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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Bald entbrannte ein schrecklicher Streit; Elsbeth und der Pater blieben zurück unter der Eschen ruhig und gefaßt.

Aber nicht lange waren sie allein. Ein abgesendetes Häuflein wahnsinnig angefachter Kreuzfahrer stürmte von unbedeckter Seite den Hügel hinauf, – der Pater ihnen entgegen, im Augenblicke zu Boden geschlagen, über den Todten weg mit gräßlicher Gier zur bebenden Elsbeth – schon faßten sie sie an, da sausten Hiebe, links und rechts flogen die Wüthenden auseinander, und in panischem Schrecken davon; solche Hiebe konnten nur aus dem Himmel oder der Hölle kommen, glaubten sie. Der Ritter Georg hatte sie geführt, und jetzt umfaßte er das Mädchen in größter Seligkeit:

„Du bist mein! Du bist gerettet! Auf, auf, folge mir!“

Aber sie konnte nicht folgen, nicht stehen, nicht sprechen; nur in zitternder Lust an seine Brust sich lehnen und ihn anschauen mit unsäglicher Liebe. Da donnerte es auf einmal hinter ihnen: „Ritter Georg von Oldenburg, bei Eurem Schwure: stellt Euch meinem Schwerte!“

Es war Kurt, der den Ritter gesehen, die Schlacht verlassen und hierher gerannt war wie ein angeschossener Eber.

„Zurück, Kurt, oder ich zermalme Dich!“ schrie Georg und faßte mit einer Hand sein hingeworfenes Schwert, während er mit der andern Elsbeth an sein Herz drückte. Kurt wollte auf ihn eindringen, doch Elsbeth deckte ihn rasch mit ihrem schwankenden Körper. Kurt blieb stehen, sah Beide ernst und tief an und sprach:

„Elsbeth, werde klar. Du sollst nun frei wählen. Ritter, laßt sie frei einen Augenblick, bis sie gewählt hat!“ Der Ritter that es; Elsbeth wankte von ihm zurück und stand wie ein Opferlamm zwischen den beiden Männern. „Elsbeth, nun wähle! Das Weib des Ritters darfst Du nie sein; nur seine Geliebte. Willst Du das sein und von uns gehen, den Sterbenden, und von Deinem verwüsteten Vaterlande, oder willst Du den Tod? Elsbeth, ich frage Dich laut und wahrhaftig und ebenso antworte!“

Elsbeth bebte zusammen, sie sah den Ritter nicht an und nicht den Kurt, sie sah hinaus in die dampfende Schlacht; dann schritt sie langsam hin zum Kurt und sagte fest und ruhig:

„Ich will den Tod!“

Und wie sie das gesprochen hatte, ein Augenblick: da lag sie am Boden und das Schwert des Kurt war roth von ihrem Herzblut. „Ich danke Dir!“ das war das letzte Wort, was sie sagte, und der letzte Blick und Wink voll namenloser Zärtlichkeit war auf den Ritter gerichtet. Der kniete nun nieder zu ihren Füßen und drückte der Sterbenden die Augen zu und legte seinen Mantel über die Todte. Dann sprach er klar und fest zum Kurt:

„Gieb mir Dein so geweihtes Schwert und nimm das meine, dann laß uns den Todeskampf begehen, den ich Dir versprochen.“

Sie wechselten die Schwerter, ohne weiter ein Wort zu sprechen; der Ritter küßte das Blut an seinem neuen Schwerte, und nun kämpften Beide den grausigsten Kampf, den wohl je zwei Männer mit einander kämpften. Es dauerte wohl eine Viertelstunde, dann lag der Ritter todt neben Elsbeth und Kurt stürmte den Hügel hinunter in die noch immer wogende Schlacht. Dann kam er zurück, mit einem Pfeil tief in der Brust und kniete nieder an der Leiche der Elsbeth, zog den Pfeil heraus und ließ das Blut hinströmen und mit dem Blute das Leben.

Da kam leisen Ganges und düster brütenden Sinnes der Klaus heran. Er war vom Ritter Georg freigegeben und hatte sich dann wieder beim Schultheiß und den Schöffen gestellt. Die wollten ihn nun nicht dulden unter sich, doch gaben sie ihm noch ein großes Amt: die Urtheilsvollstreckung der Vehme an Konrad von Marpurg, wenn dieser wieder aus Stedingen und Oldenburg fort sei. So durfte er nicht kämpfen mit den Brüdern, nicht sterben auf heimathlichem Boden, der wilde, heiße, kampfesmuthige Klaus. Er trat zu den drei Leichen heran, er schaute in den verrinnenden Kampf und noch einmal über die Lande hin; dann schwur er bei Allem was er nun gesehen: ein treuer Rachebote der Vehme zu sein, und dann ging er, floh er, sich verbergend, wo ein Menschenantlitz war, bis er hinaus kam über Steding und Oldenburg. Er hat seine Heimath nicht wiedergesehen.

Im Thale unten wurde der letzte Kampf, wurde Stedingen zu Boden geschlagen; das letzte Banner hielt der Schultheiß und ließ es nicht los, bis es mit ihm sank und kein Mann blieb übrig. Was von Alten, Mädchen und Kindern und Knaben fliehen konnte, floh zu den Friesen. Die Fürsten und der Erzbischof wendeten nun freilich ihre Macht gegen den Ketzermeister und den Rest seines fürchterlichen Heeres; ließen die Todten begraben am Heidenhügel und schenkten Gnade denen, die noch lebten. Aber Steding war nicht mehr und freudlos und traurig zogen die Sieger wie Besiegte heim.




Das Haus der Gemeinen
im Parlaments-Gebäude zu London

Der glänzende, gothische Raum des Parlaments-Gebäudes (vergl. Gartenl. Nr. 6.), worin die eigentlichen Gesetzgeber des Landes Großbritannien nicht nur über England und die besten Stücke anderer Erdtheile entscheiden, sondern auch die Mittel des Krieges der „westlichen Civilisation“ gegen „östliche Barbarei“ (wie die gemünzte Redensart einmal lautet) dirigiren, gewinnt unter den jetzigen Verhältnissen eine besondere Bedeutung für den ganzen Verlauf der jetzt zum offenen Kriege ausgebrochenen Krisis zwischen dem Osten und Westen d. h. der östlich und westlich Gesinnten und Interessirten, so daß eine Schlacht, welche die Engländer und Franzosen gewinnen, eben so sehr und noch mehr eine Niederlage der russisch gesinnten Engländer sein kann, als Rußlands selbst. Immer sitzt das Parlament in diesem Augenblicke nicht beisammen, um die Staatssecretaire (Minister) zu fragen, was sie mit den Geldern und den ihnen eingeräumten Vollmachten zum Kriege für Gebrauch oder Mißbrauch gemacht haben; aber es dauert auch nicht lange mehr, denn spätestens im Februar ruft die Königin die fünfhundert und mehr englischen Könige zusammen und eröffnet eine neue Periode ihrer gesetzgebenden und die vergangenen Thaten und Unthaten ihrer Diener d. h. des Ministeriums richtenden Thätigkeit. Da das Haus der Gemeinen nicht nur die drei Hauptwaffen des Krieges, nämlich erstens Geld, zweites Geld und drittens Geld, in den Händen hält, sondern auch das Recht und die Macht, seine untreuen und veruntreuenden Diener abzusetzen und zur Rechenschaft zu ziehen, kann man wohl Neugierde fühlen, ob es diesmal von seinem Rechte und seiner Macht gehörigen Gebrauch machen werde; „denn im Staate Dänemark ist etwas faul“ und weder die englischen Soldaten, noch die englische Flotte selbst sind Schuld, daß der Name England jetzt so verhöhnt und verunglimpft von Feinden und verdächtig bei Freunden in der Geschichte schwankt. „Karlchen“ ist im baltischen Meere mit seiner Flotte, wie sie die Welt noch nie so mächtig beisammen sah, ein Witzstoff, Dundas im schwarzen Meere gleichbedeutend mit, „Dumm das“ geworden, während die englischen Soldaten, die endlich auf der Krim und vor Sebastopol starben, ihre besten und meisten Kameraden vorher durch das Ministerium verloren hatten.

Wird sich das Unterhaus diese beispiellose Veruntreuung von Geld und Menschenleben gefallen lassen?

Im Wesentlichen: Ja. Man wird, um „die Menge“ zu befriedigen, den Ministern einige unangenehme Dinge sagen, die Minister werden einige unangenehme Dinge erwiedern, aber Niemanden klug machen, nicht einmal sich selbst, und Ober- und Unterhaus werden mit denselben Ministern fortfahren, das Land so zu regieren, daß die „westliche Civilisation“ sich nicht zu weit für einen Frieden von Rußland entferne.

Es ist eine schwierige Aufgabe, das Haus der Gemeinen und diese Situation Englands verständlich zu machen. Wie die grandiose Menge gothischer Pfeiler und Spitzbogen und gemalter Fenster „wo selbst das liebe Himmelslicht taub durch gemalte Scheiben bricht,“ wie diese unmodernen, imposanten, Ehrfurcht gebietenden architektonischen Hallen, in denen die Hunderte von englischen Regenten tagen, wie der „Sprecher“ mit seiner großen Allongen-Perrücke und seinem von Pagen getragenen langen Schlepptalare auf seinem ehrwürdigen gothisch zugeschnitzten und ausgeschnörkelten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 567. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_567.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)