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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

die seine Freude und seinen Stolz verriethen. „Es bedurfte nicht viel Zuredens, um sie zur Annahme des Dienstes zu bewegen, denn sie sieht ein, daß bei diesen schlechten Zeiten mir eine Erleichterung erwächst, wenn eine Person weniger im Hause ist.“

Herr Czabo ergriff seine goldene Brille, wischte die Gläser derselben mit seinem weißen Taschentuche ab und setzte sie bedächtig auf seine Nase, als ob er ein Recept lesen wollte. Dann erhob er sich von dem Sopha und sah lächelnd die neue Köchin an.

Kathi war wirklich ein hübsches Mädchen, der alte Lajos hatte nicht zu viel gesagt. Der kurze rothe Friesrock mit schwarzem Bande besetzt, das hellgraue wollene Mieder mit kleinen runden Zinnknöpfchen bekleideten einen wohlgewachsenen, fast üppigen Körper. Die braune Mütze vermochte das starke, glänzendschwarze Haar nicht zu bedecken, man sah einen großen Theil der Flechten, die fast bis auf die Schulter herabfielen. Ein rothes Tuch von grober Wolle bedeckte Hals und Brust. Weiße Strümpfe mit blauen Zwickeln, wie sie die Landmädchen jener Gegend tragen, bekleideten ein zierlich geformtes Bein. Zwar stak der Fuß in ziemlich plumpen Schuhen, aber nach dem Beine zu urtheilen, mußte er klein und nett sein.

Das Gesicht der Köchin hatte eine bleiche, aber nicht krankhafte Farbe. Unter starken schwarzen Brauen, die regenbogenförmig die schöne Stirn begrenzten, strahlte ein großes dunkles Auge mit langen schwarzen Wimpern, die einen Schatten warfen, wenn sie sich senkten. Feingeschweifte blühende Lippen bildeten einen kleinen, niedlichen Mund. Der Ausdruck des lieblichen Gesichts verrieth in diesem Augenblicke eine ängstliche Schüchternheit, die ihm einen unbeschreiblichen Reiz verlieh. Das weiße Bündel, das Kathi in der mit grauen Zwirnhandschuhen bekleideten Hand trug, schien leicht zu zittern, während Herr Czabo mit einer wahren Kennermiene seine Prüfung fortsetzte.

Der Apotheker sah seine Tochter an, als ob er sagen wollte: das Mädchen gefällt mir.

Netti antwortete durch ein beistimmendes Lächeln. Der Apotheker schob seine Brille auf die Stirn zurück.

„Also Kathi ist Dein Name?“ fragte er.

Das Mädchen machte einen kurzen Knix, indem es flüsterte:

„Kathi Lajos.“

„Nun gut, Kathi, Du gefällst mir, und da meine Tochter Nichts dagegen hat, so nehme ich Dich in meinen Dienst. Die Empfehlung Deines Vetters bürgt mir dafür, daß ich eine brave, treue Person aufnehme.“

„Dessen können Sie sich versichert halten!“ fügte Lajos rasch hinzu. „Sollte sie sich in den ersten Tagen noch etwas linkisch benehmen und ihr die Arbeit nicht so recht von der Hand gehen, so halten Sie es ihrer Aengstlichkeit zu Gute, Herr Czabo, sobald sie nur einigermaßen gewöhnt ist, werden Sie an ihr die flinkste Arbeiterin haben. Fragen Sie in acht oder vierzehn Tagen bei Mamsell Netti wieder an, und Sie werden sehen, daß ich Recht habe. Die Schüchternheit ist Kathi’s einziger Fehler

„Abgemacht, Lajos!“ unterbrach ihn der Apotheker. „Bist Du mit vierzig Gulden jährlichen Lohns zufrieden, mein Kind?“

Eine leichte Röthe erschien auf den bleichen Wangen Kathi’s.

„Ja, Herr!“ flüsterte sie, indem sie sich wiederum verneigte.

„So gieb mir Deine Hand, und versprich mir, eine treue und folgsame Dienerin zu sein.“

„Ich verspreche es, Herr!“ sagte Kathi, indem sie dem Apotheker die Hand reichte.

„Mein Himmel, wie Du zitterst!“ rief lächelnd Herr Czabo. „Man möchte glauben, Du fürchtetest Dich vor mir.“

„Kathi, Kathi,“ rief Lajos wie unwillig, „habe ich Dir nicht tausendmal gesagt, daß Herr Czabo ein guter Mann ist? Lege die verdammte Schüchternheit ab, oder –“

„Laßt’s gut sein, alter Lajos!“ unterbrach ihn Netti mitleidig. „Wenn uns Kathi näher kennt, wird diese Befangenheit schon schwinden.“

„Mir scheint,“ sagte der Apotheker, „Ihr habt das arme Kind zu streng gehalten“.

„Ja, Herr, in meinem Hause führe ich ein strenges Regiment, und Kathi habe ich stets als meine leibliche Tochter betrachtet, für deren körperliches und geistiges Wohl ich verantwortlich bin. Es ist ein gar ernstes Ding, ein junges Mädchen zu erziehen – Sie verstehen mich wohl, Herr Czabo!“

Draußen an der Hausthür erklang die Glocke.

„Niklas!“ rief der Apotheker.

Der lange Gehülfe hatte wie eine Bildsäule dagestanden und die neue Magd mit weit aufgerissenen Augen angestarrt. Bei dem Rufe des Apothekers schrak er zusammen.

„Herr Czabo!“ platzte er heraus.

„Hast Du nicht gehört?“

„Was?“

„Man zog die Glocke an der Thür.“

„Nein!“

„Geh’ und bediene den Käufer.“

Niklas machte einen Riesenschritt und verschwand. Kathi stand gesenkten Blicks und zitternd in der Mitte des Zimmers.

„Komm, liebes Kind,“ sagte Netti freundlich, „ich werde Dir Deine Kammer anweisen. Du gehörst von diesem Augenblicke an zu unserer Familie.“

Kathi schlug die großen Augen auf, und sah dankend die junge Dame an, die so freundlich zu ihr gesprochen. Dann reichte sie dem Fischer die Hand.

„Lebt wohl, Vetter Lajos,“ sagte sie leise. „Grüßt mir die Base, und sagt ihr, daß ich sie besuchen würde, sobald es mir meine Herrschaft erlaubt.“

„Soll geschehen, Kathi,“ antwortete der Alte. „Deine Sachen werde ich morgen in meinem Kahne mitbringen, wenn ich hier hinter dem Hause an meine Arbeit gehe. Aber laß Dir es noch einmal gesagt sein: machst Du meiner Empfehlung keine Ehre, so darfst Du nie wieder mein Haus betreten, ich ziehe meine Hand von Dir zurück. Damit Gott befohlen!“

Netti und Kathi entfernten sich.

„Bravo Lajos!“ sagte Herr Czabo, als sich die Thür hinter den beiden Mädchen geschlossen hatte. „Das gefällt mir. Ihr seid sonst ein guter Mensch, aber es ist Schade –“

„Was ist Schade?“ fragte verwundert der alte Fischer.

„Soll ich offen sprechen?“

„Ich bitte Sie darum, Herr Czabo.“

„Daß Ihr ein so wüthender Revolutionär seid. Es ist mir unbegreiflich, wie ein so rechtlicher, unbescholtener Mann sich zu solchen Gesinnungen verirren kann. Ihr habt Euch zwar nicht thätlich an der unglückseligen Revolution, die unser armes Land dem Verderben nahe gebracht, betheiligt; aber Euere Meinungen und Ansichten haben mir nicht gefallen – ich spreche natürlich nur von Euren politischen Meinungen.“

Der alte Fischer griff mit seiner breiten schwieligen Hand in den greisen Schnurrbart, der in zwei langen Zöpfen über den Mund herabhing. Er sah einen Augenblick sinnend vor sich hin, dann sagte er:

„Sie haben Recht, Herr Czabo! Ich schäme mich nicht zu bekennen, daß ich mich von einem falschen Scheine habe verblenden lassen. Jetzt bin ich eines Bessern belehrt, darum brechen wir ab – –“

„Nein, brechen wir nicht ab,“ rief eifrig der Apotheker; „sprechen wir recht ernst und recht viel über diesen wichtigen Punkt. Sind Euch die Augen aufgegangen, Freund? Habt Ihr das Treiben der Volksbeglücker nun gesehen? He, wohin sind wir gerathen? Seht Euch unser sonst so schönes und blühendes Land heute an – es ist eine Ruine. Ihr habt Euer gutes Auskommen gehabt, so lange Ruhe und Friede, so lange das Gesetz die oberste Gewalt war – heute müßt Ihr ein schmuckes Mädchen aus dem Hause geben, um Euch eine kleine Erleichterung zu verschaffen.“

„Herr Czabo!“ –

„O, ich verstehe Euch recht gut, Alter!“ fuhr der aufgeregte Apotheker fort. „Ihr wollt es nicht merken lassen, daß es schlecht zu Hause steht, daß Ihr die ganze Wirthschaft zu allen Teufeln wünscht, und daß Ihr Euch schämt, dieser Sache je das Wort geredet zu haben – ich sage das nicht, um Euch zu kränken, Alter, ich führe es nur an, um meiner Freude darüber Luft zu machen, daß Ihr endlich den schlagendsten Beweis von Eurer Verirrung in Händen habt. Die Volksbeglücker sind ausgerissen, und Ihr armen Menschen müßt die Zeche bezahlen. Sind Euch nun die Augen geöffnet?“

„Ja, Herr Czabo.“

„Gut, Ihr sollt acht Wochen hinter meinem Garten fischen, und Euere Kathi soll es gut bei mir haben, wenn sie sich gut beträgt. Irren ist menschlich, Freund Lajos, wenn man nur zu

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 645. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_645.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)