiedern auf so gute, liebe Worte? Ich schwieg.“

Ein Brief Delphine’s vom 5. Juni:

„Wenn Alfred mich traurig sieht, weiß er gar nicht genug Mittel aufzubieten, um mich heiter zu stimmen. Wie liebenswürdig ist er mit dieser Beflissenheit und was macht es mir für Freude, ihn so bekümmert und ängstlich um mich zu sehen. Wie oft wünsche ich mir traurig zu sein, wenn ich es nicht bin, nur um Alfred um mich besorgt zu sehen. Und doch ist mir nicht möglich, ihm diese Comödie vorzuspielen. Jedem andern Manne gegenüber hätte ich mir wahrscheinlich aus diesem weiblichen Kunstgriff kein Gewissen gemacht. Wie aber könnte ich Alfred, in welcher Art es auch sei, hintergehen! Ihn, der so offen und aufrichtig ist wie ein Kind.

„Vor einigen Tagen wurde ich von einem geringen Unwohlsein befallen, da hättest Du seine Unruhe, seine Geschäftigkeit und Sorgfalt sehen sollen, mit welcher er meiner wartete. Wie hätte ich da nicht genesen sollen. Ich habe im Stillen die Krankheit gesegnet. Kann es eine herrlichere Ehe geben, als die unserige? Wie viel des Glückes gewährt sie, und wie viel läßt sie noch hoffen. Sie ist sparsam, sie verpraßt nicht in einigen Tagen ihren ganzen Reichthum, aber sie ist nicht geizig. Nicht einen Augenblick ist mein Herz unbeschäftigt oder auch nur ohne Bewegung. Die Tage enteilen mir wie Stunden; ich frage mich, wo sie dann hingekommen. Ich habe den Begriff von Langerweile verloren und doch wende ich kein äußeres Mittel der Zerstreuung an. Die Bücher, welche ich hier habe, bleiben ungelesen; auch Musik treibe ich wenig und ich spiele nur, wenn Alfred seine Lieblingsstücke verlangt. Wo soll ich Zeit für solche Nebendinge hernehmen?

Am 21. Juli schrieb Alfred an Arnold:

Mein bester Freund!

„Mir fehlte bisher die Stimmung Dir zu schreiben. Ich schämte mich meines schwankenden Zustandes Deinem sichern festen Wesen gegenüber. Nun da ich wieder einen Willen und ein Streben gewonnen, kann ich mich mit Dir über Gegenwart und Zukunft unterhalten. Wie gut hast Du mir gerathen! Ich bin durch den traulichen Verkehr mit meiner Delphine ein neuer würdigerer Mensch geworden. Meine Bekümmernisse, Wünsche und Hoffnungen erheben, erweitern mich und meinen Charakter. Ich lebe ganz und gar in der heiligen Umgrenzung der Familie und finde das Gebiet so weit, so schön, so fruchtbar; es ist mein Paradies, das Alles Wilde in mir zähmt und besänftigt. Wie entsetzlich, wenn eine zürnende Gottheit mich aus demselben verjagte. Was ist Deine Schwester für ein Weib, wie werth jedes Vorzugs, einsichtsvoll und zart, freigebig und genügsam; mild und unerschütterlich. Und doch glaube ich ihrer würdig zu sein. Habe ich nicht Alles gewonnen? Du wirst mit mir zufrieden sein, Arnold. Wie steht es mit Deiner Unternehmung, die Dich in Paris zurückhält? Wird sie Dich nicht auf einige Tage frei lassen, damit Du uns besuchen kannst? Du würdest Dich sehr wohl bei uns, mit uns fühlen und wir wären Dir für das Vergnügen Deiner Gegenwart dankbar. Trachte doch den kurzen Besuch möglich zu machen.

„Deine Schwester erwartet Dich so wie Dein Bruder

Alfred.“

Arnold konnte, von seinen Geschäften zurückgehalten, Paris nicht verlassen und sein Briefwechsel mit den Neuvermählten, von welchem wir nur einen Theil als zu dieser Geschichte gehörig mitgetheilt, dauerte bis Anfangs Dezember fort, da diese wieder aus ihrem Stillleben in das große lärmende Paris zurückkehrten.

(Schluß folgt.)




Aus der Menschenheimath.
Briefe des Schulmeisters emerit. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Schüler.
Fünfundzwanzigster Brief.
Das Mikroskop in der Haushaltung.
1. Leinen und Baumwolle.


Wenn Du schon eine Frau hättest, mein lieber Freund, so würde ich sagen, daß dieser nebst einigen folgenden Briefen weniger an Dich als an diese gerichtet seien. Da aber der Redensart zufolge „was nicht ist noch werden kann,“ so will ich es ansehen, als läse meine Briefe ein fleißiges Hausfrauchen und säße dabei hinter dem rebenunkränzten Fenster, welches aus Deiner Unterstube über Dein kleines Gärtchen hinweg in die reizende Berglandschaft blickt, in der Dein Dorf liegt.

Nachdem ich Dir schon so Mancherlei erzählt und abgezeichnet habe, wovon ich nur durch das Mikroskop Kunde erhalten haben konnte, so wird es Dich ganz gewiß nicht Wunder nehmen, wenn ich Dir sage, daß die Wirksamkeit dieses wichtigen Instrumentes sich auch bis in das Bereich der Hauswirthschaft erstreckt. Ueberhaupt ist es bei der Bedeutung unserer fünf Sinne für unser ganzes Sein sehr natürlich, daß einem Instrumente, welches den edelsten unserer Sinne schärft, gewissermaßen vervielfältigt, ebenfalls eine hohe Bedeutung zuerkannt werden müsse.

Hoffentlich wird bald auch in Deinen Mauern darüber debattirt werden, ob eingekauftes Leinen, Wollenzeug oder ein seidenes Halstuch auch wirklich reines Leinen, reine Wolle, reine Seide und nicht etwa mit Baumwolle verfälscht sei. Jetzt kümmert Dich dies freilich noch wenig. Aber warte nur, das kommt schon noch! Wenn Dir einmal eine sorgliche Ehehälfte in der Stadt für Dein schweres Geld zu etwas feineren Hemden eine Webe-Leinwand eingekauft haben wird, so wird sie gewiß mit einem kleinen haushälterischen Bangen ausrufen: „ja wenn ich nur gewiß wüßte, ob die Leinewand reines Leinen sei!“

Leider hat in neuerer Zeit die einst so zuverlässige und deshalb in hohen Ehren stehende deutsche Leinenweberei viel von ihrem Credit eingebüßt, weil man dem Leinen so viel Baumwolle beimischt und den Betrug durch künstliche Mittel der Zubereitung zu bemänteln wußte. Diese Täuschung ist oft so vollkommen, daß es nur ein Mittel giebt, dahinter zu kommen, und dieses Mittel ist eben das Mikroskop. Die Chemie erwies sich leider hierin als unzureichend. Es ist vor kurzer Zeit der Fall vorgekommen, daß ein Leinwandhändler in’s Gefängniß gesteckt wurde, weil die Chemie

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 384. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_384.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)