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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

umgebenden Mauern zum größten Theil ihnen versagt hatten, wurden nicht mehr durch die Ausdünstungen des in den Stadtgräben sich ansammelnden fauligen und schlammigen Wassers verpestet. Vielmehr erhoben sich jetzt auf dem durch Auffüllung dieser Gräben geebneten Boden gewöhnlich anmuthige Baumpflanzungen, welche ebenso sehr durch ihren luftreinigenden Einfluß für die Gesundheit, wie durch ihren kühlenden Schatten für das Wohlbehagen der Bevölkerung vom größten Werthe waren. Oder man benutzte wohl auch diese Vertiefungen rings um die Stadt, um Blumen- und Gemüsebeete oder Obstpflanzungen darin anzulegen. Manche öffentliche Anlagen, z. B. der Park zu Leipzig, der Thiergarten bei Berlin, der Augarten bei München, der Wiener Prater, die Anlagen in Mannheim und Kassel u. s. w., waren zwar schon zu einer Zeit entstanden, wo an die Beseitigung der Festungswerke um die Städte noch nicht Hand angelegt war, allein eben deshalb erwies sich ihr Gebrauch vielfach erschwert, ihr Bestehen selbst nicht selten gefährdet, so lange sie von den Städten, denen sie als Zierde und Erholungsorte dienen sollten, durch die zwischen ihnen und dem Kerne der Stadt mitten hindurch laufenden und gewöhnlich nur mit wenigen Durchgängen versehenen Zwinger abgesperrt waren. Man kann also wohl sagen, daß die eigentliche Verschönerung und Modernisirung unserer Städte hauptsächlich von der Zeit anfängt, wo sie aufhörten, befestigte Orte zu sein.

Nicht so leicht ließ sich ein anderes Ueberbleibsel aus den kriegerischeren Zeiten unserer Altvordern beseitigen, welches ebenfalls viele Städte in ihrem Aussehen und ihrer innern Bequemlichkeit beeinträchtigt: wir meinen die vielen engen und krummen Gassen.

Zum Theil allerdings mögen diese ihr Entstehen einer bloßen Sorglosigkeit der ersten Erbauer und dem Mangel baupolizeilicher Vorschriften in jenen früheren Zeiten verdanken; zum Theil aber war es wohl auch berechnete Absicht, welche dem Zwecke leichterer Vertheidigung die Anforderungen der Symmetrie und Bequemlichkeit opferte. Auch das Ueberbauen der obern Stockwerke über die untern, wodurch in manchen älteren Städten die ohnehin engen Straßen noch mehr verengt und verdüstert werden, mag seinen Grund häufig in dem Mangel an Platz gehabt haben, der durch die Umwallung der Städte, innerhalb derselben herbeigeführt ward. Solche Uebelstände verminderten sich wohl allmälig durch theilweise Neubauten; gänzlich verschwinden konnten sie nur da, wo etwa in Folge großer Feuersbrünste ganze Stadttheile aus dem Frischen aufgeführt werden mußten.

Aber auch noch andere, für den Schönheitssinn und das Behagen der Bewohner äußerst störende Unterbrechungen der Regelmäßigkeit der Häuser und Straßen finden wir in den meisten Städten einer frühern Kulturperiode. Viele derselben, auch von den größeren, trieben damals neben den eigentlich städtischen Gewerben mehr oder weniger ausgedehnte Feldwirthschaft. In Folge dessen drängten sich dann hervor mitten zwischen die städtischen Wohnungen hinein, landwirthschaftliche Baulichkeiten aller Art, Schuppen und Scheunen, Ställe und Höfe. Selbst in der Residenzstadt Berlin traf man solche noch bis gegen das Ende des 17. Jahrhunderts an, und mit Mühe gelang es der Regierung des großen Kurfürsten die Hinausverlegung derselben vor die Thore durchzusetzen. Ja, was noch ärger, an vielen Häusern Berlins waren damals mitten auf die Straße hinaus Schweineställe angebaut, und in ganzen Heerden liefen die Mastschweine in den Straßen und auf den öffentlichen Plätzen umher. Man konnte dem Unwesen nicht anders steuern, als durch ein, 1681 erlassenes allgemeines Verbot des Schweinemästens im Umkreise der Stadt. In kleinern Städten war dieser Unfug noch viel schlimmer. Noch im vorletzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts trieben die Hirten ihr Vieh durch die Straßen der herzoglichen Residenzstadt Gotha und mußte den Bewohnern Stralsunds (einer im Uebrigen durch Stattlichkeit und Bildung sich auszeichnenden Stadt) streng eingeschärft werden, keine Schweine und Hühner auf den Straßen wühlen zu lassen. Auch war es nichts Seltenes, daß man mitten in einer Stadt, zwischen bewohnten Straßen, wüste, entweder mit Sumpflachen bedeckte, oder zu Weideplätzen für das Vieh dienende Stellen fand.

Ordentliches Pflaster gab es noch vor etwa siebzig Jahren bei Weitem nicht in allen, Trottoirs nur in äußerst wenigen Städten. Schleußen oder ähnliche Anstalten zur Reinlichhaltung der Straßen wurden, als eine Seltenheit, allemal besonders gerühmt. Am aller Uebelsten aber sah es mit der Beleuchtung aus. Macaulay in seinem berühmten Geschichtswerk über England hat uns eine interessante Schilderung von der Einführung der ersten Straßenlaternen in London geliefert. „Im letzten Jahre der Regierung Karl’s II.,“ erzählt er, (also im Jahre 1684) „fand eine große Veränderung in dem londoner Polizeiwesen statt, eine Veränderung, welche vielleicht eben so Viel zu dem Wohlsein dieses großen Gliedes des Volkskörpers beigetragen hat, als Revolutionen von viel größerem Ruf. Ein sinnreicher Projectmacher, Namens Heming, erhielt ein Patent, welches ihm auf bestimmte Jahre das ausschließliche Recht der Straßenbeleuchtung in London verlieh. Er verpflichtete sich gegen eine mäßige Vergütung in mondlosen Nächten von Michaelis bis zu Mariä Verkündigung, von 6 bis 12 Uhr vor jeder zehnten Thür ein Licht anzubringen. Wer die Hauptstadt jetzt sieht, wie sie das ganze Jahr hindurch, vom Dunkelwerden bis zum Tagen, mit einem Glanze strahlt, im Vergleich mit welchem die Illuminationen für La Hogue und Blenheim blaß erschienen wären, wird vielleicht mit Lächeln an Heming’s Laternen denken, welche ungefähr den dritten Theil des Jahres vor einem Hause unter Zehen einen kleinen Theil der Nacht ein schwaches Dämmerlicht warfen. Aber das war nicht das Gefühl der Zeitgenossen. Sein Plan erfuhr begeisterten Beifall und wüthenden Angriff. Die Freunde des Fortschritts priesen ihn als den größten aller Wohlthäter seiner Stadt. Was, so fragten sie, waren die gerühmten Erfindungen des Archimedes im Vergleich mit der Leistung den Mannes, der die nächtlichen Schatten zum Mittag verwandelt hat? Trotz dieser beredten Lobeserhebungen ward die Sache der Finsterniß nicht unvertheidigt gelassen. Es gab Thoren in jenem Zeitalter, welche sich der Einführung dessen, was „das neue Licht“ genannt wurde, so eifrig widersetzten, wie Thoren in unserm Zeitalter sich der Einführung der Kuhpockenimpfung und der Eisenbahnen widersetzt haben, so eifrig wie die Thoren eines frühern Zeitalters in der Frühdämmerung der Geschichte sich ohne Zweifel der Einführung des Pfluges und der Buchstabenschrift widersetzten. Viele Jahre nach dem Ausstellungstage von Heming’s Patent gab es ausgedehnte Bezirke in London, in denen keine Lampe zu sehen war.“

So Macaulay. Aehnliches läßt sich aus derselben Zeit, zum Theil sogar aus einem noch spätern, von den meisten Städten des Festlandes berichten. Als man zuerst die Nothwendigkeit empfand, die Straßen zu erhellen, verfiel man auf folgendes Auskunftsmittel. Man befahl dem einzelnen Hausbesitzer, während gewisser Stunden der Nacht abwechselnd – gewöhnlich von 3 zu 3 Häusern – ein Licht oder eine Laterne vor dem Fenster anzubringen. Auch in London scheint dies die früheste Art der Straßenbeleuchtung gewesen zu sein. In Paris ergingen solche Verordnungen, in Folge der Unsicherheit, welche Räuber und Mordbrenner in den dunkeln Straßen der Stadt verbreiteten, schon beim Anfange des 16. Jahrhunderts, wurden auch mehrmals in der nächstfolgenden Zeit wiederholt, bis man endlich, 1558, an den Ecken der Gassen und wo diese zu lang waren, noch außerdem in der Mitte derselben, sogenannte Fallots errichtete, ein den Grubenlichtern in unsern Bergwerken ähnliches Geleuchte. Es läßt sich denken, daß die Wirkung dieser vereinzelten und schwachstrahlenden Lichter keine sehr glänzende war. Zwar setzte man bald an die Stelle der Fallots ordentliche Laternen, aber auch dennoch muß die Beleuchtung eine sehr mangelhafte gewesen sein, denn im Jahre 1662 ließ sich ein Italiener ein Patent auf die Vermiethung tragbarer Laternen und Fackeln ertheilen. Solche waren auch an andern Orten in Gebrauch, wo es an Straßenlaternen fehlte, so z. B. in Leipzig bis zum Anfange des vorigen Jahrhunderts. Diese wandelnde Straßenbeleuchtung mochte aber wohl, namentlich die offen getragenen Fackeln, allzu feuergefährlich erscheinen, denn man verbot deren fernern Gebrauch auf’s Strengste nach der Einführung der Straßenlaternen, welche in Leipzig 1701, in Dresden 1705 statt fand. In Paris, um auf diese Stadt noch einmal zurückzukommen, datirt die erste ordentliche Straßenbeleuchtung – jedoch nur für etwa 5 Monate des Jahres, vom 20. October bis zum letzten März – aus dem Jahre 1671. Ohngefähr eben so alt ist diese Einrichtung in Amsterdam, im Haag, in Hamburg, Berlin und Wien. In Frankfurt am Main ließ der Rath 1707 einige Laternen auf dem Römerberge aufrichten, aber sie fanden keinen Beifall und erst 1711 kam es zu einer allgemeinen Anlegung derselben durch

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 570. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_570.jpg&oldid=- (Version vom 15.12.2022)