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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

No. 50. 1855.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteur Ferdinand Stolle.

Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Die schöne Kathi.
Novelle von August Schrader.
(Fortsetzung)


„Ich werde Ihre Bücher überwachen, Vater, überwachen Sie den Niklas.“

Der Apotheker reichte dem Advokaten die Hand.

„Ihnen, Ferenz, vertraue ich Alles an, meine Bücher, meine einzige Tochter. Der Frieden steht in naher Aussicht, und mit ihm Ihre Verheirathung.“

„Ich werde Ihr Zutrauen zu rechtfertigen wissen,“ sagte gerührt der junge Mann. „Ich fühle, daß ich Kenntnisse und Kraft besitze, eine gute Karriere zu machen, und wem steht ein glänzenderer Weg offen, als einem Rechtsgelehrten?“

Herr Czabo blieb von Neuem stehen, und sah seinen künftigen Schwiegersohn mit großen Augen an.

„Wie,“ rief er erstaunt, „wollen Sie vielleicht einen ähnlichen Weg einschlagen, wie jener Mann, der nichts geringeres beabsichtigte, als durch eine Revolution sich zum Könige von Ungarn zu machen? Ferenz, nehmen Sie sich sein Schicksal zur Warnung, jetzt irrt er als Vertriebener durch die Länder – o mein Gott, was für Unglück hat dieser Mensch angerichtet! Gott sei Dank, daß der Herr Generalfeldzeugmeister Herr im Lande geblieben ist und die Rebellen verjagt hat. Ich hoffe, er wird sie noch alle erwischen, damit jeder Kern zur Empörung ausgerottet wird. Wenn er nur so glücklich wäre, die Gräfin Andrasy, dieses übermüthige Weibsbild, dahin zu bringen, wohin sie gehört.“

„Die Nürnberger henken keinen, sie hätten ihn denn zuvor!“ sagte lächelnd der Advokat.

„Allerdings, das weiß ich auch!“ rief eifrig Herr Czabo. „Sie entschlüpft ihm aus der Hand, wie ein Aal, aber nur Geduld, wenn sie es jemals wagen sollte, nach Semlin zu kommen, so sollen ihre Abenteuer bald zu Ende sein. Selbst Niklas ist in jeder Beziehung stets meiner Meinung, und um der Ordnung zu dienen, sind wir zu Allem fähig. Jetzt vorzüglich muß ich doppelten Eifer beweisen – –“

„Jetzt, warum jetzt?“ fragte der Advokat.

„Weil ich heute bei der neuerrichteten Schutzwache unserer Stadt zum Commandanten erwählt bin.“

„Ah, ich gratulire, mein bester Herr Czabo!“

„Danke,“ antwortete stolz der Apotheker. „Morgen ist die erste Parade, bei der ich im vollen Glanze erscheinen werde – ich habe heute noch so viel zu besorgen, daß ich nicht weiß, wo mir der Kopf steht.“

„Ihre Bücher werde ich nach Tische berichtigen, machen Sie sich deshalb keine Sorge – was das Hauswesen anbetrifft, so wird Netti und Kathi – –“

„Apropos, Kathi - nun ja, sie ist ein hübsches Mädchen, eine flinke Arbeiterin, aber eine schlechte Köchin. Ich werde indeß Nachsicht mit ihr haben. Aus dem Mädchen läßt sich noch etwas machen. Bis auf das Kochen entspricht sie den Empfehlungen ihres Vetters Lajos. Da fällt mir etwas ein!“

„Nun?“ fragte gespannt der Advokat, der eine wichtige Neuigkeit erwartete.

„Dieser Lajos hat sich vollständig geändert, daß ich mich über den alten Mann recht innig gefreut habe.“

„Was Sie sagen?“

„Gewiß! Deshalb habe ich ihm auch erlaubt, daß er hinter meinem Garten fischen kann. So oft er einen Hecht oder einen schlanken Aal erwischt, bringt er ihn mir. Ach, ich wußte es, daß alle diese Leute ihre Verirrung einsehen würden. Doch nun zu Tische, mein Freund – vorher aber will ich in der Küche noch einmal nachsehen, ob Kathi keine Dummheiten begangen hat.“

Die beiden Männer stiegen die Treppe hinab, und traten in das Wohnzimmer, wo Netti beschäftigt war, den Tisch zu decken.

Die Tochter des Apothekers war ein schönes, blühendes Mädchen von einundzwanzig Jahren. Ihre Gestalt war schlank, nicht üppig, aber edel geformt. Ihr dunkelbraunes Haar hing in zwei langen Flechten über den Rücken herab, während es über der weißen Stirn sich in einem schlichten Scheitel theilte. Das große blaue Auge, von dunkeln Brauen bedeckt, strahlte freundliche, milde Blicke und verrieth einen nicht gewöhnlichen Grad von Intelligenz. Ihre Wangen, die bei jeder Bewegung der frischen Lippen niedliche Grübchen zeigten, waren von einer feinen Röthe gefärbt, die zu dem weißen Teint des zarten ovalen Gesichts einen lieblichen Kontrast bildeten. Ein einfaches, dunkelblaues Kleid umschloß die schlanke Taille der Braut des jungen Advokaten.

„Netti,“ sagte Ferenz zärtlich, indem er ihre Hand ergriff und sie an seine Lippen zog, „es kostet heute Mühe, Sie zu sehen.“

„Sie haben Recht, lieber Ferenz,“ antwortete sie mit ihrer weichen, wohlklingenden Stimme, „mein guter Vater hat heute so viel Geschäfte, daß ich ihm ein wenig helfen muß.“

„Netti,“ rief Herr Czabo im Tone des Vorwurfs, „Du läßt Kathi allein in der Küche, die von der edeln Kochkunst so wenig versteht - Du hast ihr doch gesagt, daß der Braten – –“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 659. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_659.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)