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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

und wissen ihre Feinde so auf’s Korn zu nehmen, daß unsere Chasseurs es auch nicht besser machen könnten.

Wir Alle hatten unsere Freude daran, daß an diesem Tage den Sardiniern ebenfalls Gelegenheit ward, sich auszuzeichnen, denn dieselben hatten hier schon viel Ungemach mit ertragen müssen, ohne daß sie bisher, außer einigen kleinen Vorpostengefechten, noch recht mit den Russen zusammen gerathen waren. An dem Tage suchten sie aber das Versäumte nachzuholen und ihre Büchsenkugeln und die wohlgezielten Kartätschenschüsse ihrer Artillerie haben manchem Russen aus diesem Leben geholfen. Jetzt haben die Sardinier wieder Ruhe, da sie zum Beobachtungskorps gegen das jenseits der Tschernaja stehende russische Korps gehören, und an den eigentlichen Dienst in den Laufgräben vor Sebastopol keinen Antheil nehmen. Wir Chasseurs d’Afrique kommen auf unseren weiten Rekognoscirungspatrouillen häufig mit diesen sardinischen Feldwachen zusammen, und es herrscht dann stets auf beiden Seiten das beste Einvernehmen. Weiß der Teufel wie es zugeht, aber im Ganzen vertragen wir Franzosen uns besser mit den Sardiniern, als mit den Engländern, mit Ausnahme der ostindischen Husaren und Lanciers. Diese Engländer sind gar so einförmig und langweilig und es ist keine rechte Lebendigkeit in ihnen, wie bei uns Franzosen. Ihre Soldaten wollen immer und immer Rum trinken und wir Offiziere der Chasseurs d’Afrique haben wahrlich aufzupassen, daß unsere eigenen Leute am Ende nicht auch noch zu diesem Laster sich neigen, da wir häufig mit diesen Engländern zusammen auf Vorposten sind. Wie zeigen sich da diese Sardinier in der Mäßigkeit aus, die trinken nicht so viel Wein, wie die Engländer Rum und haben dabei den ganzen Tag doch ihre frohe und heitere Laune und können oft stundenlang bei den Bivouakfeuern ihre Lieder in so schönen, vollen, reinen Chören singen, daß es wahrhaftig ein Vergnügen ist, ihnen zuzuhören. Nun, Zeit genug haben sie jetzt auch dazu, denn wenn wir Chasseurs auf Patrouillen sind, so passen wir gewiß so auf, daß die Russen keine heimlichen Ueberfälle machen können, und sich immer in weiter Entfernung halten und nur froh sein müssen, wenn wir ihnen nichts thun und sie in Ruhe und Frieden lassen.

Wir hatten früher immer so viel von den Kosaken gehört, und schon in Algier hatte man uns oft gewarnt, vor denselben auf unserer Hut zu sein, und ja recht aufzupassen, um uns nicht heimlicher Weise von ihnen überfallen zu lassen, da sie sehr gewandt und schlau wären. Bei Gott, ich muß gestehen, daß wir von allen diesen Eigenschaften bei den Kosaken, die uns hier gegenüberstehen, noch sehr wenig gespürt haben, und die Kabylen in Algerien weit gewandtere und daher auch gefährlichere Feinde sind wie jene. Zu einem regulären Reitergefecht waren dieselben noch nie recht zu bringen, und die einzige russische Kavallerie, die so weit Stand hielt, daß man einige Säbelhiebe mit ihr wechseln konnte, waren reguläre Husaren und Uhlanen, die Kosaken kehrten in der Regel sogleich um, wenn wir nur gegen sie anritten. Und mit ihrer Schlauheit im Vorpostendienst ist es hier auch nicht weit her, und eine Feldwache, die sich von diesen Kosaken heimlicher Weise überfallen ließe, muß gewaltig ungeschickt oder nachlässig sein, und ihr Kommandant verdiente, daß man ihn vor ein Kriegsgericht stellte und ihm zur Strafe eine Kugel durch den Kopf jagte. Selbst gegen die Engländer, die ihren Vorpostendienst doch gewiß so ungeschickt wie nur möglich versehen, haben diese Kosaken noch nicht viel ausrichten können, und auch türkische Offiziere von der Kavallerie, die der Iskender-Bei kommandirt, haben uns erzählt, daß sie dieselben an der Donau bei jeder Gelegenheit in die Flucht geschlagen hätten. Am Kaukasus, da soll der Kaiser von Rußland noch Kosaken besitzen, die etwas taugen, von allen aber, die uns hier in der Krim gegenüberstehen, kann man dies wahrhaftig nicht sagen.

Auch die Pferde dieser Kosaken halten nicht so viel aus, wie ich anfänglich geglaubt hatte, und die Hengste, die wir Chasseurs d’Afrique aus Algier mit herüber brachten, sind nicht allein schneller, sondern auch ausdauernder. Sonst haben die Russen gute Pferde und besonders ihre Artillerie ist weit besser bespannt, wie die unsrige. Ein sehr schönes russisches Pferd kaufte ich einem Zuaven, der es an der Tschernaja erbeutet hatte, für 200 Franks ab. Es ist ein Hengst von der tartarischen Race, ganz weiß mit braunen Flecken, gerade wie ein Tiger gezeichnet. Derselbe hat nur damals einen Schuß am Halse bekommen, so daß er noch nicht zu gebrauchen ist, sonst wäre mir es wohl auch nicht geglückt, ihn so wohlfeil zu erhandeln. Gute Pferde sind hier ungemein theuer, und besonders die englischen Offiziere, denen im letzten Winter ihre meisten Pferde gefallen sind, da diese das Klima nicht vertragen konnten, kaufen alle nur irgendwie brauchbaren auf, und bezahlen gern die höchsten Preise dafür, wenn sie solche nur bekommen können. Für meinen braunen Marokkaner, den ich seit sechs Jahren in allen Gefechten reite, sind mir von einem englischen Oberst schon 4000 Franks geboten worden; ich würde das Thier aber nicht hergeben und wenn er mir auch den doppelten Preis dafür böte. Diese Engländer müssen sich nicht einbilden, daß sie für ihr Geld Alles bekommen können, sogar die Kampagnepferde der französischen Offiziere.

Doch jetzt wird es mit meiner Schreiberei vorläufig wohl ein Ende haben, denn eine Ordonnanz sagt mir soeben, daß unsere Escadron in einer halben Stunde schon von den Vorposten zurückkommen werde. Dann ist keine Ruhe mehr in meinem Zelte, und der lustige K., der mit mir zusammen wohnt, treibt den ganzen lieben Tag so viele Possen, daß man keinen Augenblick in Ruhe bleiben kann, und an Schreiben dann gar nicht zu denken ist. Die Ordonnanz sagte mir, daß die Unsrigen ein kleines Vorpostengefecht mit russischen Husaren gehabt und einige Pferde dabei erbeutet hätten, ohne selbst einen Verlust zu erleiden. Nur einem Chasseur sei die Mütze von einer russischen Büchsenkugel vom Kopfe gerissen worden. Das hat man, während meine Chasseurs sich draußen herumschlagen, muß ich hier zurückbleiben. Es ist wahrlich um aus der Haut zu fahren. Doch jetzt will ich versuchen, mich auf das Pferd heben zu lassen, um der Escadron langsam im Schritte entgegenzureiten. Ich kann es gar nicht mehr erwarten, meine alten Blaujacken wieder zu sehen, von denen ich mich im Leben nie mehr trennen mag.

Mein nächster Brief wird hoffentlich aus Sebastopol selbst geschrieben sein, denn es muß doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir das verdammte Nest am Ende nicht erstürmen sollten. In diesem Augenblick fängt wieder eine gewaltige Kanonade an. Ja, der Pelissier, der versteht’s und heizt den Feinden brav ein, das hat er stets schon in Algerien uns bewiesen.



Ein Besuch im Python- und Schlangenhause
des zoologischen Gartens im Regentspark zu London.

Unter den Schätzen des zoologischen Gartens im Regentspark zu London – bekanntlich des reichsten in der Welt – sind die Reptilien-, Python- und Schlangenhäuser gewiß zu den interessantesten zu rechnen. Ich hatte sie oft besucht, ohne ihnen besondere Aufmerksamkeit zu schenken, da die Schlangen entweder wie todt auf ihren Bäumen oder auf den Steinen unten zusammengewickelt oder gar unter ihren rothen Decken versteckt lagen. Aber neulich kam ich endlich einmal zur rechten, interessanten d. h. ihrer Fütterungszeit, die blos alle Wochen einmal geboten wird. Freilich wollen auch dann Manche noch nichts zu sich nehmen, andere fasten sogar freiwillig mehrere Wochen lang. Noch unglaublicher klang es, als mir eine furchtbare Python-Schlange gezeigt ward, die zwei Jahre und zwei Monate keinen einzigen Bissen zu sich genommen hatte. Die meisten aber nahmen diesmal vor meinen Augen ihre gebotenen Mahlzeiten zu sich, die ökonomisch gereicht werden, so daß eine achttägige Zeit zur Wiederherstellung des Appetits hinreicht. Es war 3 Uhr Nachmittags, als ihr Tafeldecker und Speisewirth mit seinem Korbe eintrat. Die flatternden Opfer darin erregten sofort die Aufmerksamkeit aller Bewohner, die hinter großen, dicken Spiegelscheiben hervor in aller ihrer Gräßlichkeit und – Grazie Appetit verriethen. Der Schlangenspeisewirth geht durch eine Hinterthür in jede einzelne Höhle der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_162.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)