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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

gemeinen Leben weniger bekannten und beachteten Algen keine Blüthen haben. Wir nennen sie daher die blüthenlosen Pflanzen. Linné nannte sie deshalb kryptogamische, im Verborgenen blühende Pflanzen, weil viele von ihnen zwar keine eigentliche Blüthe, aber doch meist mikroskopischkleine Anfänge einer Blüthenbildung haben.

Nach einer anderen Auffassung können wir die blüthenlosen Pflanzen auch samenlose oder, um es nicht verneinend, sondern bestimmend auszudrücken, Keimkorn- oder Sporenpflanzen nennen.

Diese Benennung beruht auf der wesentlichen Verschiedenheit, welche im innern Bau der Fortpflanzungsmittel der Gewächse stattfindet. Der echte Same, z. B. eine Eichel, Mandel, ein Bohnenkern, enthält immer einen vorgebildeten Keim, welcher mit anderen Theilen des Samens von der Samenschale umschlossen ist. Letztere wird beim Keimen des Samens von dem Keime durchbrochen und zwar immer an einer bestimmten Stelle. Wir mögen z. B. eine Eichel mit der Spitze auf- oder abwärts[WS 1] in den Boden legen, immer kommt der Keim - streng genommen, blos die eine Hälfte desselben, aus welchem die Wurzel wird - aus der Spitze derselben hervor, und biegt sich dann, wenn wir die Eichel mit der Spitze nach oben gelegt haben, abwärts, um in das Erdreich zu dringen.

Pilze, Flechten, Algen und Moose

Anders sind die Samenkörnchen der blüthenlosen Pflanzen beschaffen. Sie sind immer blos einzelne, einfache oder durch innere Querscheidewände abgetheilte Zellen von außerordentlicher Kleinheit. Während also aus einer keimenden Bohne der schon vorgebildete Keim an einer bestimmten Stelle hervortritt und, wie wir bald sehen werden, die übrige innere Masse der Bohne ein Nahrungsbehälter für den Keim ist, so ist dagegen das Samenkörnchen eines Mooses eine unendlich kleine einfache Zelle, welche sich im Erdboden beim Keimen blos ausdehnt und theils dadurch, theils durch Hinzubildung neuer Zellen sich allmälig zum Moospflänzchen entwickelt. Deshalb darf man auch nicht sagen, daß den Samen der blüthenlosen Pflanzen der Keim fehle. Es fehlen ihm vielmehr die umfänglichen Hüllen, welche im Samen der Blüthenpflanzen den Keim umgeben. Die eben geschilderte einfache Zelle der blüthenlosen Pflanzen ist der Keim, der nackte Keim, und Same zugleich. Jedoch sind diese einfachen Zellen nicht immer nackt, sondern haben oft, wie wir es z. B. bei den Farrenkräutern sehen werden, eine zweite härtere, äußere Schale, welche von der eingeschlossenen zarthäutigen Zelle durchbrochen wird. Jedenfalls werden Sie es ganz gerechtfertigt finden, daß man diese so höchst einfachen und stets unsichtbar kleinen Samenkörnchen der blüthenlosen Pflanzen nicht Samen nennt, sondern ihnen den Namen Keimkorn, oder Spore gegeben hat. Nach letzterer zwar lateinischen, aber in die deutsche Wissenschaftssprache aufgenommenen Benennung nennen wir also die blüthenlosen Pflanzen auch Sporen-Pflanzen.

Sie bilden gewissermaßen eine niedere Hälfte des Gewächsreichs; wenn auch für das unbewaffnete Auge minder schön als die Blüthenpflanzen, dem bewaffneten aber oft überraschende Zierlichkeit enthüllend und an Zahl der Arten den Blüthenpflanzen vielleicht nicht nachstehend.

Die erste Klasse der Sporenpflanzen bilden die Pilze, Ihnen allen durch die Champignons und andern eßbaren Pilze[1] bekannt. Diese sind die verhältnißmäßig riesigen Großwürdenträger der Klasse, welche übrigens großentheils aus Gebilden besteht, welche Sie wegen ihrer Kleinheit und Unansehnlichkeit kaum für Gewächse anerkennen würden.

Als Beispiel hiervon mache ich Sie auf den abgebildeten absterbenden Mohnkopf (F. 1. mo.) aufmerksam, an dessen Stiele Sie schwarze Flecke bemerken. Unter dem Mikroskop lösen sich diese Flecken in Wälder unendlich kleiner, äußerst zierlicher Bäumchen auf, von denen Sie eins in stärkster Vergrößerung dargestellt sehen (Fig. 1'''.)[2]. Das Bäumchen ist perlschnurartig aus Zellen gebildet und trägt an den Spitzen und an der Seite der Aestchen die durch Querscheidewände abgetheilten Sporen oder Keimkörner, deren Bau Ihnen die noch stärkere Vergrößerung sp'''. veranschaulicht.


  1. In Süddeutschland Schwämme genannt.
  2. 1, 2 oder 3 Strichelchen oben rechts neben der Ziffer oder dem Buchstaben bezeichnen schwache, mittelmäßige oder starke Vergrößerung. Ein kleiner Kreis an dieser Stelle drückt Verkleinerung aus. Wo beides fehlt, da stellt die Figur die natürliche Größe dar.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: obwärts
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_025.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2020)