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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

hatte. Das Einzige, was ihm nach seiner Aussage bei diesen Audienzen beschwerlich fiel, war, daß er nach den Regeln der Hofetikette seinen gewöhnlich langen und dicken Bart abrasiren mußte, wodurch er sich auf der winterlichen Heimreise jedesmal Zahnschmerzen zuzog, bis der Bart wieder gewachsen war.

Wüsten-Bilder. Nr. 1. Ein Löwenpaar hatte vor einigen Wochen in der Nähe eines Lagerplatzes an den Grenzen von Algier große Verwüstungen unter den Heerden angerichtet. Die Löwin hatte Junge und diese sollten zuerst geraubt werden. Es ist das ein gefährliches Unternehmen. Sechzig Männer hatten sich versammelt, um das Wagniß auszuführen. Der Plan war verabredet und man wollte aufbrechen. Ein junger Mann von etwa sechszehn Jahren aber sollte nicht Theil nehmen. „Mein Sohn,“ sagte der alte Vater zu ihm, „Du weißt, daß ich nur Dich habe, daß ich betagt bin und vor Kummer sterben würde, wenn Dir ein Unglück begegnete.“

„Bin ich denn nicht ein Mann?“

„Ja, Du bist ein Mann,“ sagte der Vater lächelnd, „und ich bin stolz auf Dich, aber Dein Bruder war auch ein Mann und er mußte im vorigen Jahre hier sterben, ich war da bei ihm und konnte nichts thun, um ihn zu retten. Der Löwe ist schrecklich, mein Sohn, wenn er angreift; das Auge des Menschen kann seinen Blick nicht ertragen, seine Hand zittert, weil das Herz in ihm zu schnell schlägt, und wenn auch trotz dem Beben des Herzens seine Kugel trifft, so tödtet sie nicht, denn der Löwe braucht viele Kugeln, ehe er das Leben läßt.“

„Aber, Vater, wenn ich nicht mit kämpfen darf, warum ließest Du mich mit zur Berathung gehen? Es ist eine Schande für mich allein zurückzukehren.“

„Du solltest erst hören, mein Sohn, und lernen.

„So bleibe ich wenigstens hier, wenn Ihr weiter zieht; man würde sonst glauben, ich habe Furcht gehabt.“

Der Vater versuchte in anderer Weise den festen Willen des Sohnes zu erschüttern. „Lange schon,“ sagte er, „hast Du Dir ein Pferd gewünscht: morgen kaufe ich Dir eines.“

„Was nützt mir das Pferd,“ antwortete der Jüngling stolz, „wenn man sagt, so bald man mich sieht: schade, daß ein so furchtsamer Mann das schöne Thier reitet?“

„Nun, nebst dem Pferde,“ fuhr der Vater fort, „sollst Du das Mädchen zur Frau haben, nach dem Deine Seele verlangt.“

Diese Zusage erschütterte einen Augenblick den Willen des jungen Mannen, aber nur einen Augenblick; er richtete sich würdevoll auf und antwortete:

„Vater, Du weißt, daß bei uns die Frauen den verachten, der nur nach der Kleidung ein Mann ist. Die, welche ich liebe und die meine Frau sein soll, muß den achten, der alles für sie ist und stolz auf ihn sein. Höre mein letztes Wort, Vater: Wenn Du mir nicht erlaubst, bei dem Unternehmen zu sein, wenn Du mich nöthigest, vor den Augen Aller feig zu erscheinen, so nehme ich nicht nur das Pferd und die Frau nicht an, sondern ich verlasse auch Dein Zelt und wandere hinweg, um meine Schande vor den Augen meinen Stammes zu verbergen.“

Der Vater war besiegt. Der Sohn durfte bleiben.

Die sechszig Männer umstellten das Dickicht, in dem die Löwenhöhle war, schrien mehrmals, und da sie die Löwin nicht erscheinen sahen, drangen sie hinein und holten die zwei jungen Löwen heraus. Dann entfernten sie sich rasch; sie glaubten bereits Sieger zu snn.

Da plötzlich brach die Löwin aus dem Gebüsch heraus, gerade da, wo der alte Mann mit seinem Sohne sich befand. Der Vater war zu Pferd, der Sohn zu Fuß. Sie beachtete den Reiter nicht und kam in weiten Sätzen auf den Jüngling zu.

Er erwartete sie muthig und hielt sein Gewehr schußfertig, doch wollte er sie so nahe als möglich heran kommen lassen, damit die Kugel um so gewaltiger wirke. Endlich drückte er, das Pulver von der Pfanne brannte ab, der Schuß ging nicht los.

Rasch entschlossen warf er das Gewehr von sich, wickelte blitzesschnell den Burnuß um den linken Arm und hielt diesen der Löwin entgegen.

Sie packte ihn und zermalmte ihn mit einem Drucke ihrer Zähne, unterdeß aber faßte der Jüngling, ohne einen Schritt zurückzutreten, ohne einen Klagelaut hören zu lassen, das Pistol, das er unter seinem Burnuß trug, und jagte ihr zwei Kugeln in den Leib, so daß sie seinen Arm loslassen muhte.

Ein anderer der Jäger, war unterdeß herbeigekommen, und die Löwin packte ihn, ehe er schießen konnte, an beiden Achseln, riß ihn nieder und biß ihm ein Stück Fleisch aus der Hüfte.

Jetzt erst kamen Mehrere hinzu und sie machten der Löwin mit Dolchstößen ein Ende.

Der Jüngling, der letzte Sohn seines Vaters, starb nach vierundzwanzigtägigen Schmerzen, aber wohlgemuth, denn der ganze Stamm hatte seinen Muth bewundert.




Reise-Erinnerungen aus Spanien von E. A. Roßmäßler. Eine Schrift muß von dem Standpunkt aus betrachtet werden, den der Verfasser dafür angegeben hat, wenn man billig und gerecht darüber urtheilen will. Unser Reisender sagt in dem Vorwort zu seinem Buche: „Wer darin Beschreibungen von Kathedralen und Schlössern, von Bibliotheken und Gemäldegalerien, von Heeresmacht und Handelsstatistik, von alter und neuer Geschichte sucht – der lege es weg, denn er findet von alledem darin nichts. Wer aber davon etwas wissen möchte, wie es auf einem spanischen Wochenmarkte, in einer schmutzigen Venta, mit einem Worte im spanischen Alltagsleben aussieht; wer die staunenswerthen Kontraste zwischen den spanischen Steppen und Vegas kennen lernen will; wer sich überhaupt gern und lebhaft an die Stelle eines schlichten, mit offenem Auge und Herzen beobachtenden Reisenden versetzt sehen möchte – der wird meine zwei Bändchen nicht ohne einige Unterhaltung lesen.“

Zu der letzteren Art von Lesern bekennt sich der Schreiber dieser Zeilen und ihm hat die Lektüre des Buchs großes Vergnügen gewährt. Der Verfasser versteht die Kunst, uns zum Mitreisenden zu machen. Er beschreibt alles so lebendig, daß man mit ihm friert und schwitzt, fürchtet und hofft, hungrig und müde, satt und gestärkt wird und so anschaulich, als wenn die Gegenden, Straßen, Häuser und Menschen in einem Panoramencyklus vorüberzögen. Dazu sind öfters sehr interessante Betrachtungen eingestreut. So wird nicht blos die Einbildungskraft durch mannigfaltige Bilder belebt, sondern auch der denkende Geist beschäftigt und angeregt. Denn das ist die Wirkung eines geistreichen Buches, daß es den Leser nicht blos zum passiven Genießer, sondern zugleich zum mitschaffenden Denker macht. Obgleich der Verfasser in diesem Werkchen die Resultate seiner Forschungen (nach den Mollusken Spaniens) nicht mittheilt, die er in einem besonderen Buche für die Fachgenossen darlegen wird, so bricht doch die Neigung des Naturforschers oft genug durch, und es werden uns im Vorübergehen artige Kenntnisse aus allen Reichen der Natur gleichsam spielend zugeworfen.

Das Charakteristische eines Landes und seiner Bewohner liegt jetzt weniger in den großen Städten und höheren Gesellschaftskreisen, die sich in Europa wenigstens immer ähnlicher werden, als vielmehr in den kleineren Städten, den Dörfern und den mittlern und niederen Ständen, die von der Kultur nicht so schnell zu erreichen und umzuwandeln sind. Diesen Dingen hat unser Reisender seine Aufmerksamkeit vorzugsweise zugewendet und wir stimmen ihm bei, wenn er anführt, daß der Naturforscher dazu am Besten geeignet und ausgerüstet sei. Auf das Große richten wir unsere Blicke überall, wo es sich zeigt. Das Kleinste würde oft eben so mächtig, ja zuweilen noch mächtiger auf uns wirken, wenn wir es treulich beobachten wollten, und seine versteckten Wunder erfassen könnten. Das Mikroskop hat den Sinn des Naturforschers auf das Kleine gerichtet und sein Auge für die Beobachtung des Verstecktesten geschärft. Für ihn giebt es weder in der Natur noch im Volksleben etwas Unbedeutendes. Daher die Menge von eigenthümlichen Zügen, die Professor Roßmäßler noch in einem Lande entdeckte und zur Kenntniß bringt, das so oft schon beschrieben worden ist. Die schlimmen Eigenschaften, welche der heutige Spanier zeigt, z. B. Trägheit, vor Allem eine übermäßige Goldgier, die alle Gebirge durchwühlt, sind wohl eine Folge der schmähligen Regierung, die dieses Land so lange Zeit heimgesucht hat. Aber es steckt ein tüchtiger Kern in diesem Volke, der ihm nach des Verfassers Beobachtungen eine bessere Zukunft in Aussicht stellt. Zu dieser Hoffnung berechtigt vorzüglich das Gefühl der Menschenwürde, das auch in dem niedrigsten Spanier lebt und von dem Höchsten nicht angetastet werden darf. Der erbärmliche Kastengeist, der sich in unserem philosophischen Deutschland in so schroffen Gegensätzen zeigt, hat in Spanien nie einen fruchtbaren Boden gefunden. Dies beweist die Mischung aller Stände an öffentlichen Orten und die allgemeine Höflichkeit Aller gegen Alle.

Unser Reisender hat eine große Verehrung für die Mauren mit aus Spanien zurückgebracht und in der That, wenn man liest, was jene weisen Chalifen alles für die Kultur den Landes und Volkes gethan, so kann man sich nicht sehr darüber freuen, daß Se. allerhöchste katholische Majestät Ferdinand von Aragonien und Ihre allerchristlichste katholische Majestät, die Königin Isabella von Castilien (welches königliche Ehepaar beiläufig weder Gott noch Menschen Treue und Glauben hielt) die Mauren überwunden und aus Spanien hinausgejagt haben. Wo die christliche Fahne aufgepflanzt wurde, flammten auch die Scheiterhaufen der Inquisition auf.

Das Buch hat außer seinem bleibenden Werthe jetzt noch ein besonders Interesse durch die neuesten politischen Vorgänge in Spanien erhalten. Man gewinnt daraus die Ueberzeugung, daß es auf der Karte Europa’s wieder ein Land mehr giebt, in welchem die Sache der Willkühr für immer verloren ist, welche Anstrengungen sie auch machen mag, sich wieder darin festzusetzen.




Die französische Kaiserin Eugenie bestätigt in einer sehr kostbaren Weise, was wir neulich über die jetzige Mode in Paris mitgetheilt haben. Durch ihre Art zu leben, zu wohnen und sich zu kleiden, hat sie unter der höhern Bevölkerung eine wahre Wuth für Glanz, Farbenpracht und Neues hervorgerufen. Sie hat sich mit den reichsten und phantastischsten Ornamenten umgeben. Daß eine junge schöne Frau, zumal wenn sie zufällig Kaiserin geworden, einen guten Theil ihrer Aufmerksamkeit auf Schmuck und Zier verwendet und ihre Schönheit in Gold und Juwelen faßt, ist natürlich, wenigstens weiblich natürlich. Die eleganten Gewänder mit den ätherischen Spitzen und den tausendsonnigen Diamanten gelten nun einmal als Verschönerungsmittel der Schönen, obgleich auch hier Alles von dem Geschmacke und weiser Beschränkung und Form, nicht von der Fülle und Kostbarkeit abhängt. Die unzählige Masse goldener Buchstaben in allen Läden von Paris, welche von allen Seiten den Vorübergehenden verkündigen, daß die Allergnädigste Kaiserin Eugenie, Majestät, sie mit ihrem Besuche in den Himmel erhoben, daß sie hier Seide, dort Sammet, dort Spitzen, dort Kashmirs, dort Blumen, dort Juwelen, dort Schuhe u. s. w. gekauft habe, beweist hinreichend, daß sie nicht nur ein guter Kunde, sondern auch politisch ist, da sie sich auf diese Weise in allen Straßen goldene Denkmäler ihrer Popularität unter der Bourgeoisie[WS 1] setzt, welche durch das plötzliche Abhandenkommen des „Bürgerkönigs“ Louis Philippe sehr zu verlieren glaubte. – Außer ihrer Leidenschaft für kostbare und phantastische Toilette nährt sie noch die stärkste Passion für kostbare, exquisite Equipagen, die wundervollsten arabischen Pferde und Ponies (eine kleine Equipage mit letzteren bespannt fährt sie selbst und nicht selten allein), die sonderbarsten Kunstwerke von Meubles, lange Reihen von Boudoirs und deren Ausstattung zu Feen-Palästen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Bourgeosie
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 547. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_547.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)