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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Aus Bock’s Buche vom gesunden und kranken Menschen.

Uebersicht der Lebens- und Gesundheits-Regeln.
Das vegetative Leben im menschlichen Körper.

Da nur durch den fortwährenden Wechsel (das ununterbrochene Absterben und Neubilden) unserer Körperbestandtheile, dessen hauptsächlichste Triebfeder uns aber bis jetzt noch ganz unbekannt ist, das Leben bestehen kann, so muß auch das oberste Gesetz für uns sein: Den Stoffwechsel im Gange zu erhalten. Er muß aber auch in der gehörigen Ordnung erhalten werden, weil falsches Vorsichgehen desselben Krankheit bedingt. – Beim Stoffwechsel erzeugen sich einerseits aus der, alle Theile unseres Körpers durchdringenden Ernährungsflüssigkeit, bei der gehörigen Temperatur (+ 28–30° R.) und Ruhe, mit Hülfe der Zellenbildung, die verschiedenen Gewebe, während andererseits die ältern Bestandtheile derselben beim Thätigsein der Organe absterben und als untauglich abgestoßen werden. Sonach bedürfen unsere Organe der gehörigen Ruhe und Thätigkeit bei hinreichender Wärme. – Die Zufuhr des neuen Baumaterials und das Wegschaffen der Gewebsschlacken geschieht durch das Blut, welches immerfort durch den Körper kreist. Deshalb muß nach der richtigen Menge, Beschaffenheit und Circulation des Blutes gestrebt werden. – Die richtige Menge und Beschaffenheit des Blutes läßt sich nur theils durch Zuführung von hinreichenden und guten Nahrungsstoffen und von Sauerstoff, theils durch Entfernung der alten und schlechten Blutbestandtheile erlangen. Aus diesem Grunde ist eines Theils durch zweckmäßige Nahrungsmittel mit Hülfe des Verdauungsprocesses, sowie durch das Einathmen guter Luft das Blut fortwährend zu erneuern, andern Theils aber durch Entfernung unbrauchbarer Stoffe aus demselben, mit Hülfe der Lungen, Haut-, Nieren- und Leberausscheidungen zu reinigen. Zur Neubildung, wie zur Reinigung des Blutes ist der Sauerstoff, also das Athmen atmosphärischer Luft, ganz unentbehrlich; ebenso zur Entwickelung der nöthigen Körperwärme.

A. Die Blutbildung (Sanguification) verlangt die Zuführung guten Nahrungsstoffes (Speisesaftes) und des Sauerstoffes in das Blut; ersteres wird mit Hülfe der Verdauung aus den Nahrungsmitteln gewonnen und vom Magen und Darmkanale aus durch Saugadern und Lymphdrüsen in den Blutstrom geschafft; letzterer tritt aus der in die Lungen eingeathmeten atmosphärischen Luft in das Blut.

I. Einführung passender Nahrungsmittel in den Körper.
1) Nahrhafte Nahrungsmittel sind zu genießen:
a) gemischte Kost, aus dem Thier- und Pflanzenreiche
b) alle die Stoffe (Nahrungsstoffe) enthaltend, welche unsern Körper zusammensetzen: Wasser, Eiweißsubstanzen (Eiweiß, Faser- und Käsestoff), Fett und Fettbildner (Stärke, Zucker, Milchsäure, Weingeist), Kochsalz, Kalk und Eisen (vorzüglich in der thierischen Nahrung).
c) Nur die Milch enthält alle nöthigen Nahrungsstoffe in der gehörigen Menge. An sie schließen sich an: Ei, Fleisch und Fleischsaft, Getreide (Mehl) und Hülsenfrüchte; allen diesen fehlt die nöthige Menge an Wasser und Kochsalz.
2) Die gehörige Menge von Nahrungsstoffen ist in den Körper einzuführen.
a) Wasser und Kochsalz bedarf der Körper in ziemlicher Menge.
b) bei größerer Lebendigkeit des Stoffwechsels muß die Nahrungszufuhr stärker sein: wie
beim Wachsthum; – bei der Wiedergenesung; – bei stärkern körperlichen und geistigen Anstrengungen; – bei Ausgaben von Blut und Blutbestandtheilen (Milch, Schwangerschaft); – bei stärkerem Sauerstoffverbrauche (im Freien, Winter, kalten Klima).
c) bei unverdaulichen Nahrungsmitteln muß eine größere Menge genossen werden, damit die nöthige Menge von Nahrungsstoffen daraus gewonnen werden kann.
3) Die Verdaulichkeit und Verdauung der Nahrungsmittel ist zu befördern, vorzüglich durch eine zweckmäßige Zubereitung derselben.
a) Flüssige und leicht lösliche Nahrungsstoffe sind am verdaulichsten.
b) Thierische und warme Nahrungsstoffe sind verdaulicher als pflanzliche und kalte.
c) Je leichter die Verdauungssäfte eindringen in die Nahrungsmittel, desto eher können sie verdaut werden; deshalb sind schwer verdaulich:
von vielem Fette umgebene; – zwischen unverdaulichen Stoffen lagernde; – sehr compacte (feste, schlecht gekaute) Nahrungsmittel.
d) Bei großer Menge der Verdauungssäfte ist die Verdauung erleichtert; deshalb:
bei reichlichem Trinken während des Essens; – durch Zusatz von Gewürzen und mäßigen Genuß spirituöser Getränke; – bei mäßigem und öfterem Nahrungsgenuß.
e) Durch richtiges Essen kann auf die Verdauung gewirkt werden, wie:
durch gutes Zerkauen fester Speisen; – durch regelmäßiges Mahlzeithalten; – durch Vermeidung von Ueberladung, sowie von zu heißen oder zu kalten Speisen und Getränken, von körperlichen und geistigen Anstrengungen, wie auch von Gemüthsbewegungen kurz vor und nach dem Essen; – durch Heiterkeit und Gemüthsruhe, Helligkeit und gute Luft im Zimmer während des Essens, – durch Trinken beim Essen.
4) Schädliche Stoffe sind beim Nahrungsgenuß zu vermeiden; wie:
a) verdorbene und verfälschte Nahrungsmittel (Käse- und Wurstgift, keimende Kartoffeln, Pilze, schlechtes Mehl, gefärbter Thee und Kaffee);
b) fremde Körper: Knochensplitter, Gräten, Kerne;
c) giftige Substanzen, vorzüglich Bleiweiß (durch Bleigeschirr oder schlecht glasirte, besonders töpferne Gefäße), und Grünspan (durch Kupfer- und Messiggeschirr), sowie giftige Farben, Fliegen- und Rattengift.
II. Der Verdauungs-Prozeß und Apparat sind (durch richtige Diät, Wärme und Bewegung in Ordnung zu halten.
1) Abhalten nachtheiliger Einflüsse von den Verdauungsorganen.
a) Zähne, Zunge und übrige Mundtheile bedürfen des öfteren und sorgfältigen Reinigens, sowie des Schutzes vor verletzenden und reizenden Eingriffen.
b) Der Magen darf nicht durch enge Kleidungsstücke eingezwängt, nicht mit einer zu großen Menge, besonders unverdaulicher, kalter und reizender Stoffe überladen werden.
c) Der Darmkanal ist vor zu starken Anhäufungen von Excrementen und Gasen zu bewahren (durch Klystiere), sowie durch Vermeidung von Erkältung (besonders des Bauches) vor Krankheiten zu schützen.
2) Der Speisedurchgang durch den Verdauungsapparat ist zu fördern:
a) durch gehörige Befeuchtung des Speisebreies und des Verdauungskanales (mittels reichlichen Trinkens);
b) durch Bewegungen, zumal durch solche, bei denen sich die Bauchwand spannt, sowie
c) durch kräftiges Ein- und Ausathmen
3) Der Unterleibsblutlauf (vom Verdauungsapparate durch die Pfortader zur Leber hin) ist zu unterstützen, außer durch die Förderung der Verdauungsbewegungen:
a) durch Verdünnung des Pfortaderblutes (reichlichen Wassergenuß);
b) durch kräftiges und tiefes Einathmen, wodurch das Blut aus dem Unterleibe in die Brust gezogen wird;
c) durch Bewegungen, welche eine Zusammenziehung der Bauchwand mit sich führen;
III. Uebergang der Nahrungsstoffe aus dem Verdauungsapparate in den Blutstrom, theils direkt in das Pfortaderblut und die Leber, theils durch Saugadern, Lymphdrüsen und den Milchbrustgang in die Hohlader (das rechte Herz und die Lunge).
1) Der Speisesaft muß den gehörigen Flüssigkeitsgrad haben (durch Verdünnung mit Wasser und Verdauungssäften), deshalb gehörig trinken bei und nach dem Essen.
2) Der Speisesaftfluß in den Saugadern ist zu befördern:
a) durch ordentliche Magen- und Darmbewegungen (s. vorher II. 2.).
b) durch kräftige Bauchmuskelzusammenziehungen und
c) durch tiefes Einathmen.
3) Der Unterleibs- und Leberblutlauf ist gehörig flott zu erhalten (s. vorher II. 3.).
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_076.jpg&oldid=- (Version vom 14.3.2023)