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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Freude ward daher der Befehl begrüßt, daß wir uns nach der Krim einschiffen sollten, denn dort mußten wir sicher mit russischer Kavallerie zusammenkommen, und konnten derselben zeigen, daß wir Chasseurs d’Afrique unser Soldatenhandwerk gut verständen, und dem alten Rufe der französischen Tapferkeit keine Schande machten.

Eine englische Fregatte nahm uns in Varna, diesem verdammten Nest, auf, um uns mit sammt unseren Rossen nach der Krim zu bringen. Die Einschiffung von 140 maurischen Hengsten, unter denen viele böse Pferde waren, die so von dem Transport aus Algerien her eine große Abneigung gegen Alles, was einem Schiffe nur ähnlich sieht, zeigten, dazu noch bei ziemlich stürmischem Wetter und hochgehender See, ist keine kleine Arbeit. Meine Chasseurs zeigten aber einen solchen Eifer, und die englischen Matrosen, die dabei helfen mußten, eine so große Geschicklichkeit und Kaltblütigkeit, daß die ganze Einschiffung von Statten ging, ohne daß ein einziges Pferd uns dabei verunglückte. Den besonders bösen Hengsten wurden die Augen mit einer Kappe verhüllt, Maulkörbe, die von Stricken geflochten waren, angelegt, daß sie nicht beißen konnten, ein[WS 1] Hinterfuß kreuzweis durch einen starken Riemen mit dem einen Vorderfuß gefesselt und so das Thier in das Boot, was uns an die Fregatte hinanruderte, geschoben. Einzelne kleine Unfälle kamen hierbei freilich vor, und an Biß- und Quetschwunden und blauen Flecken, welche manche Reiter erhielten, war kein Mangel, sonst aber ging Alles ohne Unfall von Statten. Auf der Fregatte selbst war ein Hebezug an der einen Rae angebracht, von dem ein Seil bis in das Boot hinunter ging. Dem Pferde wurden nun zwei starke breite Gurte um den Leib gelegt, eine Winde auf dem Verdeck des Schiffes von einem Dutzend rüstiger Matrosen gedreht, und im Nu schwebte das Pferd hoch oben in der Luft und wurde auf diese Weise, ohne daß es den mindesten Widerstand leisten konnte, in den Raum des Fahrzeuges hinuntergelassen. Hier waren Ställe gezimmert worden, der Boden mit fußhohen weichen Sand belegt, und so konnten es denn unsere Rosse schon einige Tage aushalten. Angreifen thut übrigens jede Seereise die Pferde ungemein, viel mehr, als wenn man sie noch so sehr am Lande gebraucht.

Welche tüchtige Seeleute die Engländer übrigens sind, und wie groß die Ordnung und strenge Disciplin am Bord ihrer Schiffe ist, konnten wir so recht bei Gelegenheit dieser Ein- und Ausschiffung unserer Pferde und während der vier Tage, die wir bei der Ueberfahrt von Varna nach Balaklava am Bord der Fregatte zubrachten, bemerken. Bei Gott, es war wirklich eine wahre Freude, mit anzusehen, wie fleißig und ausdauernd diese braven Burschen in ihren rothwollenen Hemden arbeiteten und besonders auch, welche große Liebe für die Pferde sie an den Tag legten. Dabei war eine auffallende Ruhe und Ordnung auf der ganzen Fregatte und es wurde nicht der zehnte Theil so viel hin und her gerufen, und die Mannschaft sprang lange nicht so oft in und aus dem Takelwerk, wie auf dem großen französischen Handelsschiff, was uns aus Algier bis nach Varna gebracht hatte. Merkwürdig gut vertrugen sich unsere Chasseurs mit den englischen Matrosen, und es herrschte eine so warme Freundschaft zwischen denselben, wie ich solche in Algier zwischen dem Soldaten unseres Landheeres und den Matrosen der Flotte niemals gefunden habe. Zwar war die gegenseitige Conversation nur sehr mangelhaft, da unsere Leute kein Englisch, die Engländer aber wieder kein Französisch sprechen konnten, und beschränkte sich auf einige Phrasen, unter denen das „à votre santé, bon camerade“ die häufigste war; aber dies that der warmen Freundschaft sonst weiter keinen Abbruch.

Arm in Arm wanderten Chasseurs und Matrosen häufig umher, und wer nur noch einen Tropfen Rum oder Wein in seiner Feldflasche hatte, der theilte denselben gewiß mit seinem neuen Freunde. Auch jetzt hier in dem Lager vor Sebastopol hat diese auffallend gute Kameradschaftlichkeit zwischen den englischen Matrosen und unseren Chasseurs d’Afrique noch keinen Abbruch erlitten. Erstere, die hier mehrere Batterien bedienen, besuchen uns häufig in unseren Zeltlagern, und haben besonders ihre Freude an den maurischen Hengsten unserer Leute.

Da unsere Hengste mit ihren Reitern ja fast beständig in Algerien zusammen bivouakiren, und maurische Rosse, wenn man sie nur einigermaßen gut behandelt, gewöhnlich eine große Gelehrigkeit und dabei Anhänglichkeit an ihre Reiter zeigen, so können von denselben Viele Kuststücke machen, wie man solche sonst nur im Circus der Kunstreiter sieht. Dies gewährt nun den englischen Matrosen das größte Vergnügen, wenn sie solche Kunststücke abgerichteter Hengste mit ansehen können. Oft ein paar Dutzend dieser stämmigen Burschen mit ihren breiten, von Sturm und Wetter gerötheten Gesichtern, eine Pelzkappe auf dem krausen blonden Haar, die Hände in die weiten Taschen ihrer plumpgeformten blauen Friesjacken, eine kleine, schwarzgerauchte Pfeife im Munde, stehen gaffend und staunend umher, und machen ihrer Freude in brüllendem Gelächter oder lautem, stürmischem Jubelruf Luft, wenn irgend so ein gelehriger Hengst frei herum galoppirt, auf Commando seines langjährigen Reiters Sachen apportirt, sich todt stellt und plötzlich wieder aufspringt, und was dergleichen müßige Spielereien mehr sind. Kommen aber Chasseurs von uns in die englischen Batterien, die von den Matrosen bedient werden, so drängen sich ihnen von allen Seiten neue Freunde, ihre Rumflaschen in der Hand, entgegen, und es wird ihnen so viel und so herzlich zugetrunken, daß sie nur zu oft in stark schwankenden Schritten diese Orte der unbegrenzten Gastfreundschaft wieder verlassen konnten.

Auf der englischen Fregatte selbst, auf welcher wir die Ueberfahrt machten, waren wir fünf Offiziere meiner Escadron zu Mittag stets die Gäste des commandirenden Kapitains, eines noch ziemlich jungen und dabei sehr liebenswürdigen Mannes. Die Tafel war stets mit dem größten Glanze servirt, das Tischzeug feinster Damast, die Bestecke schweres Silber, und auch die fünf bis sechs Gänge, die des Kapitains Koch bereitet hatte, ließen nichts zu wünschen übrig. Als Wein wurde vortrefflicher Bordeaux, dann Portwein und zuletzt Champagner servirt, und sprachen wir der Flasche ziemlich stark zu, so daß unsere Diners häufig von vier Uhr Nachmittags bis acht Uhr Abends währten. Was soll man auf einem Schiffe als bloßer Passagier auch wohl anders beginnen, als möglichst viel schlafen und dann recht lange bei Tische sitzen. Trotz dieser sehr guten Bewirthung, die wir Alle hatten, denn auch unsere Leute, die während der Ueberfahrt auf Kosten der englischen Regierung verpflegt wurden, hatten das beste Rindfleisch, Reis, Brot und Kaffee vollauf, waren wir Alle sehr erfreut, als wir in dem Hafen von Balaklava die Anker warfen.

Ungleich geschwinder wie das Einschiffen ging das Ausschiffen unserer Pferde von Statten, und besonders auch unsere Soldaten, die gar nicht erwarten konnten, den Boden der Krim zu betreten, beeilten sich dabei auf eine Weise, wie ich solche nie vorher gesehen habe. Die Pferde wurden einfach in das Meer hineingelassen, und mußten dann einige 50 bis 60 Schritte schwimmen, bis sie an das Ufer kamen, was auch ohne die mindesten Unfälle geschah. Wie neubelebt waren aber die Pferde, als ihre Hufe nun erst den festen Boden berühren konnten, tanzten muthig umher, und bliesen schnaubend die Nüstern auf, gleich als wollten sie die milde und sonnige und dabei doch so frische und belebende Oktoberluft der Krim in vollen Zügen einathmen, Und auch meine Chasseurs waren so munter und ausgelassen und sangen und jubelten, daß es für einen Offizier eine wahre Freude war, sich unter so kriegsmuthigen Leuten zu befinden. So wie ein Boot das Land berührte, und die Dreinsitzenden heraussprangen, thaten sie dies gewiß nicht, ohne in den lauten Jubelruf: „vive l’empereur“ auszubrechen, dem häufig dann noch ein nicht minder begeistertes: „en avant pour la gloire et l’honneur de la France“ folgte. Am Ufer aber wimmelte es von mannigfachen Zuschauern, die neugierig dem Schauspiel unserer Ausschiffung zusahen, und laut ihre Freude über unsere zierlichen und muthigen und dabei wieder so frommen und gelehrigen afrikanischen Hengste äußerten. Französische Soldaten aller möglichen Waffengattungen, untermischt mit englischen Infanteristen, Kavalleristen und Artilleristen bildeten den Haupttheil der Zuschauer; dann aber auch zahlreiche Matrosen der vielen englischen und französischen Kriegs- und Handelsschiffe, und Gott weiß, was für Leute noch sonst alle sich hier zusammengefunden haben mochten. Die Franzosen begrüßten uns mit einem lauten „vivent les braves chasseurs d’Afrique“ und bezeugten uns auch sonst ihre große Freude, daß wir endlich angekommen waren, da an Reiterei bisher ein großer Mangel beim Heere war, und auch die Engländer jubelten und riefen ein Hurrah über das andere. Besonders unsere Pferde schienen den Engländern sehr zu gefallen, und sie standen stets in dichten Kreisen darum herum, streichelten sie, gaben ihnen Brot zu fressen und gar häufig konnte man ein „very good, very good“ von denselben hören. Als mein

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_006.jpg&oldid=- (Version vom 4.1.2021)