Seite:Die Gartenlaube (1856) 026.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Solche außerordentlich einfach und doch mit tausendfach abwechselnder Zierlichkeit gebildete Pilzgebilde entwickeln sich vorzugsweise da, wo organische Körner in Zersetzung und Gährung oder Fäulniß begriffen sind, also z. B. auf absterbenden Pflanzentheilen, an faulenden Baumstöcken, abgefallenem Laube u. s. w. Manche davon dringen zu Ihrem Verdruß in Ihre Speisekammer, obgleich sie es nicht sind, was Ihre Vorräthe an Pflaumenmuß oder Himbeersaft verdirbt, oder ihre Aepfel zum Faulen bringt; diese Pilzgebilde, die man allgemein mit dem Namen Schimmel belegt, fanden sich erst ein, nachdem jene Stoffe bereits in Gährung begriffen waren.

Obgleich nun alle Pflanzen nur von in chemischer Auflösung begriffenen Stoffen leben, so sind doch recht eigentlich die Pilze Fäulnißpflanzen zu nennen, welche sich schnell auf den Leichen ihrer höher ausgebildeten Schwestern ansiedeln.

In anderer Weise eigenthümlich ist das Leben der Flechten, der zweiten Pflanzenklasse. Von ihnen kann man fast in buchstäblichem Sinne sagen, daß sie von der Luft leben. Sie kennen sie als die grüngrauen Bärte, welche namentlich in Gebirgsgegenden von den Zweigen alter Tannen herabhängen. Selten ist ein Baumstamm ganz frei von Flechten; oft sind sie ganz davon überzogen, obgleich sie dann die Volkssprache, die überhaupt mit dem Worte Moos einen heillosen Mißbrauch treibt, bemoos’t nennt. F. 2. zeigt Ihnen ein Tannenreis, auf welchem sich eine solche Bartflechte angesiedelt hat. Ihre fadenförmigen, vielfach zertheilten Zweige tragen kreisrunde Scheiben, deren Rand wieder mit fadenförmigen Zweiglein besetzt ist. Diese Scheiben, die bei andern Flechten anders, obgleich bei den meisten als eigentliche Scheiben gebildet sind und Schüsselchen genannt werden, sind die Früchte der Flechten. F. 2. f.′ zeigt uns einen senkrechten Durchschnitt durch das Schüsselchen einer anderen Flechtenart, und wir können daran drei verschiedene Schichten unterscheiden. Die oberste ist die Sporenschicht, unter ihr liegt die sehr lockere Markschicht und zu äußerst die Rindenschicht, in welcher bei den Flechten die grüne Farbe, wenn auch nur erst noch schwach, auftritt, welche der Klasse der Pilze noch ganz fehlt. Die Stelle der Sporenschicht, welche an F. 2. f.′[WS 1] schwarz erscheint, ist in l.″[WS 2] stärker vergrößert dargestellt. Zwischen zarten Fäden, welches gestreckte Zellen sind, sehen Sie keulenförmige Schläuche, in welchen sich die Sporen entwickeln, von welchen sp.‴ eine in sehr starker Vergrößerung zeigt.

Fast auf bloße landkartenartige Zeichnungen beschränkt zeigen sich viele Rindenflechten, wie wir sie an der verkleinerten Figur 3o eines Stammstückes der Hagebuche sehen. Hier sind die Flechten blos ein dünner Schorf, in welchen die Fruchtbehälter entweder eingesenkt oder ihm auf der Oberfläche angeheftet sind. Die Stämme der Hagebuchen unseres Rosenthals, welche der Leipziger irrig für Buchen hält, deren es leider in Leipzigs schönen Laubwäldern keine giebt, werden Ihnen vielfältig als Originale zu meiner Figur dienen können.

Allgemein bekannt ist die Schüsselflechte (F. 4.), deren bei trocknem warmen Wetter dottergelbe, jetzt aber graugrüne lappige Ausbreitung die kleinen scheibenförmigen Sporenbehälter deutlich zeigt und auf der rissigen Borke vieler Bäume sehr gemein ist. Die Säulchenflechten (F. 5.) bilden auf dem Waldboden gebirgiger Gegenden oft einen dichten Ueberzug graugrüner zierlicher Wäldchen, welche in der warmen, trocknen Jahreszeit oft monatelang scheintodt und ganz trocken sind, so daß sie unter unseren Fußtritten knisternd zerbrechen wie zarte Korallen. Der Nachtthau oder ein einziger Regen ist aber hinreichend, sie wieder zu neuem Leben und Wachsthum anzutreiben. Die Korallenflechte, zu der Gattung der Säulchenflechten gehörig, ist gewiß vielen von Ihnen durch ihre schönen korallenrothen, traubig-knopfförmigen Fruchtbehälter bekannt, und nicht minder die Becherflechte, deren Champagner-Gläsern gleichende Stämmchen zu großen Trupps vereinigt namentlich auf alten Lehmmauern gefunden werden.

Wenn die Flechten Luftpflanzen genannt werden können, so sind in noch buchstäblicherem Sinne die Pflanzen der dritten Klasse, die Algen, Wasserpflanzen zu nennen. Nur wenige leben außerhalb des Wassers, aber auch diese bedürfen wenigstens einer sehr feuchten Luft, um gedeihen zu können. Dies gilt von den allbekannten grünen Beschlägen am Fuße feuchter Mauern und auf den Steinplatten unter dem Ausguß der Brunnen. Dieser

anscheinend gestaltlose grüne Ueberzug besteht aus Algengebilden der niedersten Rangordnung.

Die den Pilzen noch ganz abgehende, in den Flechten beginnende grüne Farbe tritt bei den Algen in ihrer ganzen Kraft auf, und zwar wie immer im Pflanzenreiche nicht als grüne Flüssigkeit oder als grüne Färbung der Zellenhäute, sondern in der Form außerordentlich kleiner grüner Körnchen, welche in dem an sich wasserklaren Zellsaft schwimmen.

Sie kennen die zarten grünen Fäden, welche sich an den hölzernen Wänden der Mühlgerinne, an den triefenden Mühlrädern, in Brunnenkästen ansetzen und auch in Gräben und Teichen oft in großer Fülle wachsen. Die schlüpfrigen, sich fest an die Hand anschmiegenden Fäden werden eben deshalb meist mit Widerwillen betrachtet, und doch erscheinen sehr viele von ihnen, die Familie der[WS 3] Conferven bildend, unter dem Mikroskop betrachtet, als die zierlichsten Bildungen. F. 9 zeigt uns einen solchen Algenschopf und daneben (f.‴) einen einzelnen Faden desselben, aus einer zarten Zellenreihe gebildet, in deren einzelnen Zellen das Blattgrün – so nennt man den grünen Farbstoff des Pflanzenreichs – in Spiralbänder geordnet ist. Aber noch einfacher gebildet, finden wir die Figuren 6‴ und 7‴, einzellige Algen darstellend. Diese dem bloßen Auge nicht sichtbaren Pflänzchen bestehen aus einer einzigen, wie wir sehen durch eine tiefe Einschnürung in zwei gleiche Hälften abgegliederten Zelle. Diese und viele andere Formen finden sich oft in zahlloser Menge in dem feinen Schlamme der Wiesengräben, wo freilich nur der Unterrichtete so zierliche Schönheit sucht.

Mit ihnen zusammen lebt hier das räthselhafte Geschlecht der Diatomeen oder Spaltalgen, deren älterer deutscher Name, Stabthierchen, keine Gültigkeit mehr hat, da man in neuerer Zeit die Pflanzennatur dieser sonderbaren Gebilde erkannt hat. Kleine, sehr manchfaltig gestaltete Zellen, immer mit einer zarten Kieselschale bedeckt, reihen sich meist linienartig an einander (F. 8.‴). Die große Vermehrungsfähigkeit dieser lange für Thiere gehaltenen Pflänzchen und die Unverweslichkeit ihrer Kieselschalen macht es erklärlich, daß man mächtige Schichten feiner Erde findet, welche lediglich aus diesen Kieselschalen besteht und nicht blos Bergmehl genannt, sondern in Lappland und Schweden auch zuweilen als Zusatz zum Brotmehl verbacken wird [1].

Im Meere lebt die schöne Algenfamilie der Tange und Fucoiden, unter denen, neben den kleinsten eben besprochenen, die größten Gewächse vorkommen. Sie kennen aus Campe’s Entdeckung von Amerika die Täuschung der kühnen Reisenden durch meilenweite Verwandlung der Meeresoberfläche durch Seegewächse in begrüntes Land. Es waren dies Tange, von denen manche über 1500 Fuß lang werden.

F. 10 ist eine kleinere Art dieser Tange aus der Familie der Rothtange und Florideen, so genannt wegen ihrer meist rothen Färbung.

Indem wir nun zu den Moosen übergehen, treten wir in eine Welt der zierlichsten Bildungen und von einer viel entschiedeneren Ausprägung der Pflanzengestalt. Die Blätter, welche bei den Rothtangen allein die ganze Pflanze bilden, treten in reiner Vollendung bei den Moosen der Fruchtbildung gegenüber. Wer liebt nicht diese prächtiggrünen Pflänzchen, welche bald mit sammtnen Polstern das faulende Strohdach der Hütte schmücken, bald als einladende Decke den Waldboden überziehen.

Die Moose zerfallen in zwei bestimmt von einander getrennte Gruppen: die Lebermoose und die Laubmoose. Jene erinnern in der Bildung ihres Laubes in einigen ihrer Arten noch an die unentschiedene Laubbildung der Flechten (man vergleiche F. 11 mit F. 4.). Die große Mehrzahl der Lebermoose trägt auf einem zarten Stielchen eine kleine schwarzbraune runde Kapselfrucht, welche in Klappen aufspringt (F. 11. k′) und zwischen niedlichen Schläuchen, in denen ein oder zwei Spiralfäden laufen, die kleinen[WS 4] Keimkörner enthält (F. 11. sch‴. und sp‴.). F. 12. zeigt uns von einigen anderen Lebermoosen mit entschieden ausgebildeten Blättchen die Form und Stellung derselben.

Da die Lebermoose fast nie in so großer Menge beisammenwachsen wie die Laubmoose, so sind es fast nur die letzteren, was wir im gewöhnlichen Leben unter Moosen schlechthin verstehen. Mit einigen wenigen Ausnahmen sind die Laubmoose sehr übereinstimmend gebaut. Das zierlich beblätterte oft auch verzweigte


  1. Mehr hierüber S. G. L. 1853. Nr. 20.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: F. 1. f.
  2. Vorlage: l
  3. Vorlage: des
  4. Vorlage: kleine
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_026.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2020)