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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Sultane Fatime.


Es setzt dies allerdings ein Vertrauen voraus – aber wenn Sie schon längst das Herz gehabt hätten, die eingebildete Maske zu zerstören, die das verblendete Auge der Leidenschaft bisher gesehen, Sie würden eine für uns Beide peinliche Maskerade vermieden haben.“

„Himmel, wer sind Sie?“ fragte sie zitternd.

„Franziska, hat Ihr Herz keine Antwort auf diese Frage? Wagen Sie es getrost, auf seine Einflüsterungen zu hören –“

„So kann nur ein Mann zu mir sprechen –“

„Und räumen Sie ihm das Recht dazu ein? Antworten Sie mit dem Herzen, Franziska –!“

Sie riß die Maske vom Gesicht und warf sie zu Boden. Thränen rollten über ihre Wangen.

„Ich verstehe Sie, Franziska!“ rief der Grieche. „Nun soll auch meine Maske fallen!“

Er riß die schwarze Larve ab und Walther stand vor der schluchzenden Franziska. Er küßte ihr mit Inbrunst beide Hände, dann rief er aus: „Und mit freier Stirne wiederhole ich die Betheuerung, die ich vorhin ausgesprochen!“

„Walther, Sie haben mich besser gekannt, als ich selbst. Mein Herz hat einen schweren Kampf gekämpft – Sie führen es zum Siege! Walther, ist mit der Maske jede Scheidewand gesunken?“

„O, mein Gott, es hat nie eine gegeben!“

In diesem Augenblicke gab eine Trompete das Zeichen zum Demaskiren. Franziska erbebte vor Wonne bei dem Gedanken an ihren Sieg. Zum ersten Male warf sie sich an des Geliebten Brust. Dieser küßte sie, dann führte er sie in den Saal. Der Domino mit den beiden Damen trat ihnen entgegen. Es war der Herr von Detmar, der Freund des verstorbenen Oberst; die Chinesin war die Gräfin von Z., und die Schäferin war – Marianne.

„Mein Onkel, der Herr von Detmar!“ sagte Walther. „Und hier, meine Braut!“ fügte er hinzu, Franziska vorstellend. Dann ergriff er Marianne’s Hand und flüsterte: „die beiden Freundinnen mögen berathen, wann[WS 1] unsere Verlobung proklamirt werden soll.“

Marianne verneigte sich und Thränen traten ihr in die Augen, als sie flüsterte: „Erlauben Sie mir, gnädiges Fräulein, daß ich die erste bin, die Ihnen den herzlichsten Glückwunsch abstattet.“

„Und es ist hohe Zeit,“ rief Herr von Detmar, „denn morgen reist sie mit mir nach Westphalen.“

Franziska fühlte keinen Groll mehr gegen Marianne, sie war in diesem Augenblicke so glücklich, daß sie versöhnt der verkannten Feindin die Hand reichte und mit großer Empfindung sagte:

„Ich werde es für Unversöhnlichkeit von Ihrer Seite halten, wenn Sie die Einladung zu dem Feste meines Herzens ablehnen. Sie müssen mir erlauben, daß ich die Wette bezahle, die Sie gewonnen haben.“

„Franziska,“ rief lachend die Gräfin, „ich habe in der Voraussetzung gewettet, daß ich verliere – Herr von Detmar ist mein Zeuge.“

„Gewiß, Fräulein,“ sagte der alte Herr; „mein Neffe wußte, was er Ihrem Herzen zutrauen durfte.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: wenn
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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 525. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_525.jpg&oldid=- (Version vom 10.11.2016)