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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

wurden, haben sich niedergethan. Eine Meute wachsamer Hunde hält die Wacht. Mit einem Male läutet sie hell auf, im Nu ist sie versammelt und stürmt in einer Richtung in die Nacht hinaus. Man hört den Lärm eines kurzen Kampfes, wüthende, bellende Laute und grimmiges, heißeres Gebrüll – sodann Triumphgeläut – eine Hyäne umschlich das Lager, mußte aber vor den muthigen Wächtern der Heerden nach kurzer Gegenwehr die Flucht ergreifen. Einem Leoparden würde es nicht besser gegangen sein. Urplötzlich scheint die Erde beben – in nächster Nähe brüllt ein Löwe. Dreimal – so sagen die Eingebornen – kündet er mit donnernder Stimme seine Ankunft, dann nähert er sich der Serieba. In dieser offenbart sich die größte Bestürzung. Die Schafe rennen gegen die Dornenhecken, die Ziegen schreien laut, die Rinder rotten sich mit lautem Angstgestöhn zu wirren Haufen zusammen, das Kameel sucht, weil es gern entfliehen möchte, alle Fesseln zu zersprengen. Und die muthigen Hunde, welche Leoparden und Hyäne bekämpften, heulen laut und kläglich und flüchten sich zu ihrem Herrn. Dieser aber wagt sich nicht hinaus in die Nacht; er wagt es nicht, nur mit seiner Lanze bewaffnet, einem so mächtigen Feinde gegenüberzutreten und läßt es geschehen, daß er mit einem gewaltigen Satze die oft zehn Fuß hohe Dornenmauer überspringt und sich ein Opfer auswählt. Ein Schlag seiner furchtbaren Pranken betäubt ein zweijähriges Rind, das kräftige Gebiß zermalmt die Wirbelknochen des Halses und damit den Lebensnerv des widerstandsunfähigen Thieres. Dumpf grollend liegt der Räuber auf seiner Beute, die großen Augen funkeln hell vor Siegeslust und Raubbegier. Dann tritt er seinen Rückweg an. Er muß zurück über die hohe Umzäunung und will auch seine Beute mit sich nehmen. All’ seine ungeheure Kraft ist erforderlich, mit dem Rind im Rachen den Rücksprung auszuführen. Aber er gelingt und nun schleppt er die schwere Last mit Leichtigkeit seinem, vielleicht eine Meile entfernten Lager zu. Alles Lebende am Lager athmet freier auf, es schien durch die Furcht gebannt zu sein. Der Hirt ergiebt sich gefaßt in sein Schicksal, er weiß, daß der Löwe seiner Heerde immer auf dem Fuß folgt, mag er sich wenden wohin er will. Der Verlust, den er durch den König der Wildniß erleidet, ist ebenso groß als die Steuer, welche er in untadelhaften Viehstücken dem Könige des Landes geben muß. Zwei Könige fordern Tribut von ihm, er muß beiden gerecht werden; beider Forderungen sind unabwendbar. Er ist froh, wenn ihn der Himmel noch vor größerem Unheil bewahrt.

Ich bin erst durch vielseitige Versicherungen der Eingebornen und eigene Anschauung überzeugt worden, daß der Löwe wirklich ein derartiges Kraftstück auszuführen vermag, wie den oben erwähnten Zaunsprung. Man hat mir am blauen Flusse eine Serieba von mindestens acht Fuß Höhe gezeigt, über welche ein Löwe mit einem Rind im Rachen gesprungen war. Wenn sich meine Leser ein Bild des Löwen der Wälder Ost-Sudahn’s machen wollen, bitte ich sie, die halberwachsenen, halbverkrüppelten Exemplare, welche man in Menagerieen sieht, nicht zum Maßstabe zu nehmen.

Man könnte das Gebrüll des Löwen einen Ausdruck seiner Kraft nennen; es ist einzig in seiner Art und wird von keiner Stimme eines anderen lebenden Wesens übertroffen. Die Araber haben ein sehr bezeichnendes Wort dafür: „raad,“ donnern. Beschreiben läßt es sich nicht. Tief aus des Löwen Brust scheint es hervorzukommen, es scheint diese zersprengen zu wollen. Furchterregend schlägt es an jedes Ohr. Die heulende Hyäne, der brummende Panther, die blöckende Heerde verstummt; der gurgelnde Affe klettert zu den höchsten Aesten der Baumwipfel hinauf; die Gazelle entflieht in eiligem Laufe; das beladene Kameel zittert, gehorcht keinem Zuruf seines Treibers mehr, wirft seine Lasten, seinen Reiter ab und sucht sein Heil in eiliger Flucht. Und selbst der Mensch, der sowohl Ausgerüstete, jedes Thier geistig so hoch Ueberragende, fragt sich, ob wohl seine moralische Kraft der höchsten Potenz der physischen die Spitze bieten könne.

„Der Mann, der nie gebebt in seinem Leben,
Der fühlet hier zum ersten Mal sein Herz erbeben.“




Tod unter Flötenspiel. Der Medicinalrath Dr. Froriep in Weimar war in früheren Jahren bei dem verstorbenen König Friedrich von Würtemberg Leibarzt gewesen. Dieser Fürst, der in den letzten Lebensjahren an übermäßiger Leibesstärke litt, war ein gestrenger, eigenwilliger Herr; es konnte deshalb nicht leicht sein, in seiner Nähe mit einem Schimmer von Selbstständigkeit zu existiren. Froriep brachte dies zu Stande. Geachtet und beachtet stand er dem Fürsten zur Seite, der ihn stets verschonte, wenn er rechts und links seine Schläge austheilte. Er endete seine Praxis am Bette seines fürstlichen Patienten auf eine höchst komische Weise. Der König lag im Sterben; Froriep, der mehrere Nächte gewacht hatte, suchte, vom Schlaf bezwungen, einen entfernt stehenden Armsessel auf und streckte sich darauf aus. Kaum wurden jedoch die Polster von ihm berührt, als ein in ihnen verborgenes Flötenspiel zu tönen begann, und die Melodie: „Blühe, liebes Veilchen“ vortrug. Der Arzt sprang auf, allein der musikalische Stuhl war nicht zum Schweigen zu bringen, und der mit dem Tode ringende König mußte in Begleitung der kleinen Arie aus dem Leben gehen.




Das Pfennig-Magazin vor Jahren einst das verbreitetste Blatt in Deutschland, ist mit Ende dieses Jahres schlafen gegangen.



Allgemeiner Briefkasten

A. S. in L. Den gerührtesten Dank für Ihren guten Rath. Nur einen halben Bogen Gedichte jede Woche und für jedes Gedicht Einen Louisd’or wünschen sie, und dafür sollen die Leser der Gartenlaube 15 Sgr. mehr zahlen.

O glaube mir, der manche lange Jahre
An dieser harten Speise kaut,
Daß von der Wiege bis zur Bahre
Kein Mensch den alten Sauerteig verdaut!
Glaub’ unser einem, dieses Ganze
Ist nur für einen Gott gemacht!


H. in H. Der Artikel ist recht gut gemeint, eignet sich aber doch nicht zum Abdruck. Uebrigens ist nun einmal der Weltlauf so.


P. in L. Wiederholt benachrichtigen wir Sie, daß die Nachlieferung von Defekten nicht unsere Sache ist. Sobald Sie auf einem Postamt abonnirt, ist dieses auch verpflichtet, sämmtliche Nummern des Quartals zu liefern. Unregelmäßigkeiten sind sofort der höhern Postbehörde anzuzeigen.


T. in Z. Besten Dank für schnelle Uebersendung. Der Aufnahme wird hoffentlich nichts entgegenstehen.


K. in F. Ihrem Verlangen können wir beim besten Willen nicht nachkommen. Sie scheinen überhaupt von der technischen Herstellung einer Zeitschrift, von so großer Auflage wie die Gartenlaube, keine rechte Vorstellung zu haben. Die redaktionellen Schwierigkeiten, die Herstellung der Illustrationen, der Satz der Manuscripte und die Correctur lassen wir ganz unberührt, aber vergessen Sie nicht, daß wöchentlich 100,000 Bogen gefeuchtet, jeder einzelne Bogen satinirt, d. h. zwischen zwei Zinkplatten gepreßt werden muß, daß jeder dieser Bogen zwei Mal die Druckpresse zu durchlaufen und bedruckt, dann wieder in die Glättpresse zu legen und zu pressen ist, und erst dann weiter in die Hände des Buchbinders übergeht, der die Auflage zu falzen hat. Das ist keine Arbeit von drei bis vier Tagen, wie Sie glauben, obwohl (die Autoren, Correctoren, Setzer, Zeichner, Holzschneider und Papierfabrikaten ungerechnet) 40 Menschen unausgesetzt oft Tag und Nacht an jeder Nummer arbeiten. Sie werden begreifen, daß Ihre Wünsche unausführbar sind.


A. K. in D. Sie wollen die Laufbahn eines Schriftstellers einschlagen. Sie träumen eine goldene Zukunft, hoffen auf Anerkennung, Auszeichnung und Reichthum. Lieber Herr, wenn es noch Zeit ist, so kehren Sie um, Sie wissen nicht, was es heißt, sein Brot mit der Feder zu verdienen und ahnen wohl schwerlich die Berge von Hindernissen, die sich Ihnen in den Launen des Publikums und der Buchhändler entgegenstemmen. Es ist ein hartes – hartes Brot! Vor einigen Wochen sandte mir ein bekannter Autor sein neuestes Buch zur Besprechung. Er bat um einige empfehlende Worte. „Ich habe,“ schrieb er, „dieses Buch mit so viel Kummer und unter so viel Thränen ausgearbeitet, daß ich wohl Hoffnungen darauf zu setzen berechtigt bin.“ Armer Mann – wer kennt und was fragt das Publikum nach Deinen Thränen! Und ein eben so oft genannter Schriftsteller meldete wieder: „Ich schreibe diese wenigen Zeilen im Bett – matt und frierend! Ich schäme mich nicht, es Ihnen zu gestehen, daß ich seit drei Tagen das behagliche Gefühl einer warmen Stube nicht gehabt. Meine Mittel sind zu Ende. Ich habe fleißig gearbeitet, zwei Manuscripte im Pulte, zwei verkauft, aber wohin ich auch komme, vertröstet man mich auf die nächste Ostermesse oder entschuldigt sich beim meinen Offerten mit Krieg und theuern Zeiten. Können meine Kinder bis nächste Ostermesse warten? Geehrter Herr, ich wende mich in meiner Noth an Sie – wenn Sie einen kleinen Posten, wenn auch nur mit geringem, aber sicherm Einkommen zu vergeben haben, um meinen armen Kindern Brot etc. etc. ......“

Sehen Sie, lieber Herr, das ist die Kehrseite. Sie kennen nur die glänzende Kritik in den Zeitschriften, die papiernen Ehrenbezeugungen, die leuchtende Glorie um das Haupt eines gefeierten Tagesschriftstellers – das Elend, die Noth und die Thränen, die sich oft hinter diesem Glanz verstecken – die sehen Sie nicht. Wenn es noch Zeit ist – kehren Sie um!

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_016.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)