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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

ebenfalls nicht entbehrt werden, dienen jedoch nicht zur Blutbereitung, sondern indem sie im Körper einer Art von Verbrennung unterliegen, zur Hervorbringung der Körperwärme. Wir können vier solche Stoffe im Getreide auffinden; nämlich Stärkemehl oder Amylum, ist der Hauptbestandtheil der Getreidekörner, indem es sich zu 60-70 Procent darin findet. Es erscheint in sehr kleinen, weißen; festen, kugelförmigen oder ovalen Körnchen, die in kaltem Wasser zu Boden sinken (Satzmehl), ohne sich darin aufzulösen; in heißem Wasser dagegen sehr stark aufquellen und damit den dicken Stärkekleister bilden; Gummi oder Dextrin, ist im Wasser sehr leicht auflöslich und findet sich nur zu 2-4 Procent in den Getreidekörnern; Holzsubstanz oder Cellulose, ist in Wasser völlig unlöslich, unverdaulich und bildet 5-7 Procent der Getreidekörner; und fettes Oel, gleicht dem Olivenöle; findet sich aber nur zu 1½-4 Procent; nur die Maiskörner enthalten 8-10 Procent fettige Bestandtheile, und unterscheiden sich durch ihren Fettreichthum von allen andern Getreidearten.

3. Mineralische Verbindungen, meistens Salze, sogenannte Aschenbestandtheile (da sie beim Verbrennen des Getreides als Asche zurückbleiben), in einer Menge von 1-4 Procent. Diese sind sämmtlich Substanzen, welche auch der thierische Körper zu seinem Bestehen, namentlich zur Bildung der Knochen braucht.

4. Wasser, ist in den Getreidekörnern zu 12-15 Procent enthalten; dasselbe entweicht selbst beim Erwärmen des Mehles nur theilweise; ist daher mit den verschiedenen Bestandtheilen desselben chemisch verbunden.

Diese Bestandtheile zusammen genügen; um den menschlichen Körper gesund und kräftig zu erhalten. Das Getreide nimmt somit unter den Nahrungsmitteln den ersten Rang mit ein.

Nicht weniger bemerkenswerth ist die Art und Weise, wie die eben genannten Stoffe im Getreidekorn abgelagert sind. Ein mikroskopischer Blick auf ein durchschnittenes Getreidekorn überzeugt uns von dem regelmäßigen Bau desselben. Wir bemerken sogleich, daß das Korn aus zwei Haupttheilen besteht; aus einem mehligen Kerne, der fast nur Stärkekügelchen enthält und aus der äußeren Hülle. Diese besteht nach Außen hin aus unverdaulicher Holzsubstanz, nach dem mehligen Kerne hin aus mit Kleber gefüllten Zellen. Der nahrhafteste Theil des Kornes, der Kleber, ist daher vorzüglich in einer besonderen Lage zwischen dem Mehlkerne und der äußern Hülle abgelagert, hängt aber sowohl mit dem Kerne als mit der Hülle innig zusammen. Wird das Getreide gemahlen, so bleibt ein Theil des Klebers an der Hülle sitzen, wird mit dieser als Kleie getrennt, und nur ein Theil vermischt sich mit dem Kerne zum nahrhaften Mehle. Dieser Verlust ist um so empfindlicher, da die Nahrhaftigkeit des Mehles, die Tauglichkeit desselben zur Brotbereitung, hauptsächlich von seinem Klebergehalte abhängt. Die Kleie geht für den Menschen verloren; denn nur in wenigen Gegenden wird sie mit dem Mehle zu Brot (Pumpernickel) gebacken; gewöhnlich als Viehfutter verwendet. So ausgezeichnet auch die Einrichtung der Kunstmühlen ist, so bleibt doch den Müllern noch die Aufgabe zur Lösung, die äußerste Hülle des Getreidekornes so rein abzutrennen, daß keine nährenden Theile mehr daran hängen bleiben. Das Verhältniß ist schon viel günstiger geworden; denn früher verlor man mit der Kleie ungefähr 30 Procent, jetzt verliert man noch etwa 9-15 Procent an nährenden Theilen; daher steht zu hoffen, daß die fortschreitende Zeit diesen Mangel gänzlich zu heben vermöge.

Die verschiedene Beschaffenheit des Mehles hängt also nicht allein von der Güte des Getreides, sondern namentlich auch von der beim Mahlen befolgten Methode ab. Das feinste Mehl ist zwar sehr weiß und weich, allein es enthält hauptsächlich nur Stärkekügelchen; das gröbere Mehl ist nicht so rein weiß, fühlt sich rauher an, ist aber gewöhnlich reicher an Kleber und daher nahrhafter, enthält auch etwas mehr von dem in dem Getreide enthaltenen Oel. Grauweiß wird das Mehl, wenn zugleich ein Theil der Kleie mit gemahlen wurde. Hat man das Getreide vor dem Mahlen mit Wasser befeuchtet, was früher allgemein geschah, so kann man zwar mit weicheren Mühlsteinen arbeiten, auch trennt sich die Kleie leichter ab, allein das Mehl erleidet schon während des Mahlens eine Veränderung, indem ein Theil des darin vorkommenden Gummi in Zucker übergeht und beim Aufbewahren wird es leicht klumpig, mulsterig und zuletzt unbrauchbar. Die trockenen Getreidekörner sind schwerer zerreiblich, erfordern härtere Mühlsteine, aber liefern ein sehr haltbares Mehl.

Natürlich hängt die Eigenthümlichkeit eines Mehles zunächst von der Getreideart ab, aus welcher es gewonnen wurde. Das Weizenmehl erhält man aus den Samen mehrerer Arten der Pflanzengattung Triticum (Triticum vulgare, gemeiner Weizen - Triticum turgidum, englischer Weizen - Triticum polonicum, polnischer Weizen - Triticum Spelta, Dinkel - Triticum monococcum, einkörniger Weizen etc.). Es ist durch seine weiße Farbe ausgezeichnet. Wird es in ein leinenes Tuch eingebunden und unter Wasser ausgeknetet, so läßt es eine bedeutende Menge eines sehr zähen; elastischen, an anderen Körpern fest anhaftenden Klebers in dem Tuche zurück. Verdorbenes Weizenmehl giebt bei gleicher Behandlung einen leicht zerreiblichen schleimigen oder wässerigen Kleber und ist daher leicht zu erkennen. – Das Roggen- oder Kornmehl wird aus den Samen der Kornfrucht, Secale cereale, erhalten. Es ist grau bis graubraun gefärbt, steht an nährendem Werthe dem Weizenmehle ziemlich gleich, hinterläßt aber beim Auskneten unter Wasser keinen so zähen Kleber, sondern läßt sich fast ganz durch die Poren eines Tuches drücken, was darauf zu beruhen scheint, daß es weniger Pflanzenfibrin enthält. Mit Wasser bildet es einen weniger zähen Teig als das Weizenmehl. – Das Gerstenmehl erhält man aus den Samen mehrerer Arten der Pflanzengattung Hordeum (Hordeum vulgare, gemeine Gerste – Hordeum distichum, zweizeilige Gerste – Hordeum hexastichon, sechszeilige Gerste). Es ist ziemlich weiß, enthält zwar eine nicht unbedeutende, doch zur Zeit noch nicht genauer ermittelte Menge von stickstoffhaltigen Bestandtheilen, welche sich aber mit den Stärkemehlkügelchen im Wasser zertheilen, sich daher nicht als Kleber abscheiden lassen. Es bildet mit Wasser keinen sehr zusammenhängenden Teig, kann daher für sich allein nicht zu richtigem Brote gebacken werden, wird aber in einigen Gegenden Deutschlands dem Roggenmehle beigemischt und verbacken. Die Hauptverwendung wird die Gerste stets in der Bierbrauerei und Branntweinbrennerei finden; auch geben die enthülsten Gerstenkörner das unter dem Namen Gräupchen allbekannte, vortrefflihe Gemüse; dagegen ist die Benutzung des Gerstenmehles zur Brotbäckerei nicht zu empfehlen. – Das Hafermehl gewinnt man aus den Samen mehrerer Arten der Pflanzengattung Avena (Avena sativa, gemeiner Hafer – Avena orientalis, türkischer Hafer – Avena nuda, nackter Hafer etc.). Es ist gelblich weiß, sehr reich an stickftoffhaltigen blutbildenden Bestandtheilen (enthülster Hafer, die sogenannte Hafergrütze enthält gegen 18 Procent) und ziemlich reich an Fett. Mit Wasser bildet es aber keinen richtigen Teig, weil sein stickstoffhaltiger Körper sich nicht als Kleber ausscheiden läßt, sondern sich im Wasser größtentheils auflöst, und ähnliche Eigenschaften, wie der in der Milch enthaltene Käsestoff zeigt. Es kann daher für sich zu keinem schmackhaften Brote verbacken werden, wird jedoch in mehreren Ländern, z. B. in Schottland dem Roggen- und Weizenmehl beigemischt und verbacken. Der Hafer ist jedenfalls ein ausgezeichnetes Nahrungsmittel; nur ist es besser, ihn in anderer Form zu genießen, z. B, als Hafergrütze; denn das Haferbrot kann den an ein gutes Brot zu stellenden Anforderungen nicht entsprechen. – Das Maismehl oder Welschkorn erhält man aus den Samen des schönen schilfartigen Grases Zea Mays. Es ist gewöhnlich ziemlich grobkörnig, gelb, und giebt mit Wasser einen wenig zusammenhängenden Teig; eignet sich daher ebenfalls nicht zur Brotbäckerei. Es ist sehr nahrhaft; enthält viel stickftoffhaltige Bestandtheile und Fett, und wird besonders im südlichen Europa mit Wasser zu einem ziemlich festen Kuchen (Polenta) oder zu einem Brei gekocht genossen. – Das Reismehl wird aus den Samen der Oryza sativa erhalten. Es ist sehr schön weiß, enthält aber nur wenig stickstoffhaltige Bestandtheile, hat daher einen viel geringeren Nahrungswerth, bildet mit Wasser keinen rechten Teig, und kann daher, wenigstens für sich allein nicht zu Brot gebacken werden. Die Reiskörner werden am häufigsten im ungemahlenen Zustande mit Wasser, Fleischbrühe oder Milch gekocht, als Gemüse genossen.

Hieraus ergiebt sich, daß mit Vortheil nur das Weizenmehl und das Roggenmehl zum Brotbacken verwendet werden können, während die anderen Getreidearten besser auf andere Weise benutzt werden. Aus dem Weizenmehle erhält man das ausgezeichnet schön aussehende Weißbrot. Dasselbe hat im frischgebackenen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_053.jpg&oldid=- (Version vom 6.2.2020)