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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

geistesleeren Lächeln begegnet – kann man es ihm verdenken, wenn er zuletzt ermüdet und gelangweilt, sich hinweg, und einer ansprechenderen Unterhaltung zuwendet?

Doch, mit all dem bisher Berührten befinden wir uns nur noch gleichsam im Vorhofe der wahren, höhern Lebensinteressen und folglich auch der wahren, höhern Bildung des Weibes. Ihre schönsten Blüthen entfaltet diese erst da, wo der ernsteste, aber auch erhabenste und beglückendste Beruf des Weibes beginnt. Und ein solcher beginnt dort, wo für die Jungfrau der Zeitpunkt erschienen ist, zu wählen und gewählt zu werden. Diese Wahl, die über Glück oder Unglück eines ganzen Lebens und nicht blos eines Lebens entscheidet, wird unter der sichern Leitung wahrer Bildung fast immer zum Heil, ohne dieselbe fast immer zum Unheil ausschlagen. Die gebildete Jungfrau wird, unbestochen durch Aeußerlichkeiten, nur nach dem innern Werthe, nach den bleibenden Vorzügen des Geistes und Herzens wählen – und sie wird gut gewählt haben! Und der Mann von Geist, Herz und Charakter wird nur ein im ächten Sinne gebildetes Mädchen wählen, ein solches, an dem er eine tüchtige Hausfrau, eine mitfühlende und ihm treu zur Seite stehende Lebensgefährtin für Freud und Leid, eine kräftige Mutter und eine sorgliche und befähigte Pflegerin und Erzieherin kommender Geschlechter zu gewinnen hoffen darf, nicht eine bloße Modedame und auch nicht ein bloßes Aschenbrödel, welche Alles gethan glaubt, wenn sie nur die Suppe nicht verbrennt und das Fleisch nicht versalzt.

Und nun – hineingestellt in diesen erhabenen Beruf als Hausfrau, Gattin, Mutter, – was da wahre Frauenbildung werth sei. Das wird nur Der ganz zu schätzen wissen, der das Walten einer solchen in seinem Hause froh und dankbar empfindet, und noch mehr vielleicht Jener, der es schmerzlich zu vermissen hat. Daß der Mann, so oft er ermüdet, Erholung suchend, von seinen schweren Berufsgeschäften zum heimischen Herde zurückkehrt, hier auch wirklich Erholung findet, daß das Gefühl häuslichen Behagens, wohlthuender Fürsorge für seine gewohnten Bedürfnisse, harmonischen Einklanges aller seiner Umgebungen ihn anmuthend und erheiternd umfange und sich beruhigend über sein, oft verstimmtes, oft aufgeregtes Gemüth lege, wie Oel in die stürmende Fluth gegossen, daß er für seinen abgespannten Geist die heilsame und nothwendige Anregung eines zugleich inhaltvollen und zutraulichen Gesprächs, für seine, draußen vielleicht verletzte Empfindung den Balsam freundlicher, aus tiefem Verständniß und sicherer Würdigung seines Wesens geschöpfter Zusprache, für seine mancherlei Berufs- und Lebenssorgen den tröstenden Beirath eines, das Leben mit einfach klarem und darum oft richtigerem Blicke anschauenden Frauengemüths nicht entbehren müsse, – Das zu leisten vermag nur ein gebildetes Weib, ein solches aber auch ganz zuverlässig. Wehe dem Manne, den statt jenes häuslichen Behagens daheim nur verdrießliche Gesichter und ein ungeordnetes ungemüthliches Hauswesen erwarten, der, statt für seine größern Sorgen theilnehmendes Interesse und rathenden Eifer zu finden, sich mit einer Fluth kleiner oft kleinlicher Klagen über Dinge empfangen sieht, denen abzuhelfen nicht des Mannes, sondern des Weibes Sache ist. Wehe dem Hauswesen, wo der Mann sich in dieser Weise unbefriedigt fühlt und dadurch veranlaßt wird, Befriedigung und Erholung außerhalb des Hauses zu suchen!

Die schwerste, aber auch läuterndste und verklärendste Feuerprobe für ein wahrhaft edles und gebildetes Frauengemüth sind Zeiten der Noth, wo es gilt, mit dem Aufgebote der ganzen geistigen Kraft gegen ein hereinbrechendes Mißgeschick zu kämpfen, ein unabwendbares mit Muth und Würde zu ertragen. Eine geisteskräftige, wahrer Hingebung und Entsagung fähige Frau wird sich und dem Manne solche kritische Momente des Lebens eben so sehr erleichtern, als eine dieser Eigenschaften entbehrende sich und dem Manne das Schwere noch schwerer, das Bittere noch bitterer, das an sich schon kaum zu Ertragende vollends unerträglich macht.

Aber nicht die Gesellschaft allein und nicht das Haus allein haben Ansprüche an das Herz und den Geist der Frau. Auch das Vaterland, auch die Menschheit haben solche. Nicht als ob sich die Frau in politisches Parteigetriebe mengen, Propaganda machen solle für Rechts oder für Links! Nein! Aber sie soll mit ihrem gebildeten Gefühle das Ewigwahre, Menschliche und Vaterländische aus den Wirren und Kämpfen des Tages herausfühlen; sie soll patriotisch empfinden und wenn es gilt, patriotisch handeln. Mit gerechter Bewunderung erzählt die Geschichte von jenen Spartanerinnen, die ihre Söhne in den Kampf für’s Vaterland mit der Weisung sandten: entweder mit dem Schilde wiederzukehren, oder auf dem Schilde, d. h. entweder als Sieger oder als für’s Vaterland Gefallene; von jenen Carthaginenserinnen, welche ihre langen Haarflechten abschnitten, um daraus Bogensehnen zu machen, zur Rettung ihrer hartbedrängten Stadt; von unsern eigenen Stammesmüttern, den Frauen der alten Germanen, die ihre Männer und Söhne in den Krieg begleiteten und mehr als einmal auf ihren ermunternden Zuruf, ja bisweilen durch eigne thätige Antheilnahme am Gefecht, die wankende Schlachtordnung wiederherstellten. So heroische Opfer fordert die civilisirtere Gegenwart von den Frauen nur selten – obschon noch nicht allzulange die Zeit vorüber ist, wo auch die deutschen Frauen zur Befreiung des Vaterlandes ähnliche Entsagungen übten, von dem Schmucke an, den sie darbrachten, bis zu den Söhnen und Gatten, die sie mit ihren Segenswünschen in den heiligen Kampf sandten, und wer weiß, ob nicht eine ähnliche Zeit, ehe wir’s denken, wiederkommen mag – aber es giebt andere, oft nicht minder schwer und nicht minder wichtige Opfer, welche die Frauen der Gegenwart für das Allgemeine zu bringen haben, unbemerkter vielleicht, aber darum nicht minder verdienstliche. Wären alle die Fälle bekannt, wo durch tapfre Entschlossenheit und unverzagte Ausdauer der Frau dem Manne das Festhalten an seinen politischen Ueberzeugungen erleichtert, so wie jene, wo es ihm durch ängstliche Verzagtheit und kleinmüthige Klagen derselben erschwert worden ist, – wir würden mit Erstaunen wahrnehmen, welchen wichtigen, oft wahrhaft verhängnißvollen Antheil an den Schwankungen politischer Kämpfe, an den Entscheidungen ganzer Länder- und Völkergeschicke häufig Frauen gehabt haben.

Und wie viel kann eine edle, gebildete Frau wirken für die Linderung allgemein menschlicher Leiden, für die Verbesserung gesellschaftlicher Uebelstände, wenn sie sich diesen Pflichten aus wahrer Herzensneigung, mit ernster Hingebung und unter der Leitung eines aufgeklärten, gebildeten Verstandes widmet, nicht blos weil es die Mode des Tages so heischt, nicht blos um dem Scheine der Wohlthätigkeit und Menschenfreundlichkeit zu genügen.

Hier öffnet sich dann auch für jene minder Glücklichen des Frauengeschlechts, denen nicht vergönnt war, den nächsten und eigentlichsten Beruf des Weibes zu erfüllen, ein anderer, ebenfalls schöner und segensreicher, in mancher Hinsicht für jene Entbehrung entschädigender Wirkungskreis. Um aber diesen entschlossen zu ergreifen und würdig auszufüllen, um jene Entbehrung mit innerer und äußerer Fassung, ohne Verbitterung des Gemüths und ohne Verkümmerung des Geistes zu tragen und an der Stelle des vom Schicksal ihnen versagten Looses sich ein anderes, möglichst befriedigendes für sie selbst und möglichst nutzbringendes für die Welt zu schaffen, auch dazu befähigt nur eine wahre, gründliche Geistes- und Herzensbildung.

Und nun zum Schluß noch wenige Worte über die Bedingungen und die Mittel, durch welche eine solche ächte Frauenbildung erworben wird. Vor Allem gebe man den Wahn auf, als könne dieselbe das leichte Werk eines raschen Entschlusses, einer empfindsamen Herzenregung, einer wenn auch noch so aufrichtigen und ernst gemeinten Willenserhebung sein. Abgesehen davon, daß auch der beste Wille und der feurigste Eifer selten lange vorhält, wenn die tiefere Anlage und Gewöhnung des ausdauernden Hinstrebens nach einem Punkte mangelt, so ist es auch mit dem bloßen Wollen da nicht gethan, wo es zumeist auf ein wirksames Können ankommt. Wie wenig auch die zärtlichste Liebe hinreicht, um die mangelnden Haushaltungskenntnisse der jungen Neuvermählten zu ersetzen, das wissen wir aus zahlreichen Romanen und Theaterstücken, leider noch öfter aus dem Leben selbst, und nicht jeder Ehemann ist so duldsam und gutgelaunt wie David Kupferfeld, um sich und seiner „kleinen Frau“ die Verdrießlichkeiten und Beschämungen eines mißrathenen Gastmahls leichten Sinnes hinwegzuküssen. Ungleich trauriger noch, weil tiefer greifend und schwerer wieder zu verwischen, sind jene Fehlgriffe, welche eine wohlmeinende, aber übelberathene Liebe ohne gründliche Vorbildung in dem so hochwichtigen Erziehungsgeschäfte begeht. Und selber die Theilnahme an dem Geistesleben und den Interessen des Mannes, obschon sie vorzugsweise auf einer leichten Erregbarkeit des Gemüths zu beruhen scheint, wird dennoch ohne die Mitwirkung eines gebildeten, klaren Verstandes ihr Ziel weit öfter verfehlen, als erreichen, wird, statt den Mann wirklich zu erfreuen und aufzurichten, ihn eher langweilen und ermüden.

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