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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Gedränge, den herabjauchzenden Tönen und den hinaufjauchzenden Bitten einer kleinen Göttin von Außen und eines großen Champagner-Teufels von Innen. Aber wir gehen nicht links mit der Thorheit, sondern wenden unsere Blicke rechts, wo in dem kolossalen Gebäude Wyld’s ungeheuerer Globus noch immer die Besucher in sein Inneres aufnimmt und rechts aufwärts, von wo uns ein großer, dichter, regelmäßig runder Kranz von Sternen aus dem schweren, schwarzen Himmel herunter strahlt. Welch ein seltsames Meteor! Da steht es, fest an den sonst ganz sternenlosen Himmel geheftet, ein regelmäßiger, aus hellstrahlenden Sternen geflochtener Kranz. Ist der Mensch schon fertig mit Ausschmückung der Erde, daß er hier den Himmel zu decoriren anfing? Denn Menschenwerk ist’s, das sehen wir gleich, da der Vater der Sterne durchaus nicht in diesem Stile baut.

Das Panoptikon.

Nun ja, es ist der oberste, um den einen schlanken Minaretthurm herumgelegte Kronenleuchter des Panoptikon. Panoptikon? Was steckt hinter diesem griechischen Worte? Zunächst ein seltsamer Palast und Tempel im maurischen Stile mit zwei schlanken Minarets, in welchem man, wie das griechische Wort bedeutet, „Alles sehen“ kann. Nach dem Krystall-Palaste der großartigste jener vielen Tempel der Volkskultur, die immer häufiger an verschiedenen Plätzen sich erheben und mit Belehrung und Wissenschaft für alle Volksklassen und mit diesen selbst füllen, so daß diese nicht mehr die schönste Zeit ihres Lebens auf Gymnasien und Universitäten zu verlernen brauchen, um zu lernen, was sie vergessen müssen, um etwas für’s Leben zu lernen, daß sie nicht mehr mit Zeugnissen und Legitimationen und bestandenen Prüfungen beladen am Thore des Lebens anzuklopfen nöthig haben, wenn ihr bestes Leben verblichen, sondern mit einem Schilling und einem schau- und wißbegierigen Sinne sofort auf die spielendste Weise mitten in den Ernst und die Tiefe des Wissens hineinsteigen können, ohne Lernen und Thun, Wissen und Leben jemals zu trennen. (Wir kehren uns nicht an das mitleidige Lächeln des Fachgelehrten über dieses oberflächliche Räsonnement, da wir wissen, daß die Oberflächlichkeit solcher modernen Institute auf das Gründlichste durch Praxis und Selbststudien aus unzählichen guten Lehrbüchern überwunden werden kann, ohne fünfzehn bis zwanzig Jahre durch den alten Hokus Pokus von Gymnasien und Universitäten zu opfern.)

Diese modernen Wissenschafts- und Kulturtempel für alles Volk treten jetzt an die Stelle jenes alten, heiligen Triebes, gothische Dome und Klöster zu erbauen, jene heiligen Graals für Auserwählte des Herrn, Gymnasien und Universitäten zu gründen und zu besuchen für eine Aristokratie des Wissens. Diese Tempel sind Kirchen des Wissens und der Bildung aller Klassen und Stände und Geschlechter und werden von den Ruinen gebaut, in welche die Mauern der aristokratischen und hierarchischen Zünfte des Glaubens und Wissens zerfallen.

Sie sind die Demokratie der Kultur, die hier eine würdigere Rolle spielt, als in der Politik, wo sie, auch dicht an Throne herangedrängt, bisher nur eine ziemlich klägliche Rolle zu spielen verstand. Sie wird von diesem Boden aus Alles erobern, ohne jemals etwas zu zerstören und zu unterdrücken. –

Der Krystall-Palast ist die Sonne dieser neuen Kultur-Demokratie, das Panoptikon deren nächster Planet. Die Zahl der kleineren Planeten und Trabanten, die überall in Form von „Athenäen“, polytechnischen Instituten u. s. w. um sie herum leuchten, wird alle Tage größer.

Treten wir ein in das Panoptikon und zwar gleich in die große Rotunde, deren einen Halbkreis wir in der Abbildung beigeben, wie er sich dem Eintretenden gradeüber ausspannt. Ein mildes, zum Nachdenken einladendes, blos von der Decke oben einfallendes Licht giebt dem Glanze und Reichthume der Architektur und der ausgestellten Schau-, Belehrungs- und Verkaufsobjecte die vortheilhafteste Beleuchtung, die Abends durch unzählige Kronenleuchterampeln ersetzt wird. Die Durchschnittslänge der Rotunde beträgt von Wand zu Wand 97 Fuß. Drei Galerien, von schlanken Säulen getragen, sind für den Genuß von Totaleindrücken die vortheilhaftesten Schaupunkte. Doch die ausgezeichneten und auserwählten Kunstwerke der Sculptur, welche die Rotunde unten umkränzen, wollen blos vom Parterre aus gesehen sein. Innerhalb des Statuencirkels finden die verschiedensten Arten von arbeitenden und durch Vorträge erklärten Mustermaschinen und naturwissenschaftlichen Instrumenten ihren Platz. In der Mitte dieser Instrumente springt ein graciöser

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 640. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_640.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)