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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Die Eigenwärme des menschlichen Körpers.

Der menschliche Körper erzeugt in seinem Innern, so lange er lebt, fortwährend eine Wärme (d. i. die Eigenwärme oder thierische Wärme) von etwa 28–30°R. oder 95–991/2° F. oder 35–371/2° C.[1], und zwar deshalb, um die zum Leben unentbehrlichen Prozesse, besonders den Stoffwechsel im gehörigen Gange zu erhalten, da dies nur bei Wärme möglich ist. Die hauptsächlichste Quelle dieser Wärme ist, wenn auch der Körper durchaus nicht mit einem Ofen verglichen werden kann, doch wie in diesem ein Verbrennungsprozeß, der ebenfalls zu seinem Zustandekommen des Feuerungsmateriales und des Sauerstoffes benöthigt ist. Wie bei der Verbrennung im Ofen, so auch im Körper, wandelt sich durch das Verbrennen das Feuerungsmaterial in verschiedene theils luftförmige, theils wässerige und feste Stoffe um, die dann noch zu bestimmten Zwecken weiter verwendet werden. – Es wechselt übrigens der Grad dieser Eigenwärme, aber nur um ein Weniges, an verschiedenen Stellen des Körpers (innere Theile sind wärmer als die äußern), nach Tageszeit, Alter, Blutgehalt des ganzen Körpers und einzelner Organe, Ernährungsweise, Gesundheits- und Krankheitszustand; jedenfalls richtet sich derselbe auch nach der Beschaffenheit der Stoffe, welche innerhalb des Körpers gerade vorzugsweise verbrannt werden (wie das Brennen harten Holzes auch mehr Wärme als das von weichem Holze verbreitet). Am meisten steigt die eigene Wärme des Körpers bei fieberhaften Zuständen, wo sie bis zu +35° R. oder +40–44° C. gefunden wurde und hier wahrscheinlich die Schuld an den unangenehmen Fieber-Empfindungen (Eingenommenheit des Kopfes, Kopfschmerz, Schwindel, Gefühl von Abspannung, Durst) trägt. – Stammt nun die Eigenwärme vorzugsweise von Verbrennungsprozessen, so fragt es sich: Was wird verbrannt? wo wird Etwas verbrannt? und was wird aus und mit dem Verbrannten?

Daß auch in unserm Körper zum Verbrennen von Stoffen (s. Gartenlaube Nr. 30) der Sauerstoff (s. Gartenl. Jahrg. I. Nr. 28) ganz unentbehrlich ist, zeigt der Athmungsprozeß (s. Gartenlaube Nr. 16), durch dessen Hülfe fortwährend Sauerstoff aus der eingeathmeten atmosphärischen Luft dem Blute zugeführt wird. Ebenso muß auch dem Feuer im Ofen die gehörige Menge Luft (Sauerstoff) zugeführt werden, wenn es ordentlich brennen und Wärme entwickeln soll. So wie nun der Ofen den gehörigen Zug braucht, soll in ihm das Verbrennen des Feuerungsmaterials vollständig vor sich gehen, so scheint auch innerhalb unseres Körpers nach der Menge des Sauerstoffs im Verhältnisse zum Verbrennungsmateriale der Grad der Verbrennung verschieden zu sein. Es wäre nicht unmöglich, daß sich bei einer unvollständigen Verbrennung im menschlichen Körper, die in einem Mißverhältnisse zwischen Sauerstoff und Verbrennungsmaterial, vielleicht entweder in einer zu geringen Menge von Sauerstoff oder in einer zu großen Menge von Verbrennungsmaterial, ihren Grund haben könnte, – solche Verbrennungsprodukte bildeten, welche durch ihre Anhäufung im Blute Krankheiten zu erzeugen im Stande wären. So bildet sich z. B. beim unvollständigen Verbrennen von Kohlen im Ofen das sehr schädliche Kohlenoxydgas (s. Gartenlaube Jahrg. I. No. 48), während das vollständige Verbrennen derselben Kohlensäure erzeugt. Aehnliches scheint auch im menschlichen Körper vorkommen zu können, wenn sich z. B. durch unvollständiges Verbrennen von gewissen alten abgestorbenen Gewebebestandtheilen anstatt des Harnstoffs die Harnsäure bildet, welche den Grund zur Gicht legt. Vielleicht könnte alles Verbrennungsmaterial in unserm Körper unter gewissen Bedingungen falsch verbrannt werden, so daß sich alsdann, wenn wir den Vergleich mit dem Ofen fest halten wollen, Rauch, Asche, Ruß von schädlicher Beschaffenheit erzeugte.

Das Verbrennungsmaterial, welches innerhalb unseres Körpers und zwar, wie erscheint, innerhalb des Blutstromes mit Hülfe des eingeathmeten Sauerstoffs verbrannt wird, ist dreifacher Art; es besteht nämlich aus stickstofflosen (fettigen und fettbildenden) Nahrungsmitteln, aus abgestorbenen Gewebsbestandtheilen und aus jungen Bildungsstoffen. Die stickstofflosen Substanzen (s. Gartenlaube Jahrgang I. No. 39), welche wir mit unserer Nahrung in den Körper und das Blut einführen und zu denen Fette, Oele, Stärke, Zucker, Pflanzenschleim und Pflanzengallerte, Gummi und Alcohol gehören, werden nämlich eines Theils in Fett umgewandelt und als solches benutzt, zum andern Theile aber im Interesse der Wärmeentwicklung wahrscheinlich sofort verbrannt. Ohne Zweifel genießt man deshalb im Winter und in kalten Klimaten, wo sich der Körper gegen die äußere Kälte durch innere Wärme besser schützen muß, eine größere Menge dieser Nahrungsstoffe, als bei wärmerer Lufttemperatur. Ist die Zufuhr dieser Stoffe zu gering oder ganz aufgehoben, dann scheint, um doch die zum Leben nöthige Wärme zu behaupten, zuerst das Fett unseres eigenen Körpers verbrannt zu werden, denn dieses schwindet zusehends. Sodann dürften aber auch die abgestorbenen Gewebebestandtheile und jungen Bildungsstoffe mehr als sich gehört, zur Verbrennung dienen und dadurch die allgemeine Abmagerung des Körpers zu Stande kommen, wobei natürlich die Eigenwärme immer mehr sinkt. Bei der vollkommenen Verbrennung dieser, nur aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff zusammengesetzten, stickstofflosen Substanzen bildet sich zuletzt Kohlensäure und Wasser, nachdem sich vielleicht vorher Milch-, Butter-, Essig-, Ameisen- und Kleesäure daraus gebildet hatte. Die Kohlensäure wird hauptsächlich in der Lunge aus dem Blute und durch das Ausathmen aus dem Körper entfernt, des Wassers entledigt sich der Körper durch die Nieren, Haut und Lungen. Eine unvollkommene Verbrennung dieser Substanzen würde vielleicht anstatt bis zur Bildung von Kohlensäure und Wasser zu gelangen blos Zucker (aus der Stärke), Kleesäure oder eine andere dergleichen Säure erzeugen und dadurch den Körper krank machen. Noch ist aber ein solcher abnormer Verbrennungsprozeß und daraus erwachsender krankhafter Zustand des Blutes und Körpers nicht weiter erforscht. – Die alten abgestorbenen Gewebebestandtheile oder Mauserschlacken, welche ein zweites Feuerungsmaterial abgeben, sich beim Stoffwechsel in Folge des Thätigseins der Organe fortwährend bilden und in flüssiger Form durch die Haargefäßwände wieder in den Blutstrom gelangen, sind entweder stickstofflose (fettige) und werden dann wie die vorigen Substanzen schließlich zu Kohlensäure und Wasser verbrannt, oder es sind stickstoffhaltige (eiweißartige) und wandeln sich durch die Verbrennung schließlich in Kohlensäure, Wasser und Harnstoff um, nachdem sich wahrscheinlich vorher Fleischstoff (Kreativ), Fleischbasis (Kreatinin) und Fleischsäure (Inosinsäure), Harnoxydul und Harnsäure gebildet hatten. Der alte Blutfarbstoff oder das Blutroth, dürfte in Gallen- und Harnfarbstoff, sowie in schwarzen Farbstoff verbrannt werden. Die Verbrennungsprodukte der stickstoffhaltigen Schlacken werden vorzugsweise durch die Nieren mit dem Urin ausgeschieden. Eine unvollkommene Verbrennung der stickstoffhaltigen Feuerungsstoffe scheint das Blut reich an Harnsäure zu machen und dadurch zur Gicht Veranlassung zu geben. Durch vermehrtes Thätigsein der Gewebe und Organe bildet sich natürlich eine größere Menge solchen Verbrennungsmaterials aus Gewebsschlacken und deshalb entwickelt sich bei stärkeren Körperbewegungen mehr innere Wärme. – Die jungen Bildungsstoffe, welche als Eiweiß und Fett mit dem Speisesaft


  1. An jedem Thermometer (Temperatur- oder Wärmemesser) müssen zuvörderst zwei feste Punkte genau angegeben sein, von denen der eine die Temperatur des schmelzenden Eises bezeichnet und der Eis- oder Gefrierpunkt heißt, während der andere die Temperatur des siedenden Wassers anzeigt und der Siede- oder Kochpunkt genannt wird. Der Raum zwischen diesen beiden Punkten (der Fundamentalabstand) ist nun von Celsius, Reaumur und Fahrenheit in eine verschiedene Anzahl gleicher Theile (Grade) abgetheilt worden. Die Abtheilung (Scala) von Celsius, auch die Centesimal- oder hunderttheilige Scala genannt, enthält zwischen dem Eis- und Kochpunkte, von denen der erstere mit 0 bezeichnet ist, 100 Grade, so daß dem Siedepunkt der hundertste Grad (+100°) entspricht. Die Grade über dem Eispunkte nennt man Wärmegrade und bezeichnet sie mit +, die unter diesem Punkte heißen Kältegrade und man setzt – davor, ihr Zeichen ist C. Die Réaumur’sche Scala enthält zwischen dem ebenfalls mit 0 bezeichneten Eis- und dem Siedepunkte nur 80 gleiche Grad, ihr Zeichen ist R.. Bei der Fahrenheit’schen Scala sind vom Gefrier- bis zum Siedepunkte 180 Grade angenommen und der 0 Punkt steht um 32° tiefer als der Gefrierpunkt, so daß dieser also mit +32, der Siedepunkt mit +212° bezeichnet ist; das Zeichen dieser Scala ist F. In Deutschland und Frankreich bedient man sich bei wissenschaftlichen Untersuchungen der Celsius’schen Scala, in England der Fahrenheit’schen.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 389. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_389.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)