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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

statt. Diese Mauserstoffe werden im Blute unter Wärmeentwickelung vorzugsweise zu Harnstoff verbrannt und dann mit dem Harn aus dem Körper entfernt. Deshalb erhöhen Bewegungen die Körperwärme und vermehren den Harnstoffgehalt des Harns. –. b) Der Blutfluß zu den gebrauchten Theilen steigert sich; die Muskeln schwellen an, es tritt frische Ernährungsflüssigkeit in das Gewebe und dadurch kommt es zur Bildung neuer Muskel- und Nervensubstanz, welche nach und nach an Masse und Güte gewinnt.

Die Vortheile, welche Bewegungen haben, wenn sie dem Körper genau angepaßt sind, und mit dem richtigen Maß und Ziel, sowie mit der nöthigen Vorsicht angestellt werden, sind nach dem Gesagten etwa folgende: 1) die Willensthätigkeit des Gehirns lernt leichter und besser vor sich gehen, es bildet sich ein kräftiger Wille mit Unerschrockenheit aus. – 2) Das Gehirn wird von psychischem Drucke entlastet, in Folge der ableitenden Anregung seiner Willensthätigkeit. 3) Der Schlaf wird befördert, wegen Verbrauchs von Hirnsubstanz, die sich dann im Schlafe restaurirt. – 4) Die Muskulatur gewinnt an Stärke, Kraft, Ausdauer und Geschicklichkeit bei ihrer Thätigkeit, theils durch die bessere Ernährung, theils durch die Uebung derselben. – 5) Es wird Hunger und Durst erzeugt, in Folge des Verbrauchs von Muskel- und Nervensubstanz, sowie durch die Vermehrung flüssiger Absonderungen (besonders des Schweißes und Harnes). – 6) Die zur Unterhaltung der Ernährung (des Stoffwechsels) nöthigen Prozesse werden bethätigt, wie der Blutkreislauf, die Verdauung, der Speisesaft- und Lymphfluß, das Athmen, die Ab- und Aussonderungen, die Wärmeentwickelung. Es giebt kein besseres Mittel zur Hebung von Blutstockungen (Congestionen), Verstopfungen, von Unthätigkeit der Haut u. s. f. als zweckmäßiges Bewegen. – 7) Das Gerüste des menschlichen Körpers wird besser entwickelt; die Knochen werden stark und fest, die Brust- und Bauchhöhle gehörig umfänglich, die Wirbelsäule wohl gestaltet.

Die Nachtheile, welche Bewegungen dann haben können, wenn sie unzweckmäßig angestellt werden, sind folgende: 1) lähmungsartige Schwäche in Folge von Ueberanstrengungen. – 2) Widernatürliche Ernährung des Bewegungsapparates, die nur auf Kosten der Ernährung anderer Organe und besonders auch auf Kosten der Verstandes- und Gemüthsthätigkeit des Gehirns zu Stande kommt. – 3. Zu starker Blutverbrauch und deshalb Blutarmuth und Bleichsucht. – 4) Herzvergrößerung mit beschwerlichem Herzklopfen in Folge zu häufiger und starker Anregung der Herzbewegung. – 5) Widernatürliche Ausdehnung der Lungen mit Athembeschwerden durch unzweckmäige Brustübungen. – 6) Mißgestaltung des Körpers, wenn nur gewisse und nicht alle Muskelgruppen desselben richtig gebraucht werden. Die breitschulterigen, dünnbeinigen Turner, sowie die dickbeinigen und schmalbrüstigen Tänzerinnen beweisen dies.

Zweckmäßige Bewegungen, welche die oben aufgezählten Vortheile bringen, lassen sich nur dann anstellen, wenn man die Körperbeschaffenheit, die Lebensweise und gewisse Erscheinungen während des Bewegens gehörig beachtet. – a) Was die Körperbeschaffenheit betrifft, so ist hierbei vorzugsweise der Ernährungszustand, der Muskel- und Knochenbau, sowie die Blutmenge zu berücksichtigen. Es ist sehr nachtheilig, wenn sich magere, blasse, blutarme Personen dieselben Bewegungen zumuthen, wie robuste, denn sie müssen dadurch nur immer blutärmer werden. Kranke dürfen nie nach eigenem Gutdünken stärkere Bewegungen machen, sondern müssen sich immer erst einer genauen ärztlichen Untersuchung unterwerfen. – b) Die Lebensweise verlangt insofern Berücksichtigung, als die Kost, die Beschäftigung, das geschlechtliche Verhältniß von bestimmendem Einfluß ist. –. c.) Die Erscheinungen während des Bewegens, welche vorzugsweise in’s Auge gefaßt und zur Regulirung der Bewegungen benutzt werden müssen, sind: das Herzklopfen, welches nie zu schleunig und sehr stark sein darf; das Athemholen, welches weder jagen noch sehr kurz (oberflächlich) vor sich gehen sollte; die Gesichtsfarbe, wenn sie sehr roth (bläulich) oder bleich wird oder schnell wechselt; das Erhitztsein und Schwitzen der Haut, wenn es einen hohen Grad erreicht; unangenehme Empfindungen, von sehr großer Abspannung, Kopfschmerz, Schwindel, Brustbeklemmung u. s. f.

Im Allgemeinen lassen sich etwa folgende Bewegungs-Regeln geben: 1) Man entferne alle beengenden Kleidungsstücke während des Bewegens, vorzüglich enge Hals- und Brustbekleidungen. – 2) Alle Muskeln müssen geübt werden, deshalb sind alle nur möglichen Bewegungen in allen Gelenken des Körpers, natürlich in passender Abwechselung, vorzunehmen und nicht blos einzelne Muskelgruppen vorzugsweise auszubilden. Vorzüglich verlangen die Athmungs- und Bauchmuskeln die gehörige Bethätigung. – 3) Die Bewegungen sind nicht bis zur äußersten Ermüdung fortzusetzen; man höre damit auf, sobald das Ermüdungsgefühl unangenehm wird. – 4) Nach und zwischen den Bewegungen ruhe man ordentlich aus, bis das Ermüdungsgefühl verschwunden ist. – 5) Die Kraft und Dauer der Bewegungen ist nur ganz allmälig zu steigern, wenn die Muskeln durch lebhaftere Ernährung an Stärke richtig zunehmen sollen. – 6) Es ist bei und nach dem Bewegen auf gute Luft und kräftiges Athmen zu halten, da tiefes Ein- und kräftiges Ausathmen nicht blos auf den Luftwechsel in der Lunge, sondern auch auf den Blut-, Speisesaft- und Lymphlauf, sowie auf den Verdauungsprozeß Einfluß ausübt. – 7) Man passe die Bewegungen den Umständen an; sie sind zu mäßigen, wenn zu schnelles und starkes Herzklopfen, sowie kurzes und jagendes Athmen dabei eintritt, wenn sich widernatürliche und unangenehme Empfindungen (besonders Kopfschmerz und Schwindel, Blässe, Abmagerung, auffallender Farbenwechsel, starke Erhitzung und Schweißabsonderung einstellen. Ganz vorzüglich müssen Blutarme und Brustkranke mit großer Vorsicht Bewegungen vornehmen. – 8) Kurz vor und nach stärkern Bewegungen esse man nicht, weil dadurch der Verdauung Eintrag geschehen kann. – 9) Bei und nach dem Bewegen vermeide man Erkältungen, da diese Herzkrankheiten nach sich ziehen können..

In allen Lebensaltern sind passende Bewegungen des Körpers (gymnastische oder Turnübungen) von ausgezeichnet gutem Einfluß auf das Gedeihen unserer Gesundheit, abgesehen davon, daß sie den Körper auch wohlgestaltet, kräftig, dauerhafter und geschickt machen können. Aber freilich müssen die Bewegungen auch jedem einzelnen Körper richtig angepaßt werden, wenn sie nicht mehr Nachtheile als Vortheile bringen sollen. In den Händen von Turnfanatikern, welche meinen, der Mensch lebe nur um Turner zu sein, sowie unter Turnlehrern, die sich nicht um die Einrichtungen im menschlichen Körper bekümmern, werden Turnanstalten nun und nimmermehr zum Wohle der Menschheit beitragen. – Auch bei vielen Krankheitszuständen unterstützen geregelte Bewegungen die Heilung sehr bedeutend. Nur traue man den unwissenden, einseitigen, schwedisch-gymnastischen Charlatanen nicht, welche allen im kranken menschlichen Körper herrschenden Gesetzen zum Hohne, wo möglich jedes Uebel durch lächerlich benannte Turnübungen heben wollen. [Ueber diese Heilgymnastik und die Krankheitszustände, bei denen gewisse Bewegungen von Vortheil sind, soll ein späterer Aufsatz handeln.]

(B.) 




Amerikanische Briefe.

1. New-York.
(Schluß.)
Die Hotels. – Astor-House. – Die hingehauchten Damen und die hingeflegelten Herren. – Vergleich mit deutschen Mädchen. – Familienleben im Hotel. – Die Hotel-Telegraphen. – Das Militair des Hotelstaates. – Ihr Triumph im Wasch-Departement. – Die große Wasserkunst. – Der Luxus in Privatbauten und deren innere Einrichtungen. – Das Verdienst der Deutschen dabei. – 1400 deutsche Kneipen und zwei deutsche Theater. – Umgegend New-Yorks. – Das deutsche Dorf Morrisania. – Die Zukunft New-Yorks. – Die „fünf Punkte“ der Stadt und die „vier Punkte“ der europäischen Diplomatie.

Die Hotels von New-York sind nicht nur als Gebäude und Wirthschaften wahre Wunderwerke, sondern auch als eine ganz neue Formation des bürgerlichen und Familienlebens. Wir können hier nicht von Taylor’s Restaurant, dem gigantischen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_092.jpg&oldid=- (Version vom 15.6.2023)