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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

„Immer klammerte die Bestie sich aber noch fest und suchte sogar weiter hinauf zu kriechen. Da gab ich dem Pferde einen neuen Ruck, daß es beinahe aufrecht dastand und ich selbst einen solchen Stoß an meinen Kopf bekam, daß ich halb ohnmächtig wurde. Diese Stellung brachte den Tiger aber völlig unter Wasser, und ich hörte ihn heftiger als bisher pusten und schnaufen. Er mußte jetzt um sein Leben kämpfen und in dieser Todesangst ließ er seine Klaue los. Welche Wonne für mich, als ich dies fühlte und ich ihn gleich darauf dicht bei mir vorbeischwimmen sah.

„Er schien sich in dem ihm aufgedrungenen Elemente sehr unglücklich zu fühlen und sah verdammt verzweifelt aus, als ihn der Strom mit Blitzesschnelle dahintrug.

„Auch mein Pferd hatte längst das Schwimmen aufgegeben und ließ sich von dem Strome tragen; dies konnte, wenn es erschöpft war und auf Felsen stieß, die sich in dem Flusse befinden, seinem Untergang herbeiführen und ich sann daher jetzt für mich allein auf Rettung durch Schwimmen, denn ich verstand mich darauf und konnte mir zutrauen, das Land zu erreichen. Als ich mich vom Pferde geworfen hatte und dies versuchte, fand ich mich jedoch sehr durch meine Büchse behindert, die ich nicht Preis geben wollte, weil sie das Andenken eines mir theuern Freundes war der in Syrien sein Grab gefunden hatte.

„Ich hatte daher hart mit dem Strome zu kämpfen und fürchtete mehrere Male, er würde mich überwältigen, ich trug indessen den Sieg davon und es gelang nur freilich in einer bedeutenden Entfernung von dem Punkte, wo wir hineingesprungen waren, das Ufer zu erreichen.

„Ich war so erschöpft, daß ich dort eine Weile regungslos liegen blieb. Sowie ich aber einigermaßen wieder zu mir kam, gewahrte ich etwas, das mir plötzlich wieder das Blut in die Adern jagte. Etwa zehn Schritt weit stand der verruchte Tiger, der sich ebenfalls an diese Stelle gerettet hatte. Er sah zwar elend und halb ertränkt aus, aber seine Augen brannten doch von verzehrendem Feuer, als er sie auf mich richtete. Ich hatte indeß jetzt keine solche Furcht mehr vor ihm, als vorher. Jetzt war ich auf gleichem Fuß mit ihm und konnte meine Kraft mit der seinen messen. Ich blickte daher ruhig umher, indem ich mich auf das Schlimmste gefaßt machte.

„Es währte nicht lange, so legte er sich katzenartig nieder und heftete seine glühenden Augen auf mich. Es war kein Zweifel mehr, er hatte in mir seinen Feind erkannt. Dann hob er sich und sprang mit Geheul auf mich ein. Ich erwartete ihn aber mit meiner fest gefaßten Büchse und begegnete ihm damit rechtzeitig, indem ich sie derb an seinen Kopf schlug und ihn damit auf die Seite warf.

„Welch ein Geheul ertönte jetzt an dem Ufer! Aber obwohl seine Hirnschale eine beträchtliche Erschütterung erlitten hatte, war er doch nicht todt, sondern erhob sich zu neuem Kampfe. Ehe er dazu gelangen konnte, ertheilte ich ihm zwei neue Schläge, die ihn niederwarfen, und bald darauf fand mein Messer seine Kehlader und ich wurde seiner Herr, freilich nachdem meine Hände beträchtlich von seinen Klauen zerfetzt worden waren.

„Als dies Alles vorüber und der Sieg mein war, überkam mich von Neuem eine Schwäche und ich sank fast bewußtlos auf einen Haufen Steine nieder. Dort hätte ich vielleicht lange hülflos liegen können, zu meinem Glücke hatte indessen das Geheul des Tigers zwei Hottentotten-Jäger herbeigezogen, die auf der Büffeljagd waren.

„Sie kamen näher, um zu sehen, was es gab, und waren mir behülflich, nach Hause zu kommen.

„Vorher zogen wir dem Tiger das Fell ab. Es war so prachtvoll, wie ich nur je eins gesehen habe, und ich sandte es später nach Hause, wo es jetzt den verdienten Ehrenplatz einnimmt. Beim Abledern fanden wir die Kugel, welche den Tiger vor der meinen verwundet hatte. Sie rührte von dem Schuß her, den ich gehört hatte und war die Ursache gewesen, ihn zur Wuth und zum Angriff gegen mich zu treiben.

„Ich selbst hatte aber an den Wunden und Schrammen, die mir die verdammte Bestie beigebracht, so lange zu leiden, daß Monate darüber vergingen und das gestohlene Vieh und die Strafe, welche den Kaffern dafür zuertheilt wurde, längst vergessen waren, als ich wieder meinen Dienst antrat.“




Deutsche Söldner in England.
Scenen aus der deutschen Auswanderungs-Herberge in London.

Im Osten Londons, unweit des Towers und der „Katharine Docks,“ wo schon „Klein-Deutschland“ anfängt, kann man seit einiger Zeit rührende Scenen aus „Groß-Deutschland“ erleben. In dieser Gegend befindet sich nämlich auch die deutsche Auswanderungs-Herberge für die, welche über London nach Amerika oder Australien scheiden oder mit Schiffen aus einem deutschen Hafen kommen und sich hier aufhalten müssen, bis volle Ladung eingenommen worden. Die Herberge ist schwer zu finden. Sie liegt wie ein großer Reitstall in den hintern Räumen einer engen schmutzigen Straße, traurig, lichtscheu, roh und ungehobelt von Innen und Außen. Durch ein großes Thor in das hohe, hohle, übelriechende Innere eintretend, bemerken wir zuerst eine unabsehbar lange, schmale, angenagelte Tafel mit angenagelten rohen Brettern auf beiden Seiten. Das ist der Mittagstisch. Am Ende desselben duftet es in allen Graden des Fuselöl- und Biergeruchs hinter einem schmutzigen Schenktische hervor. Der Geist des Fuselöls verkörpert sich in ein Paar grauen, grobknochigen Gestalten mit biersauren, halsabschneiderischen Physiognomieen, die hinter dem Tische hervor nicht bedienen, sondern herrschen. Ringsherum an den Wänden, in allen möglichen und unmöglichen Winkeln und Höhen an den Balken hinauf reihen sich Tauben- und Hühnerhäuser oder Menageriekäfige aus den rohesten Brettern grob zusammengenagelt. Aber es wohnen keine wilden Thiere darin, sondern zahme Deutsche, die zu je Fünfen in diesen Prokrustes-Betten ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht schlafen müssen, obgleich sie schon für je drei Personen zu schmal und zu kurz sind.

Etwa 6 Tage vor meinem Besuche war eine Sendung deutscher Auswanderungswaaren angekommen, 270 Personen vom Rheine her, Hessen (natürlich Kurhessen), Baiern, Badener und wie die Völker und Namen sonst hießen, die gastlich hier zusammenkamen, um dem Heimweh, und dem Weh der Heimath, zu entfliehen. Die Scenen und Gruppen, die sie hier in dem großen Reitstalle bildeten, runzelige Bauern und taillenlose oder tonnenartig getaillte Frauen und Mädchen, kleine Jungen mit sehr langen Röckchen, sehr großen Stiefeln und sehr dummen, gaffenden Gesichtern aus übelriechenden Queersäcken, schmutzigen Papieren und Lappen Käse, Wurst, Brot u. s. w. verzehrend, schreiende Säuglinge, blasse Kranke, die hier und da von allen möglichen Höhen aus ihren Bretterkasten hervorguckten und riefen, ohne daß es Jemand zu hören oder irgend Einer zu ihnen zu gehören schien, hier neugierig und leichtgläubig horchende Gruppen, dort lebhafte Discussionen über Dinge, in denen Niemand den geringsten Bescheid wußte, diese Gruppen und Scenen deutscher Komik und Naivität sind Stoffe für Genremaler. Wir fühlen uns nicht aufgelegt, diesen Wirrwarr in einzelne Bilder einzurahmen. Es war an diesem Tage so lebhaft und voll, weil es hieß, die ganze Gesellschaft solle diesen Nachmittag „verlesen“ und dann in’s Schiff transportirt werden. Die Verlesungsscene ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Ein dicker, breitschulteriger Fallstaff trat mit einem schmalen Herren herein und gab einige furchtbare Töne des Zornes von sich, worüber die ganze Auswanderungsgesellschaft dermaßen erschrak und sich in unterthänigster Andacht erhob und alle Arten von Kopfbedeckungen vor den verwirrten Herren herunterriß, daß ich im ersten Augenblicke nicht anders dachte, als ihr wirklich angestammter gestrenger Landesvater stände in höchst eigener Person vor ihnen. Aber es war blos ein gewöhnlicher, englischer Steuermann vom Schiffe mit einem gewöhnlichen deutschen Individuum neben sich, das ihm als Dollmetscher diente. Beide traten wie unumschränkte subalterne Polizeibeamte aus der alten deutschen Unteroffizierschule auf, und die Bauern und ihre Familien waren ganz Andacht und Ehrfurcht darüber. Als einige gar zu gebückt und furchtsam mit ihren breiten Stiefeln

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_015.jpg&oldid=- (Version vom 31.8.2018)