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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Continente noch wie Wunder und Feinde ausgezischt und verfolgt wurden, noch für absolut unmöglich gehalten hätte. Jetzt giebt es schon englische Künstler, Dichter, Literaten und Lehrer in Marlboroughouse, die wie Helden aus dem ersten Buch Mosis aussehen. Seine Gestalt ist gedrungen und wohlgeformt, nicht groß und nicht klein, sein Blick äußerst klar, fest und wohlwollend, seine Sprache voll, rasch und warm. Er steht früh auf und arbeitet fast nur Vormittags. Nach Tische erholt er sich, unter Anderem durch Fußmärsche, die sich im Durchschnitt täglich auf zehn englische Meilen ausdehnen. Dies erhält seine feste, graziöse Gestalt, die ihn auch in seinen Leistungen als Schauspieler in geschlossenen Kreisen sehr begünstigt, fortwährend frisch und elastisch, so daß man noch keine Spuren der sonstigen civilisirten „Vierziger“ an ihm bemerkt.

Er ist kein „specifischer“ Engländer in seiner Persönlichkeit, sondern offen, zugänglich, wohlwollend, wohlthätig und ziemlich unbekümmert um die Fülle von Schätzen, die dabei verzehrt werden. Wie viele Thränen der Freude und des Schmerzes und der Schönheit und der Veredelung, wie vieles Grauen er auch vor den Abgründen des socialen Elends, der sittlichen und materiellen Verwahrlosung durch die Gesellschaft, den Staat in Millionen erregte, keimen, blühen und fruchten ließ, auf diese Wohlthaten beschränkt er sich nicht. Er weiß auch in der Wirklichkeit Thränen zu trocknen, Niedergebeugte mit warmer, fester Hand aufzurichten, nur daß man nicht davon spricht, nicht darüber schreibt, weil Jeder fühlt, daß er nicht zu den Pharisäern gehört, die nur der Zeitungen und des Profits wegen nicht vergessen, wohlzuthun und mitzutheilen.




Des Haares Krankheiten und Pflege.

Vorzeitige Grau- und Kahlköpfigkeit sind sehr häufige Leiden unserer Zeit, einer Zeit, wo man doch so oft und so viel Haare lassen muß, daß Einem die Haare zu Berge stehen könnten und daß man sich alle Haare ausraufen möchte. Aber wo die Haare zum Lassen, zum Zubergestehen und Ausraufen bei dieser haararmen Zeit hernehmen? Das ist die Frage, in der schon Mancher ein Haar gefunden hat. Beim männlichen Geschlechte müssen in der Regel die Barthaare für die Kopfhaare vicariiren, denn die Haare auf den Zähnen werden nicht für voll angesehen. Bei den Damen lassen sich allenfalls durch Häubchen oder die Frisur à la Chinoise dünne und kahle Stellen des Köpfchens maskiren. Am besten wär’s aber doch, wenn man ein brachliegendes Haarfeld so bearbeiten könnte, daß auf ihm wieder üppiges Haar wogte. Dies ist nun aber leider sehr selten zu erzielen, und es ist weit leichter, durch richtige Pflege des Haarbodens, das vorzeitige Absterben und Ausfallen des Haares zu verhüten. Deshalb geht mein Rath auch zunächst dahin, sich in Zeiten mit Haut und Haaren gehörig zu befassen, ehe man ein Grau- und Kahlkopf geworden ist.

Bei allen Haarangelegenheiten kommt hauptsächlich der häutige Haarboden mit dem Haarsäckchen, und zwar vorzugsweise der Haarkeim auf dem Boden dieses Säckchens, in Betracht, weil vom Blut dieses Keimes aus nicht blos die zellige und faserige Haarsubstanz, sondern auch die das Haar tränkende Flüssigkeit abgeschieden wird (s. Gartenlaube 1856. Nr. 1. und 1854. Nr. 44.46.). Sodann ist ferner noch der das Haar einsalbende Hauttalg und die in das Haarsäckchen einmündende Talgdrüse, sowie die sich fortwährend abschilfernde Oberhaut der behaarten Kopfschwarte nicht unberücksichtigt zu lassen. Die letztere kann nämlich am Austrittspunkte des Haares und Hauttalges Hinderniß veranlassen und so dem Haare Nachtheil bringen. - Wir könnten sonach als oberste Regel bei einer naturgemäßen Haarpflege die folgende aufstellen: „das Haar muß gehörig ernährt und richtig eingesalbt werden.“ Die Ernährung geht nun aber, wie gesagt wurde, vom Blute des Haarkeimes auf dem Boden des Haarsäckchens aus und es muß deshalb den Blutgefäßchen dieses Keimes stets die gehörige Menge und zwar guten Blutes zugeführt werden. Wer überhaupt zu wenig und krankes Blut im Körper hat, wie Blutarme (in Folge von Kummer und Elend, Gram und Sorge), Bleichsüchtige, Kranke und Reconvalescenten, oder wessen Kopfhaut durch irgend welchen Umstand (durch Druck, Spannung, Kälte, Hautentartung u. s. w.) blutarm wird, dessen Haar kann in Folge schlechter Ernährung sehr bald grau und locker werden oder ausfallen. Die Einsalbung des Haares mit Hauttalg scheint dazu nöthig, daß die Flüssigkeiten im Haare nicht so leicht verdunsten und dann das Haar austrocknet und erbleicht. Damit nun aber dieser Hauttalg, sowie das Haar selbst (mit seiner Flüssigkeit im Innern), auch ungehindert auf der Oberfläche der Kopfhaut hervortreten könne, darf die Oeffnung des Haar-Talgsäckchens nicht von Oberhautschüppchen und Schmutz (Pomate) verengert oder gar verlegt sein und deshalb ist auch das Aeußere der Kopfhaut von Einfluß auf das Gedeihen des Haares.

Ein hauptsächliches Erforderniß zum Conserviren des Haares ist hiernach die öftere Reinigung des Haarbodens (der Kopfhaut), die wenigstens jede Woche einmal vorgenommen werden sollte (noch häufiger bei Solchen, die am Kopfe sehr schwitzen) und theils im Abkämmen der Oberhautschüppchen, theils im Abwaschen der Haut mit lauem Seifenwasser bestehen muß. Das Waschen kann auch mittelst einer mäßig steifen, in das Wasser getauchten Haarbürste geschehen, und da, wo der Haarboden schwer zu reinigen ist, durch Zusatz einer kleinen Quantität Spiritus zum Wasser (etwa einen Eßlöffel auf ein Drittel Maaß) unterstützt werden. Gehen bei dieser Reinigung viele Haare aus, so muß sie in milderem Grade (mit weicher Bürste und weitem Kamme), aber öfterer geschehen. Denn man bedenke, daß jene Reinigung gleichzeitig auch einen heilsamen Reiz auf die Haut ausübt und den Blutzufluß zum Haarkeime vermehrt, wodurch die Absonderung der Haarsubstanz und Haarflüssigkeit befördert wird. Eine zu starke Reizung ist natürlich, wie alles Uebermäßige, nachtheilig; überhaupt taugt eine allzugroße Sorgfalt bei der Haarpflege nichts. Jeden Tag müssen die Haare ein- oder zweimal (des Morgens und Abends) gut durchgekämmt werden, auch ihrer Richtung entgegen, erst mit einem weiten und dann mit einem engen, sogenannten Staubkamme, und schließlich bürste man sie mit einer nicht zu scharfen Bürste tüchtig durch oder reibe die Kopfhaut mit Flanell gehörig ab. Zu starke Wärme darf übrigens ebensowenig wie zu große Kälte und schneller Wechsel zwischen Wärme und Kälte auf die Kopfhaut oft und lange einwirken, weil sonst die Ernährung des Haarsäckchens und Keimes gestört wird. Die häufigen kalten Waschungen und Uebergießungen des Kopfes sind dem Haarleben durchaus nicht förderlich. Ebenso ist das feste Binden der Haare beim weiblichen Geschlechte, sowie das zu häufige Abschneiden derselben beim männlichen sehr nachtheilig; dagegen schadet das Brennen der Haare durchaus nicht so viel, als man immer behauptet, ja, wenn es mit Vorsicht geschieht, scheint die Wärme des heißen Eisens und der sanfte Zug am Haare günstig (blutzuführend) auf den Haarboden einzuwirken. - Außer dem Reinigen des Haares und Haarbodens durch Kämmen, Bürsten und Waschen ist ein zweites Erforderniß für das Gedeihen des Haares: „die gehörige Einsalbung desselben.“ Hierzu dienen am besten die einfachen reinen fetten Oele, wie das Oliven- oder Provenceröl und das Mandelöl; sie sind den Pomaten, zumal den parfümirten und in ihrer Zusammensetzung geheim gehaltenen, weit vorzuziehen. Die Pomate hat übrigens ihren Namen von Pomata (ital. pomo, der Apfel), weil die erste Haarsalbe von einem römischen Arzte, Pittoni, mit Aepfelsaft bereitet wurde. Natürlich muß auch das Einölen des Haares mit Maaß und Ziel geschehen, und niemals so, daß die Haare wie durch Kleister zusammengeklebt erscheinen.

Betrachten wir nun die Krankheiten des Haares, so finden sich die Ursachen derselben ebensowohl in der Haut, dem Haarbalge und Haarkeime, wie im Haare selbst. Am häufigsten hört man über das Ausfallen und zeitige Grauwerden der Haare klagen. Hieran dürfte aber wohl in den meisten Fällen, abgesehen von einer mit Blutarmuth verbundenen Störung des Allgemeinbefindens, die Vernachlässigung der Haar- und Hautpflege die Schuld tragen, in Folge deren, wie oben angedeutet wurde, die Ernährung und Einölung des Haares leidet, und wodurch es dann zur Austrocknung und Erbleichung desselben kommt. Beiden Haarleiden muß sobald als möglich entgegengetreten werden und zwar dadurch, daß man die Kopfhaut öfters reinigt und mäßig reizt,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_075.jpg&oldid=- (Version vom 29.10.2017)