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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

hast Du aber vergessen, den ich nachtrage, den nämlich, daß es uns schnell über die Haut kommt. In diesem Falle führe ich Dich in die Holzhauerhütte, die uns ganz nahe liegt. Ottilie sorgt dafür, daß wir weder Durst, noch Hunger leiden müssen, und mein alter Holzhauermeister Knipp soll Dir Geschichten erzählen, von denen Du ja ein Freund bist.“

Damit war die Sache erledigt. Ottilie packte dem Jägerburschen einen Korb voll Unentbehrlichkeiten des behaglichen Daseins, auf die sie sich verstand, und wir zogen zu Walde.

Der Abend war für die Jahreszeit wahrhaft schwül; aber auch die Befürchtung meines Freundes traf ein. Ehe wir unsere Stelle erreichten, rollte schon der Donner über unsern Häuptern, und wenn wir nicht durchweicht werden wollten, ohne doch auch nur im Entferntesten unsern Zweck erreicht zu haben, blieb uns keine Wahl, als die Einkehr in der Holzhauerhütte.

Unweit eines hochemporragenden Grauwackengesteins sahen wir, von der Höhe niedersteigend, den Rauch der Hütte. Sie lehnte an dem Felsen, und ein Dreieck mächtiger Buchen sicherte ihr Bestand und Halt. Als eben die ersten, fetten Tropfen vom dunkeln Himmel niederfielen, erreichten wir sie. Es war etwa acht Uhr, und die Nacht kam schnell und dunkel, denn der Himmel hatte den Wettermantel dicht zusammengezogen. Blitze zuckten blendend am Himmel hin und der Donner grollte schon mit gewaltiger, wenn auch dumpfer Stimme.

Solch’ eine Waldhütte ist ein ganz eigenthümlicher, aber gegen Wind und Wetter schützender, sehr solider Bau. Man muß eine gesehen haben, um sich eine deutliche Vorstellung davon zu machen. Junge, schlanke, hochstämmige Bäume werden gehauen und im weiten Zirkel mit den dicken Enden in die Erde, Stamm an Stamm, eingerammt, und an einander dauerhaft befestigt. Oben werden die dünnen Enden zusammengefügt und befestigt, so, daß die Hütte vollkommen die Gestalt eines Zuckerhutes annimmt. Nun werden die Stämme so dicht, als es geschehen kann, mit Reisig durchflochten und zwar bis oben hin. So entsteht eine dichte Wand, die aber vor regen und Luftzug noch nicht hinlänglichen Schutz gewähren würde. Hierzu kommen die abgeschälten, großen Rasenstücke, welche feucht auf deas Reisig geschlagen werden, und zwar in mehrfachen Lagen, bis auch der allerwildesten Laune des Wetters und der Ausdauer eines langathmigen Landregens eine Schutzwehr entgegen steht, vor der ihre Macht die Segel streichen muß. Daß oben eine Art Schornstein angebracht wird, um dem Rauche den freien Abzug zu bereiten, versteht sich von selbst.

Ist der Bau vollendet, so ist die Thüre das Nächste, woran man denkt. Groß ist sie nicht. Die Oeffnung bleibt zwischen zwei Bäumen, und um sie gehörig schließen zu können, werden lange Reisigbündel an zwei oder drei Stangen eng aneinander gebunden und von außen widergestellt. Nun ist das Haus gebaut, und das Einrichten des Wohn- und Schlafraumes fordert die nöthige Aufmerksamkeit. Ob diese überall gleich ist, weiß ich nicht; darum will ich eben nur die unsere beschreiben. Rechts von der Thüre standen auf einer Erhöhung von Waldsteinen und Rasen zwei Eimer frischen Quellwassers, das nicht ferne zu finden war. Von da an zogen sich die Betten hin, und zwar rund herum an der Wand. In der Länge eines Mannes abgeschnitten, waren drei mäßig dicke Stämme auf einander gelegt und an hinter ihnen eingerammte Pfähle oder Pfosten befestigt. Sie bildeten eine Sitzbank und standen so weit von der Wand ab, daß zwischen ihr und der Bank Raum blieb, um aus Moos und dürrem Laube eine hohe und weiche Schlafstätte für je zwei Personen zu machen, die durch Querwände von ähnlicher Zusammenstellung geschieden waren. Inmitten der Hütte stand der Herd, den eine derbe Steinplatte deckte. An den Wänden waren Holznägel eingeschlagen, an denen Kleider, Vorräthe in Säcken, einiges Blechgeräthe, Sägen und dergleichen hingen. Links der Thüre lag das sauber aufgeschichtete Brennholz. Der Boden war reinlich gekehrt, und ich kann sagen, daß es mich auf den ersten Blick in dem Raume anmuthete. Auch für den Oberförster war ein solches Moosbette vorhanden, auf dem Zwei sehr bequem Raum hatten. Es war mit reinem Linnen überdeckt und hatte zwei ebenso überzogene Mooskissen. In der Nähe des Bettes stand ein roh aus Tannenbretern gemachtes Schränklein, darinnen seine Vorräthe aufgehoben zu werden pflegten. Eine Kaffeemühle und ein Wasserkessel legten Zeugniß ab, wie gerne mein alter Freund die edle Flüssigkeit liebte, welche das Absud der Bohne Arabiens ist.

Als wir eintraten, lag ein Haufe von Kohlen und heißer Asche auf dem Herde, und der duftige Geruch gebratener Kartoffeln erfüllte die Hütte. Die matte Glut ließ drei oder vier Gestalten erkennen, welche sich bei unserm Eintritte grüßend von den Sitzbalken erhoben, welche zugleich die Scheidewand der Bettstellen bildeten.

„Guten Abend, Knipp!“ grüßte der Oberförster eine der im Dreivierteldunkel stehenden Männergestalten. „Hat der Saveriges (wie das Volk den Namen. Xaverius ausspricht) den Korb meiner Schwester abgestellt?“

„Alles in Ordnung, Herr!“ antwortete eine sonore Stimme.

„Gut, aber schreitet an’s Werk; die Kartoffeln sind reif, wenn mich meine Witterung nicht im Stiche läßt,“ sagte mein Freund.

Alsbald erschien ein Jüngerer am Herde, scharrte die heißen gebratenen Kartoffeln in eine große, irdene Schüssel und stellte sie sorgfältig in eine am Boden befindliche Vertiefung neben dem Herde, in welchem noch heiße Asche lag, und legte dann auf die Kohlen gespaltenes Holz, das schnell in heller Lohe aufging. Nun erst zündete der Mann, welchen mein Freund mit dem Namen Knipp benannte, ein Oelampel an, die an einer einfachen Drahtkette hing, und jetzt war die Hütte so weit beleuchtet, daß man das Einzelne unterscheiden konnte.

Knipp war ein Greis von etwa siebzig Jahren, aber noch so robust und schnellkräftig wie ein angehender Fünfziger. In seinem schönen Kopfe leuchteten klare, große Augen, die noch keiner Brille bedurften, und wäre sein Haar nicht schneeweiß gewesen, Niemand würde ihn für so alt gehalten haben, als er war. Der Ausdruck seines Gesichtes war ernst, sinnig und doch milde. Der Jüngere war sein Sohn, der die Befehle des Vaters mit großer Pünktlichkeit vollzog. Die Uebrigen waren gewöhnliche Menschen, die mir kein Interesse einflößten.

Als die Flamme loderte, sang bald das Wasser im Kessel; die Kaffeemühle rasselte, und Knipp öffnete das Schränklein, aus dem er Milch und Anderes herausnahm. Kurz, ein herrlicher Kaffee labte uns, zu dem wir gebratene Kartoffeln mit Butter aßen, eine Zusammengruppirung köstlicher Art; dann schmeckte uns kalter Wildbraten und Wein vortrefflich und die Holzhauer waren unsere Gäste, was ihnen sehr wohlthat und gefiel.

Als Knipp Alles weggeräumt, setzten wir uns auf die Balken. Das Feuer verlosch und die kleine Lampe warf ihr düstres Licht auf die Räume, die nur in ihrer nächsten Nähe heller beleuchtet waren. Die Pfeifen würden gezündet und wir saßen gemüthlich beisammen.

Draußen war indessen das Gewitter recht losgebrochen. Der Sturm tobte in den Buchen, in deren Schutz die Hütte stand, als wollte er sie mit einem Athemzuge entwurzeln. Das rauschte, heulte, krachte, als solle Alles in Trümmer gehen. Hätte die Hütte frei und nicht unter dem Schutze der drei Buchen und des Felsens gestanden, der sich hinter der mächtigen Baumgruppe und fast bis zur Hälfte ihrer Höhe erhob, der Sturm hätte sie uns, trotz ihrer starken Bauart, über den Köpfen zusammengeworfen. Vom Sturme gepeitscht, schlug der Regen heftig gegen die Wände der Hütte und ich dachte jeden Augenblick, er würde uns überfluthen. Nur in der Ruhe Knipp’s gewann ich Zutrauen in unser Obdach. Die Blitze folgten sich, zischend wie feurige Schlangen, die sich verfolgen, und der Donner rollte und prasselte furchtbar über die Wipfel des Waldes dahin.

„Das ist wieder der Kopf der alten Burg,“ sagte der Oberförster zu Knipp, „der das Wetter hält!“ Dieser nickte. fort und fort blieb das Wetter gleich stark, wild und grausig. Plötzlich erhellte ein Blitz selbst die Räume der Hütte; hell krachend folgte der Donnerschlag. Knipp ließ die Pfeife aus dem Munde und sagte: „Gott sei uns gnädig!“ – Dann athmete er tief auf und sagte: „Nun hat es sich entladen und sich von der „„alten Burg““ losgemacht!“

Wirklich trat Ruhe in der Natur ein, aber die Stetigkeit, mit welcher jetzt der Regen zu fallen begann, schnitt uns jede Hoffnung der Rückkehr nach dem Forsthause in dieser Nacht entschieden ab.

„Nun, Knipp,“ sagte der Oberförster, als unsere Pfeifen dampften, „zum Heimgehen ist weder das Wetter noch der Waldweg angethan. Wir müssen bleiben. Zum Schlafen fehlt uns auch noch die Lust. Wißt Ihr was? Erzählt uns eine Geschichte, die Ihr erlebt. Den Herrn hier werdet Ihr recht erfreuen! Und Ihr habt Manches in der Welt erlebt.“

Der Alte lächelte. „Wenn Sie es so wollen,“ sagte er, „da will

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 592. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_592.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)