Seite:Die Gartenlaube (1855) 538.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

und fielen wie Raben über das Anschwimmende her, um soviel als möglich davon zu retten, d. h. zu stehlen. Ich wendete mit Ingrimm die Augen von dieser neuen Scene ab, welche das Amerikanerthum charakterisirt, und fuhr unserm fernen Ziel entmuthiget und verstimmt entgegen.

Von dem Schicksale unserer Gefährten in jener grauenvollen Nacht habe ich nie wieder etwas gehört. Was mag aus der armen Baierin, aus dem Mann mit den beiden Kindern geworden sein!


Blätter und Blüthen.

General Bosquet, dessen Portrait wir heute geben, ist kein Freund des jetzigen Kaiserthums. Als die Revolution von 1848 ausbrach, war der General einer der ersten Oberoffiziere, die sich bestimmt für die Republik aussprachen. Als Ludwig Napoleon Frankreich das „Ja“ oder „Nein“ vorlegte, stimmte General Bosquet mit seiner ganzen Division „Nein“. Das war muthig und gab ihm einen Namen in der ganzen Armee. Für den Augenblick jedoch verminderte es die Chancen seiner Laufbahn, er ward in Disponibilität versetzt und war zu eben so tiefer Zurückziehung verwiesen, wie Cavaignac. Als die Expedition nach dem Osten entschieden war, dachte man, er werde entfernt bleiben. Aber General Canrobert stellte dem Kaiser vor, daß sein Freund Bosquet ein bewunderungswürdiger Soldat, wenn auch ein schlechter Politiker sei, und daß seine Opposition gegen die neue Dynastie mit seinem Votum geendet habe. Der Kaiser verlieh edelherig eine Division an Bosquet. Die Armee freute sich, und seit dem Beginn des Krieges hat er sich unaufhörlich ausgezeichnet. Er war es, der bei der Landung der Franzosen in Gallipolis das Staunen der Engländer über sein Organisations-Genie erregte, die mißvergnügten Türken maßregelte, durch Verbreitung seiner Zuaven über die Gegend ein Kommissariat improvisirte, Straßen anlegte, benannte, für ihre Reinigung sorgte, Postämter, Cafés, Restaurants herstellte u. s. w. An der Alma und bei Inkerman, wie beim letzten Sturm, wollte es sein Stern, daß er das entscheidende Gewicht in die Schale warf. Bei Alma überflügelte er zuerst am äußersten rechten Flügel die Russen und erschütterte sie; bei Inkerman kam er den Engländern mit 6000 Mann zu Hülfe und warf die Russen. Dem unglücklichen Sturm auf den Malakoff am 18. Juni war er fremd, da er zwei Tage zuvor von Pelissier an die Tschernaja entfernt worden war; das Mißlingen schrieben die Soldaten nachher gerade diesem Umstande zu. Wie dem auch sei, seine Lorbeeren blieben hierdurch unversehrt. Am 8. September hat er mit Mac Mahon, dem französischen General von irischer Abkunft, den Malakoff erstürmt, und sein Name wird in der Geschichte Frankreichs als erster in diesen Sieg verflochten bleiben.




Canrobert. Ein Freund, der kürzlich in Paris war und Gelegenheit hatte, den frühern Generalissimus der orientalischen Armee zu sprechen, schreibt uns:

Er hat kein ansprechendes Aeußere, ist ein kleiner Mann, der wie ein Korporal aussieht und auch die Manieren eines solchen hat, trotzdem aber in dem Salon vor geistreichen Damen den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit bildet. Canrobert äußerte über die Ausfälle der Russen, welche vom militärischen Gesichtspunkte doch sehr lästig und hindernd für den Fortschritt der Belagerungsarbeiten genannt werden mußten. „Die Russen haben uns keinen größern Gefallen thun können. Ohne diese steten Angriffe, die unsere Truppen in Thätigkeit halten und sie durch kleine Erfolge auffrischten, wären sie in der Erschlaffung langer Thatlosigkeit moralisch ganz untergegangen und die Expedition würde uns vor ganz Europa zu Schanden gemacht haben.“ – Die Richtigkeit dieser Bemerkung wird man gewiß zugeben.




Ludwig Tieck, als er in Karlsruhe war, wünschte den rheinischen Hausfreund, den bekannten allemannischen Dichter Hebel kennen zu lernen.

Wer Hebel recht kennen lernen wollte, that am Besten, ihn im Wirthshause aufzusuchen, wo er bürgerlich bei Bier und Pfeife Abends zu sitzen pflegte. Er fand den schlichten, kindlichen Mann wieder, den er aus den Gedichten kannte. In der Unterhaltung kam man auf die Anekdoten des „Rheinischen Hausfreundes.“ In zutraulichem Tone fragte Tieck: „Aber, lieber Mensch, warum schreiben Sie denn nicht mehr solche hübsche Sachen?“ Mit naiv trocknem Tone anwortete Hebel: „Jo, i wees nischt mehr.“




Blumen-Gerüche. Man schätzt und liebt Blumen nach Gestalt, Färbung und Geruch. Letzterer ist jedenfalls ihre schönste, ätherischste, lieblichste Tugend. Was ist ihr Geruch? Ihre Seele, die sie für uns aushauchen? Die Naturwissenschaft ist nicht so poetisch und weis’t gewöhnlich als Quelle des Geruchs ein ätherisches, flüchtiges Oel nach, das sich künstlich verdichten und mischen und in wohlriechenden Wassern und Spirituosen die kostbarsten Namen geben läßt. Manche Blumengerüche sind freilich so geisterhaft, daß sie sich bis jetzt auf keine Weise einfangen lassen. Hier ist wohl die Vermuthung gestattet, daß die Gerüche von Blumen und Gerüchen überhaupt nicht wesentlich durch wirkliche Ausdünstung flüchtiger Oele entstehen, sonst müßte doch z. B. ein Gran Moschus, der ein ganzes Jahr lang geduftet und somit viele Millionen materieller Theilchen verloren hätte, auf einer empfindlichen Waage etwas leichter befunden werden; aber ein Gran bleibt auch nach zehn Jahren ein Gran. Somit erscheint es nicht gewagt, zu vermuthen, daß Blumen und starkriechende Substanzen überhaupt dadurch Gerüche verbreiten, daß sie chemische Processe in der umgebenden Luft anregen, wodurch sich aus der Substanz der Luft selbst organische Atome bilden, welche wir riechen.

Man unterscheidet dauernde, flüchtige und wechselnde (periodische) Blumengerüche. Erstere rühren von Substanzen her, die in dem Gewebe des Stammes, des Holzes, der Rinde concentrirt eingeschlossen sind. Insofern ist vielleicht keine einzige vegetabilische Substanz gänzlich ohne Geruch, nur daß er in vielen Fällen für unsere Nasen, die zum Theil „starken Tobak“ verlangen, zu fein ist. Jede Art Holz hat ihren eigenthümlichen, dauernden Geruch, der durch Reibung oder Erhitzung auch bei sonst geruchlosen Hölzern riechbar wird. Unter den wohlriechenden Hölzern werden besonders Rosenholz von Teneriffa, Ceder- und Sandal-Holz geschätzt. Letzteres giebt den Wohnungen der Reichen im östlichen Asien den dauerndsten, lieblichen Geruch der Vornehmheit, da ihre daraus gefertigten Meubles die Zimmer ununterbrochen parfumiren. Aus leichterem Holze (Cassia-, Cinnamon etc.) verfliegt der Duft bald, nachdem es geschnitten ist.

Flüchtige Gerüche athmen aus Blättern und Blumen, deren Organe nach allen Seiten offen, stets empfangen und ausgeben, doch nicht immer in gleicher Fülle. Während drückender Hitze des Mittags duften die meisten Blumen am Schwächsten. Senkt sich die Sonne und erlaubt den Ausdünstungen als Thau niederzusteigen, füllt sich der Blumengarten am Reichsten mit dem seelenhaften Aroma seiner zarten Kinder. Die Gerüche sammeln sich während der Nacht, um der aufgehenden Sonne in aller Frische des Morgens entgegenzufliegen. Auch deshalb ist der goldene Morgen im Garten so schön, nicht blos, weil wir ausgeschlafen haben, obgleich auch dies natürlich nicht zu verachten ist. Der Sommerregen hat eine ähnliche Wirkung, wie die Nacht. Man vermuthet als Grund dieses Steigens und Fallens der Gerüche, daß die direkten Sonnenstrahlen zu viel Säfte verdampfen, und daher die Fabrikation der ätherischen Oele in den Blumen schwächen, Abend und Nacht aber wieder mehr Atome und Feuchtigkeit als Rostoff für die Eau de Cologne-Fabriken in den Blumenkelchen gewähren. Freilich Licht und Wärme ist auch nothwendig dazu, so daß unter langem Regen und langer Bewölkung die Gerüche abnehmen oder ganz erschöpft werden. Wechselnde, periodische Gerüche steigen blos zu gewissen Zeiten aus manchen Blumen und Pflanzen, z. B. vielen Orchideen, die am Tage ganz geruchlos, des Nachts manchmal bis zur Unerträglichkeit duften. Die Cacalia septentrionalis duftet blos in dem direkten Sonnenstrahl. Ein bloser Papierschirm tödtet sofort ihre Fähigkeit des Duftens. Eine Art Cereus schießt alle halbe Stunden ihre kleinen mit Aroma geladenen Kanonen ab, mit einem lebhafteren Feuer während des Aufblühens. Die Werkstätten und Fabrikationsweise der Gerüche in den Blumen sind, meines Wissens, noch unbekannt. Man hat noch keine besondern Organe dafür gefunden. Diese poetische Industrie der blumen ist so fein, daß sie sich selbst noch unter den mächtigsten Gläsern als unsichtbar versteckt. Einige Botaniker haben angefangen, bestimmte Beziehungen zwischen Geruch und Farbe zu entdecken. Weiße Blumen riechen in der Regel am Stärksten und Angenehmsten, gelbe und braune am Schlechtesten u. s. w. Doch ist dieses Gebiet der Botanik ein noch sehr offenes, das erst erwartet, mit Forschung und Wissenschaft gefüllt zu werden.




Zahl der Trunkenbolde in England. Die Verhandlungen im englischen Parlament über die Bierbill haben einen seltsamen Umstand zu Tage gefördert. Durchschnittlich kommt in England je ein Betrunkener auf dreißigtausend Menschen. Im Laufe des vorigen Jahres nun wurden zwei Parlamentsmitglieder, im Jahr 1853 sogar drei und 1852 eines wegen Trunkenheit verhaftet, also etwa zwei in einem Jahre. Unter den sechshundertfunfzig Gesetzgebern Englands kommen demzufolge verhältnißmäßig beinahe so viel Betrunkene vor, als unter der Bevölkerung des Landes überhaupt.


Zur Notiz.

Auf die vielen an uns gerichteten Anfragen, betreffs des Jahrgangs 1854 der Gartenlaube, diene hiermit die Mittheilung, daß nunmehr der Druck der

Zweiten Auflage

vollendet ist und sowohl complette Exemplare wie einzelne Quartale und Nummern durch alle Buchhandlungen und Postämter wieder bezogen werden können.

Leipzig, den 1. October 1855.

Die Verlagshandlung. 
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 538. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_538.jpg&oldid=- (Version vom 15.7.2023)