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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

nicht nothwendig ist. Unter der Einwirkung der Schwefelsäure zerfällt nun das Kochsalz in seine Bestandtheile: Natrium und Chlor. Das Natrium zersetzt wiederum einen Atom Wasser und bildet mit dem Sauerstoff des Letzteren Natrium-Oxyd oder Natron, welches mit der Schwefelsäure zu schwefelsaurem Natron oder dem sogenannten Glaubersalz zusammentritt. Das aus dem Kochsalz zugleich freigewordene Chlor aber vereinigt sich mit dem aus dem zersetzten Wasser ebenfalls freigewordenen Wasserstoff und bildet damit Salzsäure, welche in Gasform entweicht und in besonderen Kanälen ihrer ferneren Benutzung entgegengeführt wird. Früherhin als der Verbrauch an Salzsäure noch unbedeutend war, wurde dieselbe sehr oft eine große Last für die Fabrikanten, indem sie mit dem abziehenden Rauche die Esse passiren mußte, und sich bei ihrem Heraustreten aus derselben, von der atmosphärischen Feuchtigkeit verdichtet, zu Boden senkte, die Pflanzenwelt der Umgebung zerstörte und der ganzen Nachbarschaft beschwerlich fiel, wodurch sie zu einer Quelle von Klagen und Entschädigungsansprüchen wurde. Man versuchte die mannigfachsten Mittel zur Beseitigung des Uebelstandes, und erreichte endlich den Zweck wenigstens theilweise durch entsprechende Erhöhung der Schornsteine; so ragt aus der Fabrik von Muspratt, zwischen Liverpool und Manchester, ein kegelförmiger Kamin von 495 Fuß Höhe empor, der bei 301/2 Fuß unterem und 11 Fuß oberem Durchmesser über eine Million Ziegel enthält!

Eine andere Art von Flammenöfen, die wir neben jenen aufgestellt finden, dient nun dazu, das erhaltene schwefelsaure Natron oder Soda zu verwandeln. Diese Oefen sind größer, und ihr Schmelzraum zur Vermeidung aller Ecken, welche dem nothwendigen häufigen Durchdrücken der Masse hinderlich sein würden, oval. In diesen trägt man nun das zuvor gepulverte und mit etwas mehr als dem gleichen Gewicht Kalksteins und der reichlichen Hälfte Kohle gemischte Glaubersalz ein und läßt das Feuer wirken. Durch die Hitze wird das Gemenge breiartig und entwickelt bei vorrückender Schmelzung eine Menge Gasblasen, die ihm das Ansehen des Kochens und Aufwallens ertheilen, mit dessen Aufhören und dem nun eintretenden ruhigen Fluß der Masse die Zersetzung als beendigt angesehen werden kann.

Der Vorgang im Ofen war nun folgender Art: die Kohle verbrennt mit dem ganzen Sauerstoffgehalt des Glaubersalzes zu Kohlenoxyd, und hinterläßt jenes als Schwefelnatrium; mit diesem tauscht nun der kohlensaure Kalk seine Bestandtheile aus, und es entsteht daraus Schwefelcalcium und kohlensaures Natron. Die noch fließende Salzmasse kommt zur Abkühlung in blecherne Kästen und stellt sodann die rohe Soda dar, wie sie allerdings schon für für manche Gewerbe brauchbar ist. Diese rohe Soda, die das Ansehen einer grauen schlackigen Asche besitzt, enthält natürlich außer dem kohensauren Natron noch alles Schwefelcalcium, so wie eine gewisse Menge noch unzersetztes schwefel- und schwefeligsaures Natron, Kochsalz, kohlensauren Kalk und Kohlenstückchen, Verunreinigungen, die die nun folgenden Operationen zu entfernen den Zweck haben.

Treten wir jetzt heran zu den Auslaugebottichen, einer Reihe eiserner Kästen, die etagenförmig, d. h. jeder einige Zoll höher als der vorhergehende aufgestellt sind. Wir sehen sie Alle durch eine Doppelscheidewand in zwei Hälften geheilt, so jedoch, daß diese Hälften durch eine untere und obere Oeffnung in den Scheidewänden noch in Verbindung stehen. Das Ganze ist mit Wasser gefüllt, welches durch eingeleiteten heißen Wasserdampf beständig auf dem nöthigen Temperaturgrad erhalten wird. In jeder Hälfte finden wir zwei siebartig durchlöcherte Blechkasten mit grob gemahlener, roher Soda gefüllt, so eingehangen, daß sie eben unter die Oberfläche des Wassers tauchen. Dieses zieht nun alles Lösliche aus, und die hierdurch schwerer gewordene Flüssigkeit senkt sich zu Boden, um von da entweder in die andere Hälfte oder in den nächsttieferen Bottich abzufließen, während man die Siebkästen den umgekehrten Weg machen läßt, d. h. die frisch gefüllten zuerst in den untersten Bottich bringt und nach und nach weiter hinauf hängt, bis sie aus dem obersten Bottiche völlig erschöpft herausgenommen und vom unlöslichen Rückstande entleert werden.

Durch diese sinnreiche Einrichtung wird es möglich, daß das oben beständig zulaufende Wasser im unteren Bottiche zu siedewürdiger Sodalauge umgewandelt ist, die unverzüglich in die Siedepfannen abgelassen und zu dem Grade der Concentration gebracht wird, daß sich beim Erkalten das kohlensaure Natron in großen Krystallen ausscheidet, die unter dem Namen krystallirte Soda in den Handel gebracht werden. Wird diese krystallirte Soda in einem mäßig warmen Lokale auf Horden ausgebreitet, so verlieren die Krystalle ihr Krystallwasser und zerfallen zu einem weißen Pulver, welches den Namen trockene Soda oder Sodasalz führt.

Die Flüssigkeit, welche nach Abscheidung der Krystalle zurückbleibt, enthält neben etwas kohlensaurem Natron noch alle löslichen Bestandtheile der rohen Soda; man trocknet sie daher ein und setzt die erhaltene Salzmasse, mit Kohle und Kalk vermischt, wieder den Ofenbeschickungen hinzu. Die in den Siebkästen verbliebenen unlöslichen Rückstände werden getrocknet als ein vortreffliches Düngemittel für Klee und Hülsenfrüchte verkauft; neuerdings auch durch Brennen mit Thon zu Portland-Cement verarbeitet.

Es ist kaum ein halbes Jahrhundert verflossen, seit man diese Art der Sodabereitung kennen gelernt hat; früher zog man alle Soda aus der Asche der Seepflanzen, und noch gegen das Ende des letzten Jahrhunderts gingen dafür über 30 Millionen Franken jährlich allein aus Frankreich nach Spanien, dem Hauptsitze der Sodaerzeugung. Da kamen Frankreichs große Kriege und mit ihnen zunächst eine Isolirung vom Auslande, die den Gewerben die nothwendigsten Hülfsmittel entzog. Der einzig mögliche Ersatz der Soda, die Potasche, wurde von den Salpetersiedereien zur Pulverfabrikation ausschließlich in Anspruch genommen, und die Noth drängte von allen Seiten: da erließ im Jahre II. der Republik

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 680. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_680.jpg&oldid=- (Version vom 6.8.2023)