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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

der Ueberrest der Hansaflotte. Indeß man an der dänischen Küste gelandet, hatten die Dänen die Flotte überfallen, zwölf Schiffe genommen und die übrigen so übel zugerichtet, daß sie so schnell als möglich den heimischen Hafen suchen mußten.

Und wie nun die erschrocknen Lübecker weiter fragten, wie das geschehen konnte? da erhob sich unter der rückkehrenden Schiffsmannschaft nur eine donnernde Stimme der Anklage und ein Name schwebte auf allen Lippen, nur einem Mann gab man die Schuld: Johann Wittenborg.

Als Angeklagten, als Gefangenen hatte man ihn an Bord – der hochgeehrt ausgezogen, erlebte die schmachvollste Heimkehr. Ihm allein gab man es Schuld, daß er, während die Truppen an Dänemarks Küste gelandet, die Bewachung der Schiffe versäumt habe und so den Ueberfall derselben leicht gemacht. Einige sprachen von offenbarem Verrath, andere nur von Unverstand und Unvorsichtigkeit – Alle aber verdammten ihn und zeugten wider ihn.

Das schlimmste Zeugniß war die vernichtete Flotte. Gegenüber diesem Anblick, dieser Schmach ergrimmte ganz Lübeck und es fand eine jener Umwandlungen der Volksgunst Statt, die zu allen Zeiten und bei allen Völkern zu dem wüthendsten Fanatismus ausarten. Gerade weil man früher den Bürgermeister Wittenborg so hoch geehrt, weil man noch vor Kurzem so stolz auf ihn gewesen und seines Lobes sich nimmer hatte genug thun können, gerade darum verurtheilte man ihn nun so hart und so überschwänglich; wie man ihn erst gehuldigt, schmähte man ihn nun. Laut forderte man: daß er zur Rechenschaft gezogen, gefangen gehalten, bestraft, enthauptet werde – ja, um ihn der Volkswuth zu entziehen, konnte man nicht genug eilen ihn von dem Schiff auf das Rathhaus und dort in sicheren Gewahrsam zu bringen.

Katharina hatte nicht so bald diese Schreckensbotschaft erfahren, als sie an das Fenster trat und wartete, wenn sie Bertram, der ohne Zweifel auf dem Rathhaus war, werde von da zurückkehren sehen. Aber oft trat sie wieder zurück und mußte sich festhalten nicht umzusinken, wenn sie von Vorübergehenden zürnende Blicke wider das Haus gerichtet sah, Flüche und Verwünschungen ausstoßen hörte. Sie konnte daraus schließen, was ihr Vater selbst von einer solchen Stimmung zu erwarten habe. Endlich kam Bertram und kaum war sie ihn ansichtig geworden, so verließ sie ihr Haus und betrat kurz nach ihm das seinige. Es war der schwerste Gang ihres Lebens – aber er war der einzige Mann, von dem sie Rath und Beistand für ihren Vater hoffen, vorerst wenigstens von ihm hören konnte, da er ihn gewiß gesehen – und was thäte eine Tochter nicht für ihren Vater? –

(Schluß folgt.)




Die Azteken, der Buschmann und die Corana.

Die früheste Geschichte Central-Amerika´s erzählt von einer furchtbaren Wildniß, reich an tropischem Luxus, eine mehr als arkadische Region, unter dem Namen Analmac; dies war die Heimath eines schattigen Volksstammes, die Olmeks genannt. Diesen folgten die Tolteks, die ohne Zweifel die Griechen Amerika´s waren, oder noch mehr, in ihren Monumenten den phönizischen Ahnen der Athenienser glichen, da die Pyramide von Cholula aller Wahrscheinlichkeit aus derselben Zeit herrührt, wie die von Cheops.

Die Corana. Der Buschmann.

„Das Reich der Azteken“, sagt ein amerikanischer Autor (von denen die drei Staaten: Mexico, Tezuco und Tlacopan unter dem Gesammtnamen Anahuac besessen wurden) dauerte ungefähr 200 Jahre, als es von den Spaniern unter Cortez erobert wurde. Es ist dasselbe Gebiet, welches die Tolteks besaßen, ein Stamm, der geheimnißvoll verschwand, eine große Anzahl von Monumenten zurücklassend, die sie als ein merkwürdiges und mächtiges Volk beschrieb, das nie, nach den Historikern, seine Altäre mit Menschenblut befleckte, noch seine Feste durch den noch schrecklichern Gebrauch des Cannibalismus entwürdigte, wie es der Fall mit seinen aztekischen Nachfolgern war.

Diese Tolteks, die so geheimnißvoll und unerklärlich verschwanden, waren in aller Wahrscheinlichkeit die Stifter jener großen Städte, deren feste, steinerne Gebäude und Riesenwerke der Baukunst an Schönheit und Pracht, selbst in ihren Namen, den mächtigsten Trümmern, die in dem Wüstensande Egyptens zerstreut liegen, gleichkommen; aber woher diese Tolteks kamen, oder wohin sie verschwunden sind, muß für immer ein unerforschliches Geheimniß bleiben; Alles, was wir wissen, ist, daß ein merkwürdiger Stamm einst seine Heimath in dem großen Thale von Mexico, weit in der Kultur vorgerückt, inne hatte. Aber seine Sitten, seine Geschichte zu erfahren, wäre ein vergebliches Mühen.

Im Jahre 1325 stiegen die Azteken in das Thal von Mexico hinab. Durch eine kreisförmige Mauer von Bergen umschlossen, lag das siebzig Meilen große paradiesische Thal, bespiegelt von sieben Silberseen mit Einschluß der frischen Fluth am Chalco, des süßen Wassers und des Miniatur-Salzmeeres von Tezcuco. Innerhalb des letzteren Sees, auf den Inseln von Accocolco, deren sumpfartiger Charakter erforderte, daß man Steine vom Festlande bringe, errichteten sie ihre ersten rohen Hütten und legten zwischen das Schilfrohr den ersten Grund eines Reiches, welches in einem Bestand von 300 Jahren zu einer Größe stieg, die unvergleichlich ist. Von diesem winzigen Meere erhob das Venedig des Westens seine tausend Tempel und Paläste aus dem blauen Busen der Gewässer.

Im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts erstreckte sich ihre Herrschaft vom atlantischen bis zum stillen Ocean, von der Gegend der barbarischen Olmcos im Norden bis zu den fernsten Grenzen von Guatemala im Süden. Ihre Sprache wurde von sieben Stämmen in dem großen Thale und seinen Umgebungen geredet. Dies waren die Zochimilka’s, Topaneka’s, Celhua’s, Tlahuika´s, Mexicaner und Tlaskalaner. Der letztere Stamm warf ihre Herrschaft ab, und die andern sechs Stämme, durch wiederholte Niederlagen zurückgetrieben, hatten sich einige Meilen von der Stadt Tenochtitlon oder Mexico als unabhängige Republik erklärt, wo sie Jahre lang die Nebenbuhler und endlich die Ursache des endlichen Umsturzes und Falles der aztekischen Macht waren.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_156.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2017)