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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

verwahrt, so daß es der Nachforschung der wilden Thiere, oder wohl selbst auch der Schlauheit der Indianer verborgen blieb. Zu diesen Vorräthen konnte er jederzeit, wenn Mangel eintrat, seine Zuflucht nehmen, um die Blockhäuser mit Lebensmitteln zu versorgen.

Seine Kenntniß von dem Indianerleben und sein Selbstvertrauen waren von der Art, daß er häufig allein jagte, selbst wenn er auch aus den Spuren, die ihn umgaben, recht gut erkennen konnte, daß Indianer auf demselben Gebiete jagten. Der stolze Jäger wollte nicht weichen, sondern es mit seinem rothen Feinde kühn aufnehmen.

Einst traf er bei einer solchen Gelegenheit eine Anzahl schöner Hirsche, die in der Nähe des Kentuckyflusses auf einer kleinen Waldblöße weideten. Er hatte sich schon mit großer Vorsicht genähert, um zum Schusse zu kommen, und nachdem er den erwünschten Punkt erreicht hatte, kniete er hinter einen Baum und war im Begriff, seine Rifle anzulegen und das Wild auf’s Korn zu nehmen, als der Bock des Rudels plötzlich seinen Kopf erhob und jenes eigenthümliche, gellende Pfeifen hören ließ, welches andeutet, daß Gefahr gewittert wird.

Harrod war ein zu erfahrener Jäger, als daß er nicht aus der Richtung, nach welcher der Hirsch seinen Kopf wendete, augenblicklich erkannt hätte, daß außer ihm selber noch ein anderer Feind in der Nähe war. Er lauschte unbeweglich und mit angehaltenem Athem, bis im nächsten Augenblicke beim Krachen einer Büchse von der entgegengesetzten Seite der Waldblöße der Bock in die Höhe sprang und dann todt zu Boden fiel.

Harrod’s Büchse entlud sich so unmittelbar darauf, daß ihr Knall nur eine Verlängerung des ersten zu sein schien; es sank eine edlere Beute in den Staub; die Kugel des Jägers hatte das stolze Herz eines Shawanee-Häuptlings getroffen, der sich aus seinem Verstecke vorgebeugt hatte, um zu feuern. Harrod wußte es schon seit mehreren Tagen, daß eine Jagdschaar der Shawanee in der Nähe war.

Ein andermal war er ziemlich daran, seiner auserwählten Beute zu unterliegen. Er befand sich auf einer großen Büffelfährte, die nach Blau-Licks führte, und hatte schon seit mehreren Tagen mit großem Erfolge gejagt, ohne irgend eine Spur von Indianern bemerkt zu haben. Ein Stier, den er verwundet hatte, war einige Meilen weit von seinem Rudel hinweggeeilt, und stand jetzt zum Kampfe auf Leben und Tod bereit in einem dichten Walde; Harrod war genöthigt, sich ihm mit der größten Vorsicht zu nähern, denn das Thier war jetzt, wie dies bei einer schweren Verwundung immer der Fall ist, äußerst gefährlich.

Harrod hatte kaum seine Stelle eingenommen, und war im Begriff zu schießen, als er einen Krieger erblickte, der, hinter einen Baum stehend, auf ihn selber angelegt hatte. Er schoß, denn es war zu spät, dies zu unterlassen, fiel aber in demselben Augenblicke wie von einer Kugel getroffen zu Boden. Der Krieger schoß natürlicher Weise, und seine Kugel fuhr durch Harrod’s Wolfsfell-Mütze, indem er fiel. Er blieb ganz still liegen, während der Indianer, nachdem er seine Flinte wieder geladen hatte, denn dies thut der Indianer stets, ehe er seinen Versteck verläßt, jetzt auf ihn zukam, um des erlegten Feindes Schädelhaut zu gewinnen. Aber er näherte sich mit charakteristischer Vorsicht, und als er endlich, von Baum zu Baum springend, seine Beute erreicht hatte und sah, daß der Körper völlig still und regungslos dalag, sprang er mit dem Skalpirmesser in der Hand auf ihn zu; kaum aber hatte er sich gebückt, um die Skalplocke zu erfassen, als er blitzschnell von Harrod’s langen und mächtigen Armen umschlungen und in dieser herkulischen Umarmung ohnmächtig zu Boden geschleudert, so daß er im nächsten Augenblicke unter seinem Feinde lag.

Man erzählt sich von seiner persönlichen Tapferkeit noch eine andere ziemlich ähnliche Anekdote, die in Kentucky zu den allgemeiner verbreiteten Geschichten gehört, anderwärts aber noch nicht bekannt sein dürfte.

Die Shawanees hatten nämlich mehrere Angriffe auf Boone’s Station unternommen, gegen welche Ansiedlung sie überhaupt stets die bitterste Feindseligkeit bewiesen hatten, ohne Zweifel, weil sie die erste weiße Niederlassung in diesem Lande gewesen war. Boone war mit dem größten Theile der Männer der Station eben abwesend, und befand sich bei den Salzquellen, um Salz zu gewinnen. Die Indianer hatten das Vieh der Ansiedlung getödtet, ihre Jäger hineingetrieben und die Vorräthe der Station so sehr geschmälert, daß die kleine Besatzung sich in der größten Verlegenheit befand.

In dieser Bedrängniß erschien plötzlich und ganz unerwartet James Harrod, von einem seiner längeren Ausflüge zurückkehrend. Als er sah, wie die Dinge standen, machte er zunächst einigen der zurückgebliebenen Männer den Vorschlag, ihn nach einer seiner nächsten Fleischniederlagen zu begleiten. Das Unternehmen war höchst gewagt und gefährlich, und Harrod erkannte aus dem unschlüssigen Zögern der Leute, daß sie eben keine sonderliche Lust hatten. Er verließ daher die Station in derselben Nacht allein und sagte den Frauen beim Abschied, daß sie guten Muthes sein möchten, da er ihnen Fleisch bringen würde.

Er fand, daß das Wild am Morgen sehr scheu und schüchtern war, und da es rings umher nicht an Indianerspuren fehlte, so beschloß er, das erste Fleisch, das er erlangen konnte, zu erbeuten und damit so schnell als möglich nach dem bedrängten Fort zurückzukehren. Bald erreichte er ein Rudel Hirsche, die sich ganz so bewegten, als wären sie eben erst gestört worden, und sich noch immer umsahen. Dies war für Harrod eine Mahnung zur Vorsicht. Bald nachher führte ihn sein Weg über eine Spur, aus welcher er schließen zu können glaubte, daß mehrere Indianer ganz in der Nähe wären. Der verwegene Jäger fragte nicht nach der Ueberlegenheit des Feindes, sondern beschloß kaltblütig, einen jener Hirsche zu gewinnen oder seine Schädelhaut zu verlieren, und hinsichtlich des Letzteren war ziemlich große Wahrscheinlichkeit vorhanden.

Für jeden anderen wäre dies thörichte Verwegenheit gewesen, für Harrod war es seine Sache, die sich von selbst verstand. Noch nie hatte er sich durch die Rothhäute von seinem Pfade ablenken lassen und hatte nicht die Absicht, hierin jemals eine Ausnahme zu machen. Auch er machte Anspruch auf diese Jagdgebiete, jenes Rothwild war auch das seinige, wenn er es erbeuten konnte, und erbeuten wollte er es.

Seine Vorsicht wurde nicht wenig vermehrt, als er auf der Spur des Hirsches Fußtritte von Moccassins bemerkte. Die Indianer waren demnach vor ihm und er konnte jeden Augenblick auf sie stoßen. Dies schreckte ihn nicht ab, denn er erkannte auf den ersten Blick seinen Vortheil, da er den Indianern, diese aber dem Hirsch auf der Spur waren, und wie aus der Sorglosigkeit ihrer Fährte sich schließen ließ, die Nähe des weißen Feindes keineswegs ahneten. Er hatte sie auf diese Weise mehrere Meilen weit verfolgt und war dabei vorsichtig wie bei einem Waldkampfe von Baum zu Baum geschlüpft.

Das plötzliche Pfeifen eines Hirsches und zwei augenblicklich darauf folgende Büchsenschüsse ganz dicht zu Harrod’s linker Seite waren für ihn eine Mahnung, daß der Augenblick der That gekommen war. Die Indianer hielten sich zurückgezogen, und als Harrod vorsichtig hinter einem Baume hervor zu schauen wagte, um sich nach ihnen umzusehen, zischte von seiner rechten Seite her eine Büchsenkugel durch das dicke schwarze Haar, das über seine Schultern fiel und streifte scharf und stechend seinen Hals. Er bückte sich augenblicklich nieder, und es war lange Zeit wieder todtenstill, denn die Indianer zur Rechten hatten den Wink beachtet und blieben im Hinterhalte, während der Indianer zur Rechten dasselbe that, seine Büchse wieder lud und eine neue günstige Gelegenheit erwartete.

Auf zwei Seiten, vielleicht auf allen Seiten belagert zu sein, wäre für jeden gewöhnlichen Menschen jedenfalls eine bedeutende Klemme gewesen. Aber nach dem, was man von Harrod’s Charakter weiß, möchte ich fast vermuthen, daß ihm diese Verlegenheit Vergnügen machte; es war ganz eine jener bösen Lagen, in welche er sich gerne verwickelte, blos weil es ihm Vergnügen machte, sich wieder heraus zu winden.

Der Fuß des Baumes, an welchem er kauerte, war von ungefähr drei Fuß hohem Gebüsch und Strauchwerk umgeben, und Harrod mußte seinen Kopf erheben, ehe er feuern konnte. Er trug wie gewöhnlich seine berühmte Wolfsfell-Mütze, und nachdem er sich nach hinlänglichem Warten überzeugt hatte, daß keine Aussicht vorhanden war, daß der vorsichtige Feind sich blicken lassen würde, steckte er sie auf die Mündung seiner Büchse und schob sie, nachdem er durch einige Bewegung in dem Busche den Indianern angedeutet hatte, daß er unruhig wurde, langsam und vorsichtig empor.

Fast gleichzeitig entluden sich drei Büchsen, als die Mütze sich über den Busch erhob, und ehe das Echo verhallt war, folgte ihm

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 474. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_474.jpg&oldid=- (Version vom 6.7.2023)