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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Schwert für unser Glück,“ entgegnete der Klaus, ohne die dargebotene Hand anzunehmen.

„Laß doch das Schwert ruhen, Klaus! – Jetzt wo ich Dich, wo ich die Welt in die Arme schließen und fest, fest an dies heißschlagende Herz drücken möchte. – Klaus! – Komm her! Laß mich sein als Einer der Eurigen.“

Klaus sah den Junker ernst, forschend, doch nicht ohne Theilnahme an. Er hatte ihn schon verwundert betrachtet, als er gekommen war ihn abzuholen zur Ruhe und ihn stehen sah an der Buche, in verklärter Begeisterung. Und nun jetzt erst, so hatte er noch nie einen Menschen gesehen und gehört; nie gedacht, daß ein Mensch so aussehen, so sprechen könne; am wenigsten ein Junker. Aber noch wollte der Haß sich nicht lösen und das Mißtrauen stak zu tief in dem trotzigen Gemüthe. So antwortete er denn jetzt zwischen Trotz und Theilnahme getheilt:

„Wir stoßen Niemanden aus. Das Land ist weit. Wer unser Recht und Gericht anerkennt, mag wohnen bei uns wo er will.“

Der Junker hatte die Antwort überhört. Er war in tiefes Träumen versunken. Wie es in frühern Tagen oft durch seine Seele gezogen war, so stand es jetzt wieder vor seinen Blicken: das Bild eines stillen befriedigten Daseins; vier Pfähle und statt des Schwertes die Pflugschaar und Vogelsang statt Trommetenschall und Gottessegen dabei, statt des Blutes. Frei sein freies Land bauen; Nahrungskraft saugen aus der mütterlichen Brust der Erde und Abends froh sein mit den Fröhlichen und das Weib seiner Liebe zur Seite. Dieses Bild, – o wie faßt es jetzt ihn wieder an, so wunderbar, so mächtig! Und siehe, – so nahe, nahe lag ihm das Gute! Die Seele kündete es ihm an in freudiger Ahnung, das Herz forderte es mit gewaltigen Schlägen, – sollte es nun ein rascher Entschluß, ein kraftvoller Wille nicht erobern können?! Und dieser Entschluß riß ihn jetzt empor aus seinen Träumen, spannte jeden Nerv seines Wesens, jagte sein Blut wild klopfend durch die Adern.

„Mein Roß! Mein Roß!“ rief er jetzt.

„Herr Junker! Herr Junker! Was fällt Euch an?“ mit diesen Worten trat der erstaunte Klaus ihm entgegen, „begebt Euch zur Ruhe! Kommt, kommt!“ und er faßte den Junker gleichsam schützend bei der Hand.

„O laß mich Klaus! Laß mich hinaus in die Dämpfe oder Nebel, den Sonnenstrahlen entgegen. Dort find’ ich Ruhe. Auch in mir flammt eine Sonne empor und jagt die grausen Nebel auseinander, die mich bedrückten. Fort mit dem falben, falschen, todten Schein, der bisher mein Leben war. – Mein Roß! Mein Roß! – Wo ist mein Knappe?“

In diesem Augenblicke trat Ehrenfried der Knappe ihm entgegen, besorgt um seinen edeln Herrn.

„Sattle den Falken! Wir reiten – rasch!“

Der Knappe ging und Klaus trat dicht zum Junker heran; sein eisern kaltes Gesicht war weicher geworden; seine trotzige Stimme klang milder.

„Ihr wollt uns schon verlassen, Junker? Und ohne Abschied?“ „Kein Abschied, Klaus! Ein seliges Willkomm! Nur einen wilden, wüthenden Ritt, daß ich Ruhe gewinne und meine Seele Klarheit. – Klaus, sage mir: Kannst Du beten?“

Da wurde des Klaus Gesicht wieder starr und sein Ton wieder trotzig und mit zuckenden Lippen antwortete er: „Ich hab’s verlernt, seit der Pater fort ist. Nur das Vaterunser kann ich noch, glaub ich; doch hab’ ich’s lange nicht probirt! – Ist auch dem Ketzer nichts nutze.“

Der Junker faßte beide Hände des Klaus, sah ihn tief und herzlich an und sagte mit unendlicher Rührung: „Bete es für mich in dieser Stunde; bete es für Euch Alle.

Ich bin zu glücklich, ich kann nicht beten. Aber bete Du, daß in dieser Stunde ein guter Engel den Sieg behält über den Dämon des stolzen Blutes in mir. Dann wird Alles gut; dann werdet Ihr alle glücklich durch dieser Stunde Entschluß und Entscheidung.“ Damit ließ er die Hände des wie fest gebannt stehenden Klaus leise nieder sinken, sah flammend hin zum Hause des Schultheiß, bestieg das vom Knappen herbeigeführte Roß, schwang sich behend in den Sattel, winkte der blickenden Sonne zu und rief aus: „Ich bin wie ein junger Aar, der zum ersten Male seine Heimath sucht.“ Und auf dem stolzen Rosse flog er dahin, wirklich wie der königliche Vogel der stolzen Firne.

Der Klaus sah ihm nach bis er verschwunden war, dann murmelte er vor sich hin: „Sollte denn doch die Adelsnatur anders sein als die Bauernnatur? So hab’ ich von den unsern noch Keinen reden hören und suche ich an mir herum, so finde ich nirgend ein Loch, wo so kuriose Gedanken herauskommen könnten. Ich will sein Todesbruder sein, wenn er ehrlich ist; aber ich will auch sein Henker sein, wenn er sich falsch hält.“

Das war der bewegte Abend auf dem Stedinger Bauernhof.


V.
Am Grafen-Hof.

Am Grafenhof zu Oldenburg ging’s derweilen auch bewegt zu. Boten und Herolde kamen und gingen. Reisige und Knappen zogen ein und aus. Grafen, Fürsten, Herzoge aus Lüneburg, Braunschweig und Sachsen waren zu schauen. Der Krieg um den deutschen Kaiserthron, den Vater und Sohn mit einander führten, rüttelte und schüttelte das liebe heilige römische Reich zusammen und die kleinen widerhaarigen Fürsten trieben und drängten, ihre Macht zu erweitern; und dies nicht allein gegenüber dem Reiche, sondern auch gegenüber der Kirche zu Rom. Die rüstete und warb, die bannte und segnete dann nun nach allen Seiten hin; sie hatte eben die Albigenser zu Boden geworfen und stand nun wieder da in ungeheuerer Macht über die Welt. Doch aber brodelte, kochte und schäumte es überall im Hexenkessel der Zukunft; – es war eine merkwürdig bewegte, ungeduldige Zeit. Die und die Stedinger hatten nun auch den Erzbischof Gerhardt II. von Bremen nach Oldenburg geführt, um mit dem starken Grafen Burkhardt sich über die Zeitläufte und den Krieg mit Steding zu besprechen. Hier erwartete er den Pater Hieronymus aus Steding zurück, während der Graf seinen Neffen und Erben von dort zurück erwartete. Doch der kam noch nicht und konnte doch schon zurück sein. Der alte Herr war tief erregt, ihm bangte; vielleicht konnte das grause Volk seinen heißgeliebten Erben und Neffen erschlagen haben und damit ihn selbst und alle seine Hoffnungen, denn diese und sich selbst sah er in Georgen; für ihn wirkte, schaffte, kämpfte er, um ihm ein starkes, stolzes Land und ein mächtiges Schwert zu hinterlassen. Und dazu schien ihm jetzt der rechte Augenblick. Als die beiden mächtigen Herrn zusammen beim Weine saßen, meinte er: „Die höchsten Häupter streiten, darüber wachsen wir. Manchmal ist’s gut, daß das Recht nicht Alles in Frieden entscheidet, dann kommt die Kraft und ersetzt das Recht.“

„Die Gewalt, wollt Ihr sagen,“ warf der Erzbischof ernstmahnend ein.

„Und wenn auch!“ rief der Graf und stieß sein Schwert klirrend auf den Estrich. „Und wenn auch! Jetzt ist die Stunde für uns kleine Fürsten, unsere Macht zu mehren. Seht mein Oldenburg, wie ist’s gestiegen! Und wodurch? Ich habe gehandelt, wo andere schliefen; rasch und entschieden und ich sollte meinen: mein Land ist glücklich.“ Und er hatte Recht, der alte, strenge, harte Herr! Er war sonst kein übler Mann, eben bis auf diese Strenge und Härte, wo es galt seine Macht zu mehren.

Der Erzbischof sah still darein und der Graf fuhr mit erhitzter Stimme fort: „Und jetzt den Hauptschlag, Erzbischof. Mein soll Steding werden! Mein und Euer; ich schwör’s Euch bei diesem Schwerte.“

„Hätten wir’s nur erst! Und wär’s vollendet; o Gott weiß, ich dürste nicht nach Blut und Gewalt; ich möchte so gern den Frieden.“

Und auch der alte Erzbischof sprach wahr. Er hatte den Krieg mit Steding nur geerbt von seinem Vorfahren, dem fürchterlichen Hartwich und glaubte dessen starker Testamentsvollstrecker sein zu müssen. Denn hatte Rom ihn schon bedräuet, ob des halben Vollzugs, und in seinem streng katholischen Glauben war er doch wirklich der Ueberzeugung: es sei zum Seelenheil der Stedinger nothwendig, daß sie mit Gewalt der Kirche wieder unterthan würden. Noch hoffte er von seiner Sendung und bangte nicht minder wie der Graf um seinen Erben, daß sein Bote so lange blieb. Doch da wurde der Bote schon gemeldet; Pater Hieronymus trat ein und brachte einfach und kurz der Stedinger „Nein.“ Der Erzbischof flammte auf; er wollte seinen Fluch den

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