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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

oder zehn Skorpione den Tod gefunden hatten. Er wollte bereits seine Frau und einen seiner Gäste mit diesem Gegengift geheilt haben.

Herr v. C. reichte dem Wirth sein Fläschchen, der letztere packte das kleine, schwarze, krebsartige Thier mit der Zange; dieses aber leistete eine so verzweifelte Gegenwehr, wie ich sie nie von einem so unbedeutenden Geschöpf gesehen habe. Das Interesse, welches wir an der Vertheidigung des Skorpions fanden, brachte den Wirth auf den Gedanken, uns eine kleine Unterhaltung zu bereiten.

„Meine Herren,“ sagte er, „ich sehe, wir haben es hier mit einem den verzweifeltsten und galligsten dieser Thiere zu thun; geben Sie Acht, ich werde Ihnen jetzt ein kleines Schauspiel veranstalten.“

Er legte den Skorpion wieder auf den Steinboden und während der Hund wieder um ihn her sprang, brachte der Wirth eine Schaufel voll glühender Kohlen, die er im Kreise um den Skorpion herum legte. Wir hockten uns um diesen Zauberkreis und waren neugierig auf Das, was jetzt geschehen sollte. Dies ließ nicht lange auf sich warten.

Dem Skorpion ward es langweilig, sich so anschauen zu lassen, er suchte also sich davon zu machen und rückte auf die Kohlen los. Drei-, viermal machte er einen Angriff auf den glühenden Zirkel, als er sah, daß diese Angriffe nach allen Richtungen vergeblich waren, zog er sich in die Mitte des Kreises zurück und schien zu überlegen; dann begann er von Neuem dasselbe Manöver.

Auch dies fiel natürlich eben so fruchtlos aus, denn wo der Wirth noch eine Oeffnung in dieser Einkreisung gesehen, stopfte er sorgfältig dieselbe mit neuen Kohlen zu. Zweimal hatte der Gefangene umsonst seine Befreiung versucht und dadurch die Ueberzeugung gewonnen, daß keine Rettung möglich. Während dieser Versuche aber schien das Thier in eine entsetzliche Wuth gerathen zu sein; er schlug den Steinboden mit dem Giftstachel an seinem Schwanze und klappte verzweifelt seine Scheeren zusammen. Abermals zog er sich in die Mitte des Kreises zurück und bäumte und wand sich hier.

„Jetzt aufgepaßt!“ rief der Wirth. Und richtig: die Katastrophe kam. Der Skorpion bäumte sich nochmals und zog den Stachel und den Kopf unter sich zusammen; nach wenigen Sekunden sahen wir ihn die Scheeren, den Kopf und den Schwanz von sich strecken und kein Lebenszeichen mehr von sich geben.

„Meine Herren, der Vorhang kann fallen, das Trauerspiel ist aus,“ sagte der Wirth, nahm den Skorpion mit zwei Fingern aus der glühenden Arena und zeigte ihn uns.

„Das ist das dritte Mal, daß ich auf diese Weise einen Skorpion zum Selbstmord gezwungen habe,“ sagte der Wirth lachend zu uns und legte den Selbstmörder auf den Tisch. „So klein diese Bestie auch ist, so kann kaum ein anderes Thier so viel Galle in sich tragen, wie dieses; in seiner Wuth hat er sich seinen Stachel in den Kopf gebohrt, und ist an seinem eigenen Gifte gestorben. Sehen sie nur!“

In der That zeigte uns der Wirth die Stelle, wo sich der Skorpion in eins der Gelenke seiner Schale den giftigen Stachel gebohrt. Ich überzeugte mich, daß das Thier nicht an irgend einer Brandwunde gestorben, und kann also mit gutem Gewissen diesen unerhörten Selbstmord in die Naturgeschichte einregistriren.

H. W.




Der Ocean auf dem Tische. Wir haben in einer frühern Nummer von dem neuen wissenschaftlichen Luxusartikel des Meerwasser-Aquariums und seiner Bewohner gesprochen. Wo aber bekommt man in Leipzig, Dresden, Berlin u. s. w. alle Tage frisches Seewasser her? Man macht es sich, wie in England und Schottland, wo Marine-Aquarien mit Seethieren und Seepflanzen schon ein sehr beliebter Schmuck in den Gesellschaftszimmern der wohlhabenden Leute geworden sind und immer noch mehr werden. Das Seewasser besteht nach Schweitzer’s Analyse (in 1000 Gran) aus 964,744 Wasser, 27,059 Chlorid von Sodium, 3,666 Chlorid von Magnesium, 0,765 Chlorid von Potassium, 0,029 Bromid von Magnesium, 2,295 Schwefel-Magnesia, 1,407 Kalk-Sulphat und 3,033 kohlensauerm Kalk. Der englische Chemiker Gosse setzte danach künstliches Seewasser zusammen, ohne sich um die geringen Quantitäten von Bromid, von Magnesium und von kohlensauerm Kalk weiter zu bekümmern. Ersteres findet man in dem Wasser des mittelländischen Meeres gar nicht. Auch den Schwefelkalk (Kalk-Sulphat) ließ er aus, da er nicht auflöslich ist und also dem Seewasser selbst nicht wesentlich sein kann. So behielt er vier Ingredenzien, die er in folgender Weise feststellte und zusammensetzte: Gewöhnliches Kochsalz 31/2 Unzen, Epiom-Salz 1/4 Unze, Chlorid von Magnesium 200 Gran (troy), dazu 40 Quart Wasser. Das giebt eine gute, auf Wochen für ein kleineres Aquarium ausreichende Menge Seewasser und kostet vielleicht 4–5 Sgr. Mr. Gosse filtrirte das so gebraute Seewasser durch einen Schwamm in den Glasbehälter, der mit einigen gewaschenen Steinen vom Meeresufer, an denen etwas Seegras (Ulva latissima) wurzelte, versehen worden war, ließ dann sich etwas Vegetation entwickeln, die ziemlich rasch zum Vorschein kam, um so, wie die Natur im Großen, die Stätte für thierisches Leben zu bereiten, und setzte dann verschiedene Seethierchen hinein: verschiedene Species von Actima, Bowerbankia, Cellularia, Balanus, Serpula u. s. w. Thiere und Pflanzen gediehen sofort in der besten Gesundheit und verfuhren ganz biblisch: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet auch das Seewasser, wo mehr Platz ist, als auf der Erde, auch mehr Freiheit und Vergnügen, wie man aus der Heiterkeit der gefangenen kleinen Bewohner der Tiefe schließen muß.




Der calculirende Fuchs. Ein Jäger auf dem Harz, der eines Morgens Wache hielt im Forste, bemerkte einen Fuchs, der sich vorsichtig einem alten dicken Baumstumpfe näherte. Als er nahe genug war, machte er einen beherzten Sprung bis auf den Kopf des Stumpfes. Hier sah er sich ein Weilchen um, als wollte er die schöne Aussicht genießen und sprang dann wieder herab. Diese gymnastische Uebung wiederholte er etwa fünfmal, ehe er davonschwänzelte. Aber schon nach einer Minute kehrte er zurück und zwar mit einem derben tüchtigen Stück Eichenholz in der Schnauze. Mit dieser Last beschwert wiederholte er seine ritterliche Uebung, und zwar nicht nur zu meiner, sondern auch seiner eigenen Befriedigung, denn er ließ nach einigen glücklichen Repititionen seine Last fallen, wickelte sich oben zusammen legte den Schweif um sich und schien so auf seinen Lorbeeren ausruhen zu wollen. Stunden lang behielt ich ihn im Auge: er lag und blieb wie todt liegen. Ich war neugierig geworden und ließ mir den Gedanken nicht nehmen, daß Reineke nicht blos zu seinem Vergnügen geturnt habe. Gegen Abend ward denn auch meine Neugier befriedigt. Eine wilde Sau kehrte mit ihrer Nachkommenschaft aus dem Dickicht in ihre Heimath zurück und zwar auf ihrem bereits sichtbar gewordenen Wege vor dem Baumstumpfe vorbei. Zwei von der unerfahrnen Nachkommenschaft waren etwa sechs Schritt hinter der Mutter und den andern Jungen zurückgeblieben und zottelten hinterher. So wie sie an den Stumpf kam, sprang Reinecke wie ein Blitz vom Todtenschlafe auf, herunter und mit einem der beiden Ferkel wieder hinauf. Es kreischte und quiekte jämmerlich. Die Mutter kehrte wüthend um und grunzte und knurrte wie wahnsinnig an dem Stumpfe in die Höhe, um ihr Kind zu retten. Der Diplomat aber oben, seiner Sache und Festung gewiß, nahm diese Demonstration sehr gleichgültig auf und verzehrte seinen Schweinebraten vor den Augen der Mutter mit der größten Gemüthlichkeit und einer Art von raffinirten Tranchirkunst. Auf einmal schien’s ihm zu viel zu sein, so daß er etwa die Hälfte seiner Beute übrig ließ und sicher legte, und dann mit der größten Unverschämtheit auf die tobende, wüthende Mutter herabzublicken, so malitiös, daß man hätte meinen sollen, er habe ein Glas in das eine Auge geklemmt. Die alte Sau zog sich endlich widerstrebend zurück, worauf auch Reinicke sich anschickte, in seine Festung Malepertus zurückzukehren.




„Souvenir de Kieff,“ eine Mazurka für Pianoforte, ist die neueste Composition des gefeierten Pianisten Schulhoff, sein Op. 39. Das Stück eignet sich ganz besonders zum gesellschaftlichen Vortrag, indem es den charakteristischen Ausdruck und rhythmischen Reiz der Mazurka mit Feinheit des Geschmacks und einer leichten Brillanz vereinigt. Das keck auftretende Thema muß jeden Mazurkatänzer elektrisch durchzucken; der Mittelsatz bildet in seinen weicheren, gleichsam schwebenden Bewegungen einen guten Contrast, welcher durch einige kokette Läuferguirlanden in das Thema zurückführt, um mit einer rauschenden Coda pompös abzuschließen. Die Technik ist keine schwierige; pikante Accentuationen und Grazie des Vortrags sind hauptsächlich erforderlich zur entsprechenden Wirkung dieser Mazurka, die schnell zu allgemeiner Beliebtheit gelangen wird.


Zur Beachtung!

Um mehrfach ab uns ergangenen Anfragen mit einem Male zu begegnen, theilen wir den Abonnenten mit, daß der Titel nebst Inhaltsverzeichniß des Jahrgangs 1854 bereits in der ersten Woche Januar an alle Buchhandlungen und Postämter versandt wurde.

Für diejenigen welche sich die Gartenlaube 1854 einbinden lassen, bemerken wir nochmals, daß durch uns höchst geschmackvolle Decken mit Golddruck nach eigens dazu angefertigter Zeichnung zu beziehen sind; wir sind in den Stand gesetzt, dieselben zu dem höchst billigen Preise von 13 Ngr. zu liefern.

Die Verlagshandlung.

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_056.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2023)