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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

die Darmbewegung in stärkerem Grade erregen, als die warmen, doch weniger als diese zu empfehlen, weil die Kälte leicht Darmkatarrh und ruhrartigen Zustand (selbst Bauchfellentzündung) erzeugen, sowie eine zu heftige Reizung der Darmnerven (besonders bei reizbaren Personen) veranlassen kann. Eröffnende Klystiere sind Abführmitteln immer weit vorzuziehen, weil sie dem bei der Verstopfung schuldigen Theil, dem Dickdarme nämlich, unmittelbar zu Leibe gehen, während Abführmittel den ganz unschuldigen Magen und Dünndarm maltraitiren und, wenn sehr reizende Purganzen öfterer eingenommen werden, den Magen endlich durch chronischen Katarrh ganz ruiniren, ja sogar verhärten. Bei der Verstopfung kleiner Kinder sind Klystiere ganz unentbehrlich und Abführmittel durchaus zu vermeiden. – Wassereinspritzungen in den Dickdarm können nun auch zu dem Zwecke angewendet werden, um Wasser in das Blut des Unterleibes zu schaffen, dieses dadurch flüssiger zu machen, und so den sogenannten Pfortaderstockungen (Unterleibsbeschwerden; s. Gartenlaube Jahrg. II. Nr. 18) entgegen zu treten. Damit aber das eingespritzte Wasser auch von den Blutgefäßen aufgesogen werde, darf man nur eine kleinere Quantität (4 bis 5 Unzen) desselben, aber öfterer und von lauwarmer Temperatur einspritzen, und muß dasselbe bei sich zu behalten lernen. Bei dieser Wassereinfuhr, welche Allen zu empfehlen ist, die zu wenig Flüssiges zu sich nehmen (wollen oder können), gelangt natürlich ein Theil des Wassers auch in die Saugadern des Dickdarms und vermag so den Speisesaft flüssiger zu machen. Das Einführen von flüssigen Nahrungsstoffen (wie Milch, Fleischbrühe, Eiflüssigkeit) mittels der Spritze in den Dickdarm, damit dieselben daselbst aufgesogen werden und zur Ernährung des Blutes und Körpers dienen, wird bisweilen in den Fällen angewendet, wo die Aufnahme von Nahrung von oben durch irgend welche Umstände behindert ist. Leider ist diese Art der Ernährung des Körpers nicht hinreichend zu seinem ordentlichen Bestehen. – Arzneistoffe, im Lavement beigebracht, können manchmal von besserer Wirkung sein, als wenn man sie einnimmt. Gewöhnlich werden schmerz- und krampfstillende, oder erregende Medicamente auf diese Weise in den Körper (das Blut) gebracht. – Bei Krankheiten des Dickdarmes, besonders bei ruhrartigen Processen mit Kolik und Durchfall, sind lauwarme Klystiere anfangs von schleimigen oder öligen Flüssigkeiten (Stärke, Reis- oder Hafergrützschleim, Oel), später von heilsamen Arzneimitteln (Höllensteinlösung) ganz unentbehrlich. Ebenso wenig können sie bei Blinddarmentzündungen, Mastdarmkrankheiten, gewissen Wurmbeschwerden entbehrt werden. – Wärme oder Kälte durch Wasserklystiere zunächst auf den Dickdarm und dann mittelbar auch auf dessen Nachbarorgane applicirt, kann Hülfe bei Eiterungen, Schmerzen, Blutungen und manchen andern krankhaften Zuständen der Unterleibsorgane schaffen.

Das Einführen luftförmiger Stoffe von unten in den Darmkanal dürfte, obschon es von Seiten der Aerzte nicht gar häufig geschieht, doch in vielen örtlichen und allgemeinen Leiden von größerm Vortheile sein, als das Einnehmen von Medicamenten, die ja zunächst immer den armen, am Kranksein sehr oft ganz unschuldigen Magen turbiren. So könnte schon die eingebrachte atmosphärische Luft bei Solchen, deren Därme (Leib) wegen Gasmangel sehr zusammengefallen sind, mancherlei Beschwerden heben. Denn man bedenke, daß die Darmgase ganz nothwendig nicht nur für die Verdauung sind, sondern auch für das Athmen, für die Aufrechterhaltung des Rumpfes und für alle Entleerungsakte (wie Stuhlgang, Urinlassen, Erbrechen, Husten, Gebären). Durch sie werden nämlich die Därme in ein elastisches Luftkissen verwandelt, welches vom Zwerchfelle und den Bauchmuskeln leicht zusammen gepreßt werden und so den genannten Processen dienen kann. –

Irrigateuer.
a. Oeffnung zum zum Eingießen der Flüssigkeit.
b. Dreher zum Aufwinden des Kolbens.
c. Spitze.

Reizendere Luftarten (wie Kohlensäure, Tabaksrauch etc.) sind nicht selten schon dazu mit Glück benutzt worden, um lebensgefährliche falsche Lagerungen der Därme (wie Verwickelung, Einschiebung, Einklemmung) zu heben, indem man dieselben zu heftigern Bewegungen anregte. – Sicherlich würde auch das Einführen reiner Lebensluft (des Sauerstoff) in den Dickdarm Vortheile bieten können, z. B. eine schlechte Beschaffenheit des Blutes (zunächst natürlich des Unterleibsblutes) baldigst zu heben vermögen, zumal wenn die Thätigkeit der Lungen (die Sauerstoffaufnahme) verringert wäre. Doch hat Verf. hierüber noch nicht hinreichende Erfahrungen, und von Seite der praktischen Aerzte, die ja fest an der alten Arzneimittellehre und an Recepttaschenbüchern halten, werden nicht gern rationelle (physiologische) Versuche angestellt. – Vielleicht ließen sich auch Gase, welche man nicht ohne großen Nachtheil einathmen kann, als gute Gegengifte bei Vergiftungen in den Darm einklystieren; z. B. Chlor bei Vergiftungen mit Blausäure und Schwefelwasserstoff u. s. f.

Als An- und Aussaugungsapparat ist die Klystierspritze allerdings in weniger Fällen anwendbar, wie als Injectionsapparat. Jedoch kann sie auch als solcher dadurch heilsame Wirkung, und zwar ziemlich schnell, äußern, daß sie die übermäßige Anhäufung von Gas im Darme (also die Blähungsbeschwerden) leicht zu mindern vermag. Auch könnte die Saugkraft der Spritze noch zu manchen andern Heilzwecken verwendet werden. Kurz die Klystierpritze ist nicht nur in der Gegenwart schon als einer der besten Heilapparate anzuerkennen, ihr stände auch noch eine große Zukunft bevor, wenn nur die Heilkünstler erst weniger mit Heilmitteln in Schachteln und Flaschen heilkünsteln wollten.

(Bock.) 




Nasmyth’s Dampf-Eisenhammer.

In den Artikeln, „Die Wissenschaft im Kriege“ und „Schwimmende Batterien gegen Kronstadt" haben wir bereits auf den Halbgott unter den englischen Eisen-Rittern aufmerksam gemacht, Nasmyth mit seinen dreitausend Arbeitern und seinem wissenschaftlichen und praktischen Commando über das Gold der Civilisation, das Eisen. Leider arbeiten jetzt seine Dampfarme mehr für zerstörende, als produktive Zwecke. Er schmiedet Kanonen, in deren Kalibern man sich bequem eine Schlafstelle zurecht machen kann, mehrere Zoll dicke Eisenwände für schwimmende Batterien, gleichsam Dächer und Ziegel für die neuen undurchdringlichen, bombenfesten Schiffs-Festungen, von denen die baltische Flotte schon einige mitnahm, und hat für seine Armee von Arbeitern überhaupt alle Hände voll für Kriegszwecke zu tun. Außerdem ist noch die ungeheuere Eisengieß- und Schiffs-Schmiedeanstalt der Herren Mare in Blackwall bei London mit 2600 Arbeitern für Kriegsschiffe und Kriegszwecke im Allgemeinen beschäftigt, so daß man immer wieder von den friedlichen Gedanken, denen man sich so gern im Schatten kühler Denkungsart und der wiener Conferenzen hingab, abgeleitet wird.

Dies soll uns jedoch nicht abhalten, diesem Ritter der Eisen-Industrie und besten Repräsentanten der Aristokratie von Jung-England und seiner Thätigkeit Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Wir sehen uns hiermit seinen berühmten Dampfeisenhammer an, wie er eben die Platten für schwimmende Batterien schmiedet, mathematisch genau bestimmte Eisenkleidungsstücke, von denen jedes 60–100 Centner wiegt. Diese ungeheuern Platten werden aus kleineren, die unter dem Tilt-Dampfhammer (der wie ein Handhammer arbeitet) entstehen, zusammengehauen. Der große nasmyth’sche Dampfhammer, wie er sich als ungeheures viereckiges Stück Eisen in seiner flaschenartigen Umkleidung darstellt, wird durch einen Kolben von 600 Pferdekraft in die Höhe gehoben und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_277.jpg&oldid=- (Version vom 23.5.2023)