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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

so werden sie gebadet, die Kleider werden in einer erhitzten Walze gedörrt und der Gefangene dem Arzt vorgeführt, bevor er in die Zelle quartirt wird. Untersuchungsgefangene und Gefängnißsträflinge dürfen ihre eigene Kleidung tragen; ich habe Wenige gesehen, die von diesem Rechte Gebrauch machten oder vielleicht machen konnten. Am Tage nach der Einlieferung beginnt früh die Vorführung vor den Director; es ist ein unangenehmer Anblick, wenn man sie mit den unsichern, umherschweifenden Augen vor der Thür des Vorführungszimmers in Reih und Glied aufgestellt sieht. Einer der Corridors im nördlichen Flügel ist durch ein eisernes, verschlossenes Gitter getheilt. Drüben liegen die Verhörzimmer des Stadtgerichtes, diesseits sind drei Aufseher postirt; einer öffnet und schließt das Gitter, die beiden andern nehmen die Requisitionen des Stadtgerichts entgegen, die sie als Quittung der Expedition überreichen, worauf dann die Gefangenen von ihnen am Gitter an die Boten des Gerichts abgeliefert werden. Am Tage, nachdem das Stadtgericht Session gehabt hat, sieht man viele Gefangene aus den Verhörzimmern kommen und den Aufsehern gedruckte und ausgefüllte Formulare überreichen. Man sieht es an den strahlenden Gesichtern, daß sie ihren Entlastungsschein haben und mit Ungeduld auf die Abfertigung warten.

Bei der Größe der Anstalt staunt man über die geringe Zahl der Beamten. Außer der Kasse, dem Directorial- und Expeditionsbureau sind noch zwei Inspectionen, die Polizei- und Oekonomie-Inspection und die Arbeits-Inspection vorhanden, dann die Hausvaterei. Einige dreißig Aufseher versehen den Tagesdienst; drei oder vier wachen des Nachts, unterstützt von einigen Militärposten in den Höfen. Die Anstalt ist auch des Nachts mit Gas erleuchtet. Im Winter wird sie mit Wasserleitung geheizt. Was aber irgend der Comfort erheischt, was die Rücksicht auf den Gesundheitszustand und die Sicherheit der Anstalt fordert, ist in ausgedehntestem Maße vorhanden. Man staunt auf Schritt und Tritt über die erfinderische Sorgfalt, die auch das Kleinste nicht außer Acht gelassen hat.

Ich bin in die Anstalt eingetreten mit dem Gefühl der Ueberraschung; mich schlug die Großartigkeit des Anblicks; aber es war die Großartigkeit menschlichen Elends, und so mußte ich gedemüthigt und beschämt davon schleichen.

Ich hasse den Communismus, die Gemeinschaft, die kein Princip der Gerechtigkeit kennt; aber das hier ist ein Icarien des Elends, eine Gemeinschaft des Verbrechens, vor der meine Seele scheu und stumm ihre Fittige einzog. Lange noch - auf den Wanderungen im Gebirge nagte ich an den ungelösten Fragen herum und fand nur Seufzer als Antwort. Dann aber kehrte das Vertrauen zu der ewigen Gewalt der Wahrheit und Schönheit zurück; und als ich auf den Höhen der Berge stand, träumte ich von den fernen Höhen der Menschheit, denen sie auf der stillen Bahn der Culturgeschichte unbekümmert um das Geschrei des Tageswerkes mit sicherem Tacte zuschreitet, und in einer schönen, wechselvollen Harmonie aller ihrer Glieder waren die Fragen gelöst, welche die Lapidarschrift jenes Gebäudes in mir beregt hatte.




Ein Jagdzug im Kaffernlande.
Nach Originalberichten eines Freundes mitgetheilt von Rudolf Just.

Mein Weg führte mich an den Ufern des großen Fischflusses in die Behausung des Häuptlings. Sie lag auf einer Anhöhe, von welcher ich eine überraschende Aussicht auf den in tausend Windungen sich durch die dunkelen Waldungen von Bananen und Mangobäumen anmuthig schlängelnden Fischfluß hatte. Dort hatte ich auch das Glück, die interessante Bekanntschaft John Harris, eines jungen Engländers zu machen. Wenige Menschen sind wohl mit dem wildromantischen Leben in den unermeßlichen Urwildnissen dieses Erdtheils, mit all seinen Leiden und Freuden so vertraut, als dieser berühmte Nimrod in den Felsengebirgen des Kaffernlandes, der mit dem mächtigen Königstiger, mit dem Löwen und Leoparden an den ungastlichen Ufern des Fischflusses siegreich kämpfte, und der mit den Pelikaren des gelbfluthenden Orange verfolgt wurde. Oft, wenn ich während meines längeren Aufenthaltes in jenem Lande von meinen Wanderungen ermüdet in das Kafferndorf zurückkehrte, begab ich mich in sein freundliches Palmenhüttchen und lieh mein Ohr seinen Erzählungen. Die interessantesten von Allen waren mir die Erinnerungen seiner Abenteuer, welche er in den Schneebergen erlebte. Sein Bild schwebt mir noch lebendig vor der Seele; noch sehe ich ihn vor mir sitzen, wie er mir seine seltsamen, anziehenden Geschichten mit harmloser Naivetät erzählte, wie sich seine sonst so finsteren Gesichtszüge auffallend erheiterten, wie er dabei seine europäische Stummelpfeife bedächtig aus der Rocktasche hervorzog – und ich gestehe, seine Lebendigkeit, welche oft wie ein Blitzstrahl aus heiterem Himmel in seine Gemüthsruhe hineinschlug, hatte für mich Etwas so Aufregendes, daß ich mich immer in jene Regionen versetzt wünschte. Eins von John’s Abenteuern mit den Kaffern ist so charakteristisch und einzig in seiner Art, daß ich es meinen Freunden in Europa nicht vorenthalten kann, und es möglichst treu aus seinem Munde wiedergeben will.

Das felsige Schneegebirge bildet nicht allzu weit von dem großen Fischflusse ein reizendes Thal, das gleich einer Oase in unwirthbarer Wüste mehrere tausend Fuß über dem Spiegel des Meeres, zu beiden Seiten von schroffen, schwarzen Felswänden bewacht, grüne, nahrhafte Gebirgsgräser, die herrlichste Vegetation in sich birgt. Platanen, die oft in den anmuthigsten Gruppen mit ihren schwanken Wipfeln stolz über ihre Umgebung hervorragend den Himmel zu berühren scheinen, die Baumwollenbäume, die zierlich gezweigt mit ihren abwechselnd zerstreuten Dickichten die junge Brut des kleinen „Okasi Vogels“ schirmend bewahren, die reizenden Weidenlauben, an denen Mutter Natur ihre Kunst so herrlich bewährt, und der fruchtbare Boden, auf dem sie so bereitwillig den Erdenbewohner beschenkt, – das sind die Schätze dieses abgelegenen Thales, durch welches die dunkelen Gewässer des großen Fischflusses sich gleich einem Lavastrome befruchtend hindurchschlängeln. Dieser Landstrich einem Paradiese gleichend, erfreut sich auch eines vortrefflichen, gesunden Klimas, und Hunderte von schwarzen Jägern wählen ihn während „der kalten Zeit“ zu ihrem Aufenthalt. Schwarze der verschiedensten Stämme, besonders aber die Fisch-Kaffern besuchen dieses Thal häufig, um mit den „weißen Männern“ jenseits des Flusses zu handeln. Dieser Kaffernstamm zeichnet sich vor den anderen rothhäutigen Bewohnern des Schneegebirges durch einen besseren Charakter auffallend aus; sie sind tapfer, kriegerisch, scharfsinnig und außerordentlich gastfrei. Ihre Fluren werden von zahlreichen Heerden, von Antilopen, Pferden, Schafen, Maulthieren und Hunden belebt, welche letzteren sie mästen, schlachten und als eine ganz besondere Delikatesse verzehren, weshalb sie auch von den anderen Stämmen „Kaurácki’s,“ d. h. „Hundefresser“ genannt werden.

Von den schönen Mädchen, welche sich in dem Thale niederlassen, wenn die Kaffern mit den „weißen Männern“ zu handeln kommen, war Koremba, eine zarte, junge Kafferin, die Auserwählte, welche John Harris bei seinem ersten Begegnen in sein Herz geschlossen hatte; man konnte auch nichts Holderes, Anmuthigeres, Lieblicheres sehen, wie er sagte, als dieses Naturkind, und so mancher Sohn der Wildniß mochte wohl oft zu tief in ihre schwarzen, schalkhaften, aber von Liebe und Seligkeit glänzenden Augen hineingeschaut haben – und so war auch der junge John, welcher ein Weltkind von höherem Range, seinen heimathlichen Herd verlassen, und den Freuden und Annehmlichkeiten des civilisirten Lebens Valet gesagt hatte, um sich eine schöne Bewohnerin der Wildniß zu holen, zu dem festen Entschluß gekommen, dieses schöne Kind für sich zu erobern.

Während das blutige Jagdhandwerk mehrere Monate im Jahre ruht, ist Trägheit an der Tagesordnung; die Jäger suchen Kurzweil und Vergnügen jeder Art in den Hütten und Behausungen ihrer dunkleren Nachbarn, und es beginnt eine lange ununterbrochene Reihe von Festlichkeiten: die schöne Welt tanzt, und manches Herzchen geht verloren, wenn die niedlichen Füßchen den grünen Boden schlagen; denn die jungen Jäger richten ihr Geschoß auf die jungfräuliche Schaar und begleiten den Tanzreigen mit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_158.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)