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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

nicht kommen kann; vielleicht liegt er im Thurme. Geh zu ihm, sagte sie, frag ihn von mir; beschwör ihn bei jedem Kuß und jedem meiner treuen Augen: Ist’s Euer freier Wille, daß Ihr nicht kamet und Euer Mädchen verrathet? So sagte sie, so sollt ich fragen. Und Ihr schweigt Junker? Windet Euch nicht; sprecht ein einfaches Ja oder Nein. Und ist’s ein Ja, nun, um des Mädchens willen will ich’s denn schon einfädeln und verkrümeln, daß es ihr nicht gleich den Tod giebt, wenn auch ich Euch verabscheuen werde. Nun sprecht.“

„So sei’s denn ein starkes, ehrliches „Ja!“ sprach der Ritter, mit ernstem und festem Ton. Dann fuhr er milder fort: „Aber sage ihr auch, daß ich sie noch liebe, liebe bis über die Ewigkeit hinaus; daß mein Herz ihr noch angehört, aber daß die Pflicht – und daß ich sie retten will, retten! Sie und Dich und wen ich kann; sag’s ihr Kurt – sag’s ihr.“

„Ich werde. Aber nun ein Wort zu Euch. Euer Herz ist so faul wie Euere Pflicht. Ich hasse, ich verachte Euch. Und bei Euerm Schwur, den Ihr mir als Waffenbruder gegeben: versprecht mir einen Einzeln-Kampf mit Euch auf dem Schlachtfeld. Ich werde Euch suchen, finden und müßt’ ich durch tausend Söldlinge mich hindurchschlagen. Versprecht Ihr mir’s?“

„Ich verspreche es Dir, doch erst will ich sie retten.“

„Ihr habt sie aufgegeben, Ihr habt kein Recht mehr an ihr; nun ist sie mein und Du sollst, Du darfst sie nicht retten. Das ist mein Amt – und nun –“

In diesem Augenblicke hörte man von ferne ein furchtbares Geschrei, wie von Wahnsinnigen herrührend: „Nieder, nieder mit dem Ketzer! – Gott will es! – Wo ist er?!“ So scholl es grell zur Burg hinauf; hastig stürzte der Knappe Georg’s hervor: „Rettet Euch, Pater! Auf offenem Platze seid Ihr so eben verurtheilt, als Ketzer und Ketzerfreund. Heute Abend sollt Ihr verbrannt werden, man kommt Euch zu suchen.“

Der Pater sah entsetzt sich um.

„Ich verberge Euch, Pater,“ sprach Georg, „rasch in mein Gemach.“

„Die Burg wird durchsucht,“ mahnte Ehrenfried ab; „kein Winkel in Oldenburg verbirgt Euch.“

„Eure Heimath bleibt Euch treu,“ sagte jetzt Kurt, indem er zum Pater herantrat und seine Hand erfaßte, „folgt und vertrauet mir. Ich kenne manche Schliche hier, draußen vor dem Thore stehen meine schwarzen Rappen und sind die erst im Zuge, holt uns kein Teufel mehr ein. Rasch die Kutte herunter; – Knappe, rasch einen Mantel.“

In wenigen Augenblicken war das geschehen. Der Pater faßte die Hand des Bauern und sprach mit tief erschütterter Stimme: „Furchtbares Jahrhundert! Adel und Kirche stößt aus den Gerechten in düsterer Verblendung, nur des Volkes Herz wankt nicht in Liebe und Treue. Gott! Laß dieses Herz nicht brechen.“

Nun davon durch krumme, steile, dunkle Treppen, Gänge und Wege, hinaus zum Thore, da standen die muthigen Rappen vor sicherem Wagen – rasch hinauf und wie im Sturmwind davon, während die heulende Menge der fanatischen Kreuzträger nach dem Geächteten suchte und der Ritter todesbleich auf der Rampe stehen blieb und hinaus schaute zum Stedingerlande.



IX.
Der Kreuzfahrer Weihe.

Während der Bauer und der Pater nach Steding sausten, zogen sich die Haufen der Kreuzfahrer auf dem Markte wieder zusammen. Das rothe Kreuz sollte ausgetheilt werden und der Ketzermeister sollte zum Volke sprechen: so war es herumgegangen. Es war ein ungeheueres Drängen und Wogen von Völkern aus allen Theilen des Reiches; wüste, wilde, verzottelte Gesichter und Kleider vom Rhein und der Elbe, vom Harz und aus Thüringen, aus Westphalen und gar von der Donau und aus Böhmen, darunter eiserne und fanatische Kriegerreihen in Diensten deutscher Herzoge und Fürsten. Und diese selbst kamen nun heran, blinkend in Gold, Stahl und Eisen. Ihnen voran Konrad von Marpurg und dienende Brüder, die Tausende von rothen Kreuzen trugen. Ueber die brausende Menge ging tiefes Schweigen, als Konrad, die Rednerbühne bestieg, feierlich ein Pergament entfaltete und mit weithin dröhnender Stimme also las:

„Wir Gregor IX. römischer Papst, Knecht der Knechte, fordern auf zu streiten auf Leben und Tod mit den verdammten Ketzern, genannt die Stedinger. Denn sie haben mit dem Gifte ihrer Ketzerei viele Unschuldige gemordet. Wer mag ihre Gräuel aufdecken! Höret aber und schauert: Wenn ein Neuling von ihnen aufgenommen wird, erscheint ihm ein Frosch, ihn küssen sie und saugen in sich sein kaltes Gift. Er ist groß, mächtig, giftgeschwollen, einem Ofen vergleichbar.“ Ein wildes Geheul des Volkes unterbrach den Vorleser; er hielt einige Augenblicke ein, dann fuhr er fort: „Nun erscheint dem Neuling ein Mann, furchtbar bleich, glühende Kohlen statt Augen, mager, ohne Fleisch, nur Haut und Gebein, ihn küßt der Elende und mit diesem Kusse verschwindet aus seinem Herzen ganz und gar die Erinnerung an Gott und seine Kirche.“

Das Geheul des Volkes ertönte fürchterlicher. Dann fuhr der Ketzermeister fort, immer neue Gräuel aufzählend, bis das Geheul des Volkes anwuchs zu Meeresbrandung und Nordsturm. Ein Wink des Ketzermeisters aber genügte wieder Ruhe zu schaffen.

„Ihr habt die Gründe vernommen und das Gesetz spricht: „„Du sollst die Gräuel weg thun!““ Seid Ihr bereit?“

„Gott will es! Gott will es!“ donnerte das Volk.

„Ihr seid gesegnet. Bereitet Euch, heiligt Euch. Schon von heute an winkt Euch die Märtyrerkrone. Wir aber verkünden Jedem, der sich das Kreuz anheften läßt und mitzieht in die heilige Schlacht, Ablaß aller bösen Gedanken und Missethaten, deren er schuldig vom Leibe der Mutter an, in Kraft unserer Vollmacht als Legat und Vicarius des allerheiligsten Vaters Gregorius IX. Amen!“

Und „Amen! Amen!“ braußte es durch die Menge.

„Nun knieet und empfanget Kreuz und Segen.“ Die wilde, wüste Menge knieete nieder, kein Laut mehr zu hören, nur das Tappen der Mönche zwischen, neben, über und auf den Knieenden, um die rothen Kreuze auszutheilen.

Konrad heftete nun sich selbst das Kreuz an und den Fürsten, die solches noch nicht trugen; dann ergriff er mit der Linken ein langes, goldenes Kreuz, mit der Rechten ein blankes Schwert, hob Beides in die Höhe und rief: „Der König der Heerschaaren schütze, die für ihn streiten und sein Haus. Er mache scharf Eure Schwerter und fest Eure Schilder. Amen!“

Und auf einmal erklang ein weithin grollendes „Amen!“ dann löste sich die ungeheuere Gruppe und die tiefe Stille auf in neues Wogen, Drängen und Treiben, in neues, wilderes, fürchterlicheres Geschrei und Geheul.



X.
Auf Altenesch.

Eine saftige Anhöhe in der Nähe von Bardenfleth hatte ihren Namen von einer uralten Esche, die hier stand. Die Sage ging: unter dieser Esche hätten noch die Heiden ihren Göttern geopfert, rundum habe sich ein Graben gezogen, der sei oft übergeflossen vom Blute der Gefangenen, die hier geschlachtet seien. Das hatte den Platz unheimlich gemacht im Volke und Niemand saß gerne unter der alten Esche. Nur zu St. Johannis Abend brachten die Burschen Feuerräder hinauf und ließen sie dann hinunterrollen in die Ebene und im Rollen sprangen die Burschen hinüber und die Mädchen nahmen sich Abends von den Brandstücken mit nach Hause, legten sie unter das Kopfkissen und träumten dann den Schatz, den sie bekommen würden. Heute aber war noch nicht Johannis, erst morgen und doch saßen heute zwei Frauen da oben unter der Esche. Es war die Elsbeth und des Klaus Frau, die Margareth, die treu zum Mädchen hielt und mit ihr hinaufgegangen war, wenn auch widerstrebend.

„Wahrhaftig, es duftet nach Blut hier, Elsbeth,“ sagte die Margareth. „Das ist ein schlimmes Zeichen, an solchen Orten giebt’s bald eine Schlacht.“

„Sorgt Euch nicht, Margareth,“ antwortete Elsbeth. „Das Korn duftet gegen die Erndte, wenn so die Sommerhitze darauf brütet.“

„Aber warum bist Du so gern hier?“

„Habt Ihr’s denn noch nicht gemerkt, Frau Margareth? Schaut dort fern, ganz fern hin, im Abendduft! Das sind die

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