Seite:Die Gartenlaube (1855) 553.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

geheimnißvollen Anspielungen, welche Frau Siebeling vor Neugier zittern ließen. Als nun der Oberamtmann endlich eintrat, hatte der ballenstedter Krösus vorerst einige Vorwürfe zu bestehen.

„Sage mir, machst Du Geschäfte mit dem Manne, oder willst Du sonst Vortheil von ihm ziehen?“

„Wie so? Wie so, Alterchen? Ich habe noch nichts mit ihm gemacht – der sitzt in der Wolle, der braucht nichts.“

„Nun, was katzenbuckelst Du denn vor ihm? Du bist Dein eigener Herr, lebst von Deinem Gelde, brauchst keinen Menschen und Niemand hat Dir was zu sagen und doch machst Du einen krummen Buckel, wie ein Neujahrsgratulant. Schäme Dich, Kerl!“

„Ei, man hat auch Lebensart. Aber es hat noch eine andere Bewandtniß – man muß dem Teufel ein Licht anstecken,“ setzte er geheimnißvoll hinzu.

„Stecke Dir nur erst eine Pfeife an! Agnes! Das bietet ihm nicht einmal eine Pfeife an – nicht wahr, keinen Tabaksrauch mehr vertragen, seit Du von der hohen Schule gekommen bist? Ich wollte, ich hätte etwas Klügeres gethan als das Mädel in die Pension zu geben!“

„Aber, Mann!“ rief Frau Siebeling. „Bildung ist doch die Hauptsache, und auch ein Landwirth weiß sie heut zu Tage zu schätzen. Laß lieber Herrn Egelmann erzählen, warum er den Baron einen Teufel nennt – etwas graulich kann er Einem mit seinen Augen schon machen, ich habe mich ein paar Mal vor ihm gefürchtet.“

„Ja, verehrteste Frau Oberamtmann, da sollten Sie erst seine Mutter sehen! Das ist eine große, stattliche Dame, sieht aus, wie eine Fürstin, und doch überläuft Einem ein kalter Schauder, wenn man in ihre Nähe kommt.“

„Sagen Sie!“ rief Frau Siebeling dringend und rückte sich in angenehmster Erwartung, etwas recht Schauerliches zu hören, in ihrer Sophaecke zurecht.

„Aber – wir sind doch ganz unter uns?“ fragte Egelmann, indem er sich nach der Thüre umsah. „Es kann uns doch von draußen Niemand belauschen?“

„Kein Mensch!“ versicherte Frau Siebeling dringend.

Herr Egelmann steckte seinen spitzen Kopf zwischen die Gruppe der gespannten Zuhörer und wisperte. „Sie hat ihren Mann vergiftet!“

Frau Siebeling schnellte vor Entsetzen hoch auf, der Oberamtmann brummte.

„’St! Ganz stille!“ flüsterte Egelmann. „Natürlich darf man davon nicht reden – wo kein Kläger, ist auch kein Richter, wer kann’s ihr beweisen? Eine Obduction, will sagen, eine Oeffnung der Leiche hat nicht Statt gefunden, der plötzlich verstorbene Mann ist ebenso plötzlich beerdigt worden, es hieß, wegen der Sommerhitze, und nun ist schon zwanzig Jahre Gras darüber gewachsen, aber die Sache hat ihre Richtigkeit, in der ganzen Gegend war nur eine Stimme darüber, und die besten Bekannten haben sich von der schrecklichen Frau zurückgezogen.“

„Das ist ja entsetzlich!“ seufzte der Oberamtmann.

„Alter,“ sagte Siebeling, „ich finde es viel schlimmer, daß solche Beschuldigung ohne Beweise aufkommen kann. – Was ist der Grund? Hat Jemand die Zeichen von Vergiftung gesehen? Wie ist er gestorben? Was hat die Leiche für Spuren gezeigt? Dienstboten können nur das Geträtsch unter die Menschen gebracht haben, und die arme Frau weiß am Ende gar nicht, daß man ihr eine solche Scheußlichkeit zur Last legt.

„Erlaube doch, Alter, ich will Euch ja Alles erzählen,“ – sagte Egelmann. „Der alte Dießbach war ein ganzer Herr, so recht, was man einen Cavalier nennt. Wenn Ihr sein vollkommenes Ebenbild sehen wollt, hier war es vor einer Viertelstunde – natürlich ohne den Auswuchs an der Schulter, denn der alte Herr war gewachsen wie ein Eichbaum. Die gnädige Frau, wenn ich vorher sagte, daß sie wie eine Fürstin aussieht, so meine ich damit nicht, daß sie von vornehmer Geburt war, im Gegentheil, sie ist die Tochter eines Seidenhändlers.“

„Deshalb mögen sich wohl die Herrschaften nach dem Tode ihres Mannes von ihr zurückgezogen haben,“ äußerte Frau Siebeling. „Sie thun der armen Frau Unrecht, bester Herr Egelmann, und ich möchte sie schon sehen. Wie müssen doch bald unsere Visite auf der Rinkenburg machen, nicht wahr, Männchen?“

„Laß ihn doch erst ausreden,“ sagte der Oberamtmann. „Wie lebten sie denn zusammen?“

„Na, darüber hörte man so Allerlei. Der alte Herr war schon einmal verheirathet gewesen, eine ganze Portion von Jahren älter als sie, aber er hielt ihr, obgleich er sie doch aus Liebe geheirathet hatte, den Daumen auf das Auge, sie durfte im Hause nicht viel mitsprechen. Nun war sie aber schlau und wußte doch immer auf krummen Wegen zu erreichen, was sie wünschte, und ihre rechte Hand dabei ein Frauenzimmer, das sie mitgebracht hatte, denken Sie sich, ein Frauenzimmer, das bei einer Kunstreiterbande gewesen war.“

„I pfui!“ rief Frau Siebeling. „und das duldete der Mann?“

„Ja, das hatte vielleicht auch seine eigene Bewandtniß, man ist nicht recht dahinter gekommen. Kann sein, daß es übrigens pures Mitleid war und er nur die unglückliche Creatur aus ihrem Elende gerettet und bei sich aufgenommen hat. Es war ein resolutes Weib und ihrer Herrschaft blind ergeben, wie man’s nicht so leicht wieder findet. – Sehen Sie, die Ehe hatte so eine lange Reihe von Jahren gedauert, gnädige Frau waren auch nicht mehr die Jüngste, als auf einmal in der Gegend ein Gemunkel ging – werde nicht ungeduldig, Alter! wer kann dafür – ein Gemunkel, sag ich, daß sich Herr Stargau um sie niedlich mache.“

„Stargau?““ rief der Oberamtmann. „Unser Stargau?“

„Ja, derselbige. O, verehrteste Freundin, den hätten Sie damals sehen sollen. Es war nur ein kleines Männchen, aber sehr angenehm von Exterieur, feine Manieren, cordial mit den Vornehmsten, bei den Damen insinuant, ich sage Ihnen, sie rissen sich nach ihm –“

„Pfui!“ sagte Frau Siebeling wieder und warf einen Blick auf ihre Tochter, welche schweigend mit gesenkten Augen zuhörte.

„Allerdings pfui, das meine ich auch,“ bestätigte Egelmann. „Absonderlich, wenn man verheirathet ist und einen erwachsenen Stiefsohn hat. Die Sache galt denn bald in der ganzen Gegend für richtig, und wie die Menschen nun einmal ohne Grundsätze sind, sie verdachten’s der Frau nicht, die doch am Ende mit ihrem alten, grämlichen Manne nicht glücklich sein konnte. Der war denn auch, wie es immer in der Welt geht, der Einzige, der nichts davon merkte, bis an sein Ende oder vielleicht, bis kurz vor seinem Ende, denn es hieß, er habe das Paar einmal in einem heimlichen Lauscheplätzchen im Gebirge, wo die Dießbach’s ein Sommerhaus haben, überrascht und – das sei eben sein Ende gewesen, lebendig hat er das Haus nicht wieder verlassen. Eine Kalteschaale, hieß es, sei ihm dort mit Gift eingerührt worden

„Siehst Du? Siehst Du, Euer Altweibergeklatsch, des Nächsten Ruf und Ehre zu zerreißen?“ rief der Oberamtmann hitzig und schlug auf den Tisch, daß die Frauen zusammenfuhren. „Mag’s mit dem Stargau wahr sein oder nicht, wer weiß das von der Kalteschaale? Der Mann hat auf die Hitze und den Aerger sich den Tod getrunken, da braucht kein Gift drin gewesen zu sein!“

„O nein, braucht nicht!“ erwiederte Egelmann kaltblütig. „Aber da war ein gewisser Staub hier, ein toller Kerl, dem der Stargau zu seinem Unglück zu viel anvertraute, die Schlüssel zum Kornboden und zu Allem ließ, die Kassenabschlüsse übertrug, kurz sein Factotum. Dem hat es Stargau in einer bösen Stunde einmal selbst gesagt, und von dem weiß ich’s –“

„Und von Dir die ganze Gegend!“ rief der Oberamtmann mit zornrothem Angesicht.

Egelmann zuckte die Achseln. „Glaube doch nicht, daß ich – dieser Staub hat es auch Andern erzählt, warum nicht?“

„Aber was denn? Wie ist es denn zugegangen?“ forschte Frau Siebeling eifrig.

Genaues hat man darüber nie erfahren, auch Stargau hat darüber nur in einer Anwandlung von Gewissensbissen, nicht allzu lange ehe es mit ihm hier auf die Neige ging, so ungefähre Andeutungen gegen seinen Staub gemacht, die sich dieser, ein pfiffiges Haus, erst ausgelegt hat. Kurz, der Dießbach ist nach dem Trunke gleich krank geworden, und weil blos seine Frau und die schwarze Nina, so hieß die alte Bereiterin, bei ihm gewesen, ohne ärztliche Hülfe nach einer halben Stunde verstorben. Sie haben ihn dann eingeschlossen, kein Mensch hat zur Leiche gedurft, nicht einmal der Tischler, der zum Sarge Maaß nehmen wollte, die schwarze Nina hat Alles besorgt, und wie er hat hineingelegt und begraben werden sollen, ist ihm das Gesicht zugedeckt gewesen, und der Pfarrer

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 553. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_553.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)