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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Paar Strümpfe. Was die Seife für einen Nutzen hat, vermag er nicht zu begreifen, und Wasser berührt seine Haut blos, wenn er hinein geht, um zu fischen. Sein Lieblingsgericht besteht aus Eicheln und Heupferden, die er zu einer klebrigen Masse durcheinander quetscht und entweder frisch verzehrt oder zum Gebrauch für den Winter an der Sonne trocknet und aufhebt. Er ist ein Liebhaber des Tanzes, wobei jedoch von einem Ballanzuge so wenig als möglich die Rede ist. Auch das Spiel liebt er, obschon nicht mit Karten oder Würfeln, deren Bedeutung er nicht zu begreifen vermag, sondern nach Art der Kinder, indem er, nachdem er in die eine Hand ein Geldstück genommen, zwei Fäuste macht, und seinem Mitspieler eine davon wählen läßt. Schweinefleisch ißt er nicht, freut sich aber mit seiner ganzen Sippschaft, wenn ein Wallfisch auf den Strand geworfen wird. Wenn er stirbt, so wird seine Leiche verbrannt, und seine Verwandten suchen eine Ehre darin, sich so nahe als möglich in einem Kreise um den Scheiterhaufen zu stellen. Sein trauerndes Weib setzt eine von Pech gefertigte Wittwenhaube auf und trägt dieselbe mehrere Monate.

Ein anderer bemerkenswerther Charakter ist der Chinese. Ueberall, wo Geld zu verdienen ist, verdient es John Chinaman, wie man ihn hier zu nennen pflegt. In Dupontstreet ist er ein Fleischer, in Sacramento ein Kaufmann, in Rincon Point ein Fischer und Fischpökler, in Lagoon eine Waschfrau, und seine Art und Weise, wie er die Wäsche plättet und mangelt, setzt die dortigen Angelsachsen in nicht geringes Erstaunen. Seine Feinde wollen behaupten, daß die ihm übergebene Wäsche sich in seinen Händen sehr leicht in Baumwolle verwandele. Wenn ein Chinese eine Last vom Boden zu heben hat, so ermittelt er erst, ob ein Mann sie zu heben im Stande ist, und wenn dies der Fall ist, so holt er noch drei herbei, um die Arbeit wirklich auszuführen. Alle übrige Arbeit wird nach demselben Maßstabe verrichtet. Um sich das Tragen einer Bürde zu erleichtern, balancirt der Chinese dieselbe an den beiden Enden einer Stange, die er auf der Schulter trägt. Wenn er ein fünfzig Pfund wiegendes Bündel, welches sich nicht theilen läßt, an das eine Ende seiner Stange zu hängen hat, so hängt er dann noch fünfzig Pfund von irgend etwas als Ballast an das andere Ende. John Chinaman entspricht seiner Gestalt und seinem Costüme nach durchaus nicht den Begriffen, die man sich in Europa von dem Anmuthigen oder Schönen zu machen pflegt. Kleine californische Knaben schießen mit Stecknadelbolzen nach ihm, wer ihm auf dem Trottoir begegnet, „römpelt“ ihn und die Hunde schnappen ihm nach den Waden. Niemand ist ihm gut und er hat keine Freunde als seine Landsleute, diese aber kommen ihm stets mit Einmüthigkeit und Energie zu Hülfe. Wenn er vor Gericht steht und ein Alibi braucht, so sind zwanzig Chinesen bereit, zu beweisen und zu beschwören, daß er zur fraglichen Zeit an zwanzig andern Orten war. Wenn John Chinaman einen Einkauf zu machen wünscht, so verfährt er dabei ebenfalls nach einer ihm eigenthümlichen Weise. Er tritt in einen Kaufladen und betrachtet den Gegenstand seines Wunsches mit schweigendem, stumpfem Blicke eine lange Zeit. Der Kaufmann zieht sich ärgerlich in den Hintergrund seines Ladens zurück und macht endlich Miene, den trägen Kunden hinaus­zustecken. Nun versucht dieser, sich in englischer Sprache verständlich zu machen, fragt nach dem Preise, den man für den Gegenstand verlangt, und bietet sodann ungefähr den zehnten Theil. Sein Gebot wird zurück­gewiesen und er entfernt sich; bei dem ersten Besuche aber bietet er niemals mehr. Nach einigen Tagen kommt er wieder, um sein Gebot zu wieder­holen und, wenn es nochmals zurückgewiesen wird, zu bewilligen, was der Verkäufer verlangt, Der Chinese lebt sehr mäßig und sparsam, ausge­nommen, wenn er Geflügel haben kann; junge Hühner besonders gehen ihm über Alles. Vor mehreren Jahren noch zeichneten sich die Chinesen in San Francisco als Inhaber der wohlfeilsten und besuchtesten Speise­häuser aus. Jetzt sind sie jedoch, namentlich von einigen Deutschen, in dieser Beziehung überflügelt worden.

Ein armer als Goldgräber verunglückter Franzose hatte zuerst den Einfall, als Stiefelputzer aufzutreten und jetzt giebt es deren eine Menge. Vor der Börse in San Francisco bilden sie eine ziemlich lange doppelte Reihe und wer mit schmutzigen Stiefeln zwischen ihnen hindurch geht und kein Kunde ist, muß sich so lange verhöhnen lassen, bis er sich entschließt, von ihren Diensten Gebrauch zu machen. Der erste Stiefelputzer gewährte seinen Kunden die Bequemlichkeit eines hölzernen Schemels. Die Con­currenz führte zum Ankauf eines Lehnstuhls. Hierauf betrat das Kapital den Kampfplatz mit gepolsterten Lehnstühlen und zu den Lehnstühlen gesellten sich Zeitungen. Hier stockte die Erfindung, bis endlich Jemand auf die Idee kam, die Stiefeln in eigens dazu bestimmten Häusern zu putzen. Der in diesen Häusern hängende Tarif ist folgender:

Stiefel zu wichsen, nicht naß oder geschmiert 25 Cents.
     do. „ „ naß oder geschmiert . . 50 „

Wem dies zu theuer ist, wird ersucht, sich auf den Platz an der Börse zu begeben, wo das Geschäft billiger besorgt wird.

Da ein Cent nach unserm Geld vier Pfennige ist, so ersieht man hieraus, daß in Californien ein Paar Stiefel nicht weniger als 10 bis 20 Neugroschen zu putzen kosten!




Die gepreßten Gemüse. Seit mehrern Jahren schon spielen die in Deutschland noch kaum dem Namen nach bekannten gepreßten Gemüse in England und Frankreich eine wichtige Rolle, und wohl kann man sagen, daß vielleicht ohne diese eigenthümliche Procedur die Verproviantirung ei­ner Armee, wie die der verbündeten Westmächte in der Krim kaum mög­lich wäre.

Im März des Jahres 1851 stellte Herr Masson, Obergärtner der allgemeinen Gartenbau-Gesellschaft für Frankreich, dem Institute ein kur­zes Expose zu, in welchem er sagte, daß nach langen Nachforschungen, die bis auf zehn Jahre zurückreichten, es ihm endlich gelungen sei, ein einfa­ches Verfahren gefunden zu haben, vegetabilische Substanzen, besonders Gemüse zu trocknen, ohne deren Beschaffenheit zu verändern und sie auf einen äußerst kleinen Umfang zurückzuführen, ohne Benachtheiligung ihres Wohlgeschmacks und ihrer nährenden Eigenschaften.

Dieses Verfahren besteht in einer Austrocknung bei niedriger Tempe­ratur in Trockenöfen, die bis ungefähr 35 Grad erwärmt werden, und in einer sehr starken mit Hülfe der hydraulischen Presse bewerkstelligten Zu­sammenpressung.

Die erste Operation nimmt den Gemüsen das überflüssige Wasser, welches bei gewissen Vegetabilien, wie Kohl und Rüben, 80 bis 85 Procent ihres Gewichtes im frischen Zustande beträgt. Die zweite Operation ver­mindert ihren Umfang und giebt ihnen eine dem Tannenholz gleiche Dich­tigkeit, wodurch die leichte Aufbewahrung, Lagerung und der Transport erzielt wird, denn in einem Kubikmeter können im äußersten Falle nicht weniger als 25,000 Rationen Gemüse zusammengepreßt werden.

Das erste große Etablissement zum Trocknen der Gemüse erhob sich in Paris, Rue Marbeuf, und beschäftigte in kurzer Zeit mehr als hundert Arbeiter; England säumte nicht, das sinnreiche Verfahren auf seinen Boden zu verpflanzen, und die französische und englische Marine bezogen unausgesetzt bedeutende Verproviantirungen. Anstatt des üblichen Sauerkrauts erhielt nun die Seemannschaft eine gesündere Nahrung, was nicht wenig mit in Anschlag zu bringen war. Zugleich ist durch die Erfindung des Herrn Masson die Verproviantirung von Festungen und Armeen ungemein erleichtert worden, und da sein Verfahren auch auf medizinische Pflanzen an­wendbar ist, so entspringt daraus besonders ein neuer großer Vortheil für militärische Ambulancen. Die Erfindung ist leider bis zu diesem Umfange auch in England und Frankreich noch nicht ausgebeutet worden. Die zu­sammengepreßten Gemüse werden in Tafeln von mäßigem Umfang in ge­schlagenem Zinn verpackt.

Die gepreßten Gemüse haben eine Zukunft. Wenn erst die Industrie in größerm Maßstabe sich der Sache bemächtigen wird (am Rhein bestehen bereits zwei Fabriken), werden sie auf die Nahrungsverhältnisse des Volks einen wichtigen Einfluß haben. Sie werden auch manche unserer Gewohn­heiten ändern, und der Leser lächelt vielleicht, wenn wir ihm prophezeihen, daß eines Tages die Kaufleute, wie jetzt Chocolade, auch Spargel, Spinat, Welschkohl u. s. w. in Tafeln verkaufen werden. Eine Tafel, wie unsere gewöhnlichen Chocoladentafeln sind, gepreßtes Gemüse giebt ein ausreichen­des Gericht für fünf Personen.


Allgemeiner Briefkasten.

Schl. in St. Seit vier Wochen haben Sie die Freundlichkeit, uns wöchentlich zwei Mal mit verschiedenen Gedichten zu erfreuen, worunter einige sind, welche nur 55 Verse haben. Wir sind Ihnen sehr dankbar für diese zarte Aufmerksamkeit, bitten aber nunmehr, Ihre Muse und unsere Zeit nicht mehr in Anspruch zu nehmen. Beides sind kostbare Güter, die man ungern ohne Nutzen vergeudet. –

Chr. in M. Beruht jedenfalls auf einem Irrthum. Für Originalartikel zahlen wir niemals unter zwanzig Thaler Honorar pro Bogen, wohl aber mehr. Ihre Andeutungen sind uns deshalb nicht recht verständlich.

A. B. in D. Das ist leichter gesagt als gethan, mein liebes Fräulein! Wir werden uns erlauben, Ihnen ausführlich darüber zu schreiben, obwohl wir eigentlich noch nicht recht wissen, wie Sie Ihre Anfrage verstehen. Ihr Vertrauen ist ein so großes, daß es schwer zu rechtfertigen ist.

H. in P. Bewahren Sie sich diese Welt der Unabhängigkeit. Kinder werden durch ihre Ammen und schwache Menschen von ihren Umgebungen gelenkt. Ein großer unabhängiger Geist schreitet durch die Persönlichkeiten seiner Zeit, wie Moses durch das rothe Meer.

v. W. in W. Ihr brüskes Herabblicken auf die Bestrebungen einzelner Autoren und Ihr gleichzeitiges Pochen auf den Geldbeutel diesen Leuten gegenüber geben ein trauriges Zeichen Ihrer Bildung ab. Sie scheinen zu jener Sorte vornehmer Pinsel zu gehören, welche geniale Köpfe für eine Gattung Vögel halten, die sie füttern und an ihrer Tafel singen lassen können. Nehmen Sie sich wohl in Acht, daß diese Vögel nicht hacken, statt zu singen. Es ist wahr, die Schriftstellerwelt ist eine Aeolsharfe geworden, die ihre Töne meist nach dem Winde richtet, aber noch giebt es viele ehrenvolle Ausnahmen in ihr und diese gehen ihren Weg consequent und unaufhaltsam vorwärts, ohne sich um den Hohn einiger Geldsäcke oder die Verleumdungen neidischer Scribenten zu kümmern. Möglich, daß diese Ausnahmen nicht diejenige Stellung in der Welt einnehmen, welche sie verdienen. Aber was heißt äußere Stellung? Die meisten Menschen bedecken mit dem äußern Zeichen der Ehre den Mangel der innern Ehre.

v. P. in B. Ihre Novelle ist zu lang, als daß die Aufnahme in der Gartenlaube finden könnte. Mehr als vier, höchstens fünf Nummern darf eine Erzählung nicht durchlaufen.

A. K. in G. Folgt mit nächster Gelegenheit retour. In der Anlage gut, in der Ausfuhrung aber noch mangelhaft.

Th. in A. Mit Dank empfangen. Sie lassen uns wohl noch einige Tage Zeit, einen festen Entschluß zu fassen. Just über Amerika haben wir viele und gute Manuscripte liegen.

W. in G. Die Antwort auf Ihr Schreiben vom 6. Januar werden Sie in der letzten Nummer gefunden haben. Ein früherer Abdruck war beim besten Willen nicht möglich.

Ch. b. M. in D. Wenn Sie unsere Zeitschrift aufmerksam gelesen haben, kann es Ihnen nicht entgangen sein, daß derselbe Gegenstand bereits früher in sehr anziehender Weise geschildert ward. Ihr Artikel kann deshalb keine Aufnahme finden.


Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_068.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2023)