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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Nach der Schlacht an der Traktirbrücke.

(Mit Abbildung.)

An der Traktirbrücke, unweit Sebastopol, wurde nochmals eine Schlacht geschlagen, und von Neuem trank der unersättliche Boden Blut in Strömen. Glücklich sind die Todten! Im Kampfe zu sterben ist nichts; grauenhaft aber ist es, verwundet zu sein, doppelt grauenhaft, den brennenden Schmerz fürchterlicher Wunden tragen zu müssen, ohne die Entscheidung näher gerückt zu sehen, einen nutzlosen Sieg erkämpft zu haben oder gar geschlagen zu sein. Da liegen sie umher auf dem Schlachtfelde, das man „ein Feld der Ehre“ nennt, jammernd und hülflos, denn obwohl namentlich bei den Alliirten viel gethan worden ist, die Verwundeten bald aufzusuchen, fortzuschaffen und ihnen Linderung zu bringen, so reichen die Anstalten doch meist nicht aus, den Hunderten, ja Tausenden, sofort die nöthige Pflege und Hülfe zu bringen, und Viele haben es nur dem Mitleid und der aufopfernden Freundschaft von Kameraden zu danken, daß sie, auf dem Schmerzensfelde verschmachtend, unbeachtet und vergessen nicht liegen bleiben. Ein Schlachtfeld nach der Schlacht macht eines Theils durch den Anblick so vieler Hunderter von Verstümmelten und Blutenden einen herzzerreißenden Eindruck, durch die zahllosen Beispiele aufopfernder Nächstenliebe aber auch einen erhebenden, denn mit der zärtlichsten Sorgfalt nehmen sich die Gesunden der verwundeten Kameraden an; trotz eigener Ermattung stützen und tragen sie Unglückliche, und ruhen nicht, bis sie dieselben an einen sichern Ort gebracht haben. Unser Bild läßt uns einen Blick thun in solche Scenen des Leidens und Mitleidens, und es zeigt uns zugleich eine der Vorrichtungen, deren man sich zum Fortschaffen Verwundeter bedient. Es sind dies eine Art Stühle, welche von Pferden, Maulthieren u. s. w. getragen werden und auf die man die Verunglückten setzt und legt. Außerdem haben aber die Engländer namentlich dazu besonders gebaute leichte Krankenwagen, die in der Nähe der Schlachtfelder halten, und in die man die Verwundeten legt, um sie ohne viel Rütteln nach den Hospitälern u. s. w. zu befördern. Noch zahlreicher sind zweckmäßig eingerichtete Wagen mit gepolsterten Lehnen, auf denen man Verwundete fortträgt. Aber alle diese Mittel reichen noch nicht aus und wenn Wagen und Wege fehlen, werden Verwundete auf Gewehre, auf Stangen u. s. w. gesetzt und in dieser Weise von den Kameraden hinweggebracht.

Für die Russen, die auf den Schlachtfeldern bluten, ist noch weit weniger gesorgt. Was diese erleiden, ist gar unsäglich, wie ein Lied einigermaßen andeutet, das nach einer bekannten russischen Melodie gesungen wird und in dem es auch heißt:

„Müd’ sind wir all’ und satt des langen Lagerns,
Der bösen Fieber und der feuchten Nächte.
Die Meerburg sollen wir dem Kaiser schirmen.
Viel Frost ist dort und Hunger auch zu dulden,
Und Seuch’ und Durst und manches andre Elend,
und nackt sind wir und barfuß! …
Da liegen wir in unserm Blut gebadet,
Vom Meeresstrand bis hin gen Inkermann,
Ein Jeder statt verheißne Heiligthümer
Des Morgenreifes Schimmer in den Haaren,
und an der Brust anstatt der goldnen Orden
Den rothen Stern von einer Todeswunde!“ etc.




Kulturgeschichtliche Bilder.

Von Prof. Biedermann.
VIII.
Schriftstellerverhältnisse im vorigen Jahrhundert.[1]

Wir führen den Leser heut in das geistige Leben einer frühern Zeit ein, oder vielmehr vor der Hand nur in dessen Vorhof, indem wir ihn mit den äußeren Verhältnissen dieser Vorbedingung geistiger Produktion, der Schriftstellerei, bekannt machen. Werfen wir zuerst einen Blick auf die Honorarverhältnisse jener Zeit, also auf den Preis, den man damals für die geistige Arbeit des Schriftstellers zahlte. Im Ganzen finden wir dabei eine ähnliche Erscheinung, wie auch heut, große Schwankungen in den Verkaufspreisen dieser geistigen Waare, ziemlich niedrige neben überraschend hohen Honoraren; wir finden ferner, daß im Allgemeinen der Durchschnittssatz der Honorare in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ein bedeutend höherer ist, als in der ersten, jedenfalls ein Zeichen gesteigerter Theilnahme des Publikums und dadurch vermehrten Absatzes der Schriftwerke. In seiner höchsten Potenz würde dieser Unterschied ausgedrückt sein, wenn wir den angeblichen Honorarsatz von vier guten Groschen für den Bogen, welchen Gellert für seine Fabeln bekommen haben soll, mit den tausend Thalern in Gold zusammenstellten, welche Goethe für sein Gedicht: „Herrmann und Dorothea“ wirklich erhalten hat. Allein das Erstere ist wohl selbst eine Fabel, bedarf wenigstens, so viel uns bekannt, erst noch der Bestätigung.

Wir wollen jetzt aber eine Anzahl wirklich vorgekommener Honorarsätze, für deren Richtigkeit wir bürgen zu können glauben, behufs einer Vergleichung dem Leser vorführen.

Am Anfang des Jahrhunderts begegnen wir in dem Gottsched’schen Briefwechsel der Zuschrift eines Candidaten Stoppe an Gottsched, worin ersterer diesen vielvermögenden Protector junger literarischer Talente um seine Vermittlung zur Unterbringung eines Bandes Poesien, „Sonntagscantaten“, ersucht, die später auch wirklich gedruckt worden sind. In Betreff seiner Honorarforderung schreibt er: „er fürchte nicht gewinnsüchtig zu erscheinen, wenn er für den Bogen einen Thaler fordere.“ Ebendort finden wir einen Brief des Professors Pietsch in Königsberg an Gottsched in einer ähnlichen Angelegenheit. Pietsch gehörte oder rechnete sich wenigstens schon zu den bedeutenderen Dichtern seiner Zeit; er fordert vier Thaler für den Bogen und setzt mit Selbstgefühl hinzu, „für weniger als drei Thaler schreibe er nicht.“ Dagegen erfahren wir aus der gleichen Quelle, daß der Satyriker Neukirch (allerdings noch eher ein wirklich dichterisches Talent, als Pietsch) nicht unter einem Louisd’or für den Bogen erhalten habe. Was Gottsched selbst bekommen haben mag, wissen wir nicht; es wird für jene Zeit gewiß nicht wenig gewesen sein, da Gottsched sich rasch einen bedeutenden Ruf zu machen verstanden hatte. Diesen wußte er auch noch auf andere Weise, als durch Verwerthung seiner Geistesprodukte an den Buchhändler, für sich nutzbar zu machen. Wir begegnen hier einem Verhältniß, welches nach unsern heutigen Begriffen an einem Manne von der Bedeutung und Stellung Gottsched’s ganz sonderbar auffallen muß, damals aber sowohl von ihm selbst als von seinen Verehrern höchst unbefangen behandelt worden zu sein scheint. Gottsched’s kritische Meisterschaft ward von den verschiedensten Seiten her in Anspruch genommen, besonders von jungen angehenden Schriftstellern, welche die Erstlingserzeugnisse ihrer Muse ihm einzusenden, sein Urtheil darüber, auch wohl Verbesserungen von seiner Hand sich zu erbitten, daneben seine Vermittlung für Veröffentlichung derselben anzugehen pflegten. Da war es denn nun, wie man aus mehreren Stellen des erwähnten Briefwechsels ersieht, eine hergebrachte und bekannte Sache, für derartige Bemühungen dem Professor Gottsched ein bestimmtes Honorar oder, wie es delikat ausgedrückt wird, eine „Erkenntlichkeit“ entweder gleich mit dem Manuscript oder nach Erledigung des an ihn gerichteten Gesuches einzusenden. Vier Dukaten scheinen der gewöhnliche Preis für die Durchsicht und Druckbeförderung eines Bandes von Gedichten gewesen zu sein.

Wir haben bisher von Honoraren für schöngeistige Werke gesprochen;


  1. S. Nr. 5 und 28 d., Nr. 32, 38, 42, 47, 52 d. vor. Jahrgangs.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 462. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_462.jpg&oldid=- (Version vom 3.7.2023)