Seite:Die Gartenlaube (1854) 579.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

natürlicher Komik, daß er stets die Lacher auf seine Seite zu bekommen wußte und der Eindruck, den der Grenadier mit seinem Gesange hervorbringen wollte, gänzlich verloren ging. Ungemein komische Scenen kamen hierbei vor und selten in meinem Leben entsinne ich mich so viel und so herzlich gelacht zu haben, als wenn ich hier des Abends an das Bivouakfeuer ging, um diesem Streit der beiden Nebenbuhler zuzuhören.

Der erste Grund des Hasses zwischen diesen beiden Originalen war Eifersucht gewesen. Beide liebten feurig und zwar Jeannette d’Arc, die Marketenderin oder richtiger Vivandière der Compagnie. So eine Marketenderin einer Grenadier-Compagnie der Fremdenlegion ist gar vielfacher Anfechtungen aller Art ausgesetzt und es bedarf schon einer resoluten Persönlichkeit, um diesen schwierigen Posten nur einigermaßen auszufüllen. Eine reizend poetische Erscheinung, so eine zweite Art von Regimentstochter darf man sich unter einer solchen Vivandière wahrlich nicht vorstellen. In vielfachen Richtungen hat dieselbe gewöhnlich schon das Leben kennen gelernt und besonders auch in dem Kapitel der Liebe gar mannigfache Erfahrungen sammeln können, ohne es deshalb verlernt zu haben, den süßen Regungen ihres Herzens nachzugeben. Diese Jeanne d’Arc, wie ihr Spitzname, bei dem sie nur allgemein genannt wurde, konnte wirklich als ein wahres Modell einer tüchtigen Vivandière gelten. Ueber die erste Blüthezeit ihres Lebens, die sie nach ihrer Versicherung als Mitglied einer Kunstreitergesellschaft verlebt hatte, war sie jetzt vorüber und gewiß über dreißig Lenze waren seit ihrer Geburt verstrichen.

Hatte auch das Gesicht schon manche schärfere Linien erhalten, war der süße Zauber der reinen Jungfräulichkeit bereits längst aus demselben verschwunden, so lag doch noch immer so viel Reiz darin, um die leicht empfänglichen Herzen vieler Grenadiere in Feuer und Flamme zu versetzen. In den großen dunkeln Augen dieser Amazone brannte eine lebhafte Gluth, ihr Mund war wie zum Küssen geschaffen und der nicht zu kleine schwarze Schnurrbart, der sich über der Oberlippe kräuselte, und um den mancher deutsche Fähnrich die Dame gewiß beneidet hätte, trug nur noch mehr dazu bei, ihr ein pikantes Ansehen zu geben. Die Gestalt war groß und kräftig und der kurze rothe Rock, die Halbstiefeln, die mit Schnüren besetzte kurze Spenzerjacke und der breiträndrige, niedrige Hut von Glanzleder, was zusammen den Anzug der Vivandière bildete, kleideten dieselbe nicht schlecht. Und wie trefflich verstand dieselbe ihr wahrlich nicht leichtes Amt zu versehen und die oft etwas zu ungestümen Begierden mancher Grenadiere nach ihren Reizen oder mehr eigentlich wohl noch nach dem Eau de vie und dem Cognac, in den kleinen grünen Fässern, die vorn am Sattelknopf des Mulets hingen, zu zügeln. Wahrlich, reichten ihre Worte nicht aus und Jeanne d’Arc hatte einen gar reichen Vorrath der spitzigsten Redensarten und höhnischsten Schimpfnamen, welche die französische Sprache nur besitzt in ihrem Vorrathe und theilte solchen gar freigebig aus, dann nahm sie auch zu handgreiflichen Zurechtweisungen ihre Zuflucht. Das „je vous donnerai une sofflet polisson imbecille“ u. s. w. „que vous êtes“ was sie gar oft hören ließ, wenn die Grenadiere ihren Anordnungen nicht Folge leisten wollten, blieb nicht immer eine leere Drohung, sondern ward nur zu oft zur vollen Wirklichkeit.

Ich habe dieselbe einst gesehen, wie sie einem riesigen Grenadier, einem gebornen Wallonen, der ohne ihre Erlaubniß sich ein Litre Wein aus ihrem Fäßlein gezapft hatte, rechts und links mit einem solchem Hagel der gewaltigsten und dabei geschickt angebrachten Ohrfeigen überschüttete, daß der so Gestrafte wahrlich nicht wußte, wohin er nur den Kopf wenden sollte, um diesen klatschenden Streichen, die seine Backen mit noch dunklerem Roth wie gewöhnlich färbten, zu entgehen. Mit einem wüthenden „sacre dieu maudite soscière“ riß der so Geprügelte sich endlich aus den kräftigen Händen seiner Züchterin los und wollte auf dieselbe zur Wiedervergeltung ausschwingen, aber Jean Piccolo trat sogleich zum Schutze seiner Freundin vor und da dessen Körperkraft allgemein bekannt und gefürchtet war, so wollte der Wallone es mit zwei solchen gefährlichen Gegnern nicht aufnehmen und zog sich daher unter dem schallenden Gelächter vieler Kameraden wieder zurück.

Der weibliche Geschmack ist im Punkte der Liebe oft gar seltsam, und obgleich man gar nicht glauben sollte, daß Jeannette d’Arc in der Wahl ihres Liebhabers zwischen dem großen, schönen Robert le diable und dem kleinen, häßlichen Tambour, Jean Piccolo, die beide gleich feurig sich um ihre Gunst bewarben, auch nur einen Augenblick hatte schwanken können, so hatte sie sich doch Letzteren erwählt. So war derselbe denn für den Augenblick der primo amoroso der Vivandière geworden und hatte für die vielfachen Gunstbezeugungen derselben sich den feindlichen Haß seines besiegten Nebenbuhlers eingehandelt, was er aber ziemlich leicht auf die Achsel nahm, ja selbst noch durch Spötteleien aller Art zu vermehren suchte. Außer der Liebe seiner Vivandière und der Zuneigung der meisten Grenadiere, die den kleinen, stets lustigen Tambour gern mochten, erfreute sich derselbe auch noch der besonderen Anhänglichkeit zweier mächtiger Thiere, die seiner Compagnie stets folgten. Das Eine derselben war ein ungemein häßlicher, kleiner, krummbeiniger Dachshund, der dem „Capitain“ gehörte und von den Soldaten Cäsar le grand genannt wurde. Eben so häßlich in seiner Art wie der Tambour war dieser Dachshund, und wirklich diese große Aehnlichkeit in der äußeren Erscheinung Beider mochte auch die lebhafte Freundschaft zwischen denselben hervorgerufen haben. Nur von seinem Herrn, dem alten Capitaine und dann von Jean Piccolo, ließ sich dieser alte, knurrige Dachshund streicheln, ja, nur berühren, jeden andern Soldaten, der dies wagen wollte, fuhr er gewiß zähnefletschend an. Auf den Märschen ging Cäsar le grand mit unveränderlicher Gravität unmittelbar hinter seinem Freunde Jean Piccolo und so wie der Tambour die Trommel zu rühren anfing, stieß der Hund, sei es aus Vergnügen oder Aerger darüber, ein kurzes, scharfes Geheul aus. Dies Geheul dauerte aber nur so lange, wie der erste Wirbel anhielt, dann schwieg der Hund beharrlich während des ganzen Getrommels, bis er zuletzt, sobald er sah, daß der Tambour die Schlägel wegsteckte, wieder ein kurzes Geheul ausstieß. In diese Töne brach derselbe aber nur aus, sobald er sah, daß sein Freund, Jean Piccolo, der Trommler war, denn von den Uebungen der andern Tamboure nahm er nicht die mindeste Notiz und konnte selbst ruhig schlafen und nur hin und wieder mit den Augen blinzelnd fortliegen bleiben, mochten dieselben auf ihren Trommelfellen noch so viel rasseln.

Diesen Platz neben Jean Piccolo behauptete Cäsar le grand auf dem Marsche aber unerschütterlich, mochte es zur Parade oder in das Gefecht gehen. Bei einem sehr hitzigen Gefechte mit den Kabylen ist derselbe vor mehreren Jahren von einer feindlichen Kugel ziemlich bedeutend am Halse verwundet worden, ohne deshalb seinen Posten auch nur einen Augenblick zu verlassen. Sobald übrigens die Compagnie auf Vorposten im Bivouak stand, war es das erste Geschäft des Hundes, die Patrouillen, welche die äußersten Vedetten auszustellen hatten, zu begleiten, und so gleichsam Kunde von der Aufstellung derselben zu nehmen. Sobald er die Postenchaine kannte, visitirte er dieselbe regelmäßig die ganze Nacht hindurch von Stunde zu Stunde. Schon wiederholt hatte dieser so kluge und wachsame Hund einige Posten vor heimlichen mörderischen Beschleichungen der Kabylen geschützt, denn bei der leisesten verdächtigen Annäherung, die er mit scharfem Sinne witterte, warnte er die Posten durch sein lautes Gebelle. Aber nur für die Grenadiere seiner Compagnie hatte dieser seltsame Hund solche Wachsamkeit, um alle übrigen Vedetten kümmerte er sich nicht im Mindesten, und soll es schon mit angesehen haben, daß solche von Kabylen beschlichen und ermordet worden sind, ohne sie durch sein Gebelle vorher zu warnen. Wegen dieses Hundes kam es übrigens, während ich mich noch in Algerien befand, in einem Lager hinter Constantine zu einer heftigen Prügelei zwischen den Soldaten eines Chasseurs d’Orleans-Bataillons und den Grenadieren. Ein Chasseur hatte Cäsar le grand streicheln wollen, der Hund diese Aufmerksamkeit aber nach seiner Gewohnheit durch einen Biß in die Hand belohnt, und nun von dem erzürnten Jäger dafür einen Fußtritt erhalten. Grenadiere der Compagnie, die dies sahen, nahmen natürlich sogleich Partei für ihren Hund und gingen dem Thäter zu Leibe, andere Kameraden eilten diesem wieder zur Hülfe, und da zwischen den Chasseurs d’Orleans und den Grenadiern und Voltigeurs der Legion ein beständiger bitterer Haß herrscht, so war bald der heftigste Kampf in vollem Gange, und Säbel, Hirschfänger, ja selbst Bajonnette wütheten gegen einander. Schon hatten die Chasseurs, die in der Minderheit waren, sich theilweise ihre Büchsen geholt und wollten scharf feuern, als es endlich der Energie einiger Offiziere

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 579. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_579.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)