Seite:Die Gartenlaube (1856) 173.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Auf dem Architrav ruht der Fries, dessen Vorderfläche mit Bildwerken in Relief geschmückt wurde. Dieser trägt nach außen die weit vortretende Platte des Hauptgesimses, nach innen die Steinbalken der Hallendecke. Das Gesims, welches auf den Langseiten die horizontale Dachtraufe bildet, steigt an den Schmalseiten giebelartig auf und schließt ein dreieckiges Feld (Tympanon) ein, in welches Bildsäulen gestellt wurden. Das Gesims wird durch einen ausgehöhlten Rinnleisten bekrönt, der, über die Dachfläche hervorragend, das Regenwasser sammelt und durch die auf Ecken und an den Langseiten in gewissen Abständen angebrachten hohlen Thierköpfe hinabschickt. Das Dach mit sanfter Steigung ist mit Ziegeln gedeckt und durch palmettenartig verzierte, in gewissen Abständen stehende Stirnziegel (Akroterien) decorirt. – Die Wände der Cella werden aus horizontal gelegten, ohne Mörtel, nur durch sorgfältigste Fügung verbundenen Steinblöcken gebildet. – Das Innere des Tempels ist von nur untergeordneter Bedeutung. Es diente nur dem Bilde des Gottes als Behältniß und verlangte daher als Haupterforderniß eine Cella, welcher die Vorhalle (Pronaos) nur als Zugang diente, während an der Rückseite die entsprechende Säulenstellung das Posticum bildete. Manchmal wurde von der Cella noch ein besonderer Hinterraum (Opisthodomos) geschieden. Bei größern Tempeln wurde, um dem Innern mehr Licht zu geben, der mittlere Theil des Daches mit einer Oeffnung (Opaion) versehen und solche Tempel, wo also die Cella unter freiem Himmel lag, hießen Hypäthraltempel. Der mittlere Theil des Daches ruhte dann auf zwei Säulenstellungen und diese wieder auf dem Gebälke zweier unterer Säulenreihen.

Hinsichtlich ihrer Bestimmung unterschied man Kult- und Agonal-Tempel. In den ersteren (von einem heiligen Tempelbezirk umgränzt, von welchem aus dem Volke durch die geöffnete Tempelpforte nur der Blick in’s Heiligthum gewährt wurde) befand sich das Bild des Gottes mit den kostbaren Weihgeschenken, der Brandopferaltar (dem Eingange gegenüber) und die Weihwasserschale, aus welcher sich Der als Zeichen innerer Reinigung mit geweihtem Wasser besprengen mußte, wer in’s Innere treten wollte, um dem Gotte ein Weihgeschenk oder ein Opfer darzubringen. Die Fest- oder Agonaltempel waren nur als Besitzthum der Gottheit heilig, und enthielten anstatt des Kultbildes Gottes gewöhnlich nur eine kostbare Statue der Gottheit ohne Altar. Außerdem bewahrten sie noch die Kostbarkeiten des öffentlichen Schatzes und die zu großen Festzügen erforderlichen Geräthe. –- Obschon die Grundform des Tempels unabänderlich feststehend war, so gestattete sie doch mancherlei Abänderungen im Einzelnen und diese beziehen sich hauptsächlich auf die Anordnung der Säulenhallen, sowie auf die Behandlung von Gebälk und Giebel. Man nimmt danach einen dorischen und jonischen Styl an, aus denen dann als eine Ableitung die korinthische Form hervorging.

Dorische Säule mit Gebälke.

a. Dorischer Styl.

Ernst, würdig und feierlich, wie der Charakter der Dorer, ist das Wesen des dorischen Styles. In dichtgedrängten Reihen steigen vom Unterbaue zum Architrav mächtige Säulen ohne Basis und mit rundem kanellirtem Schafte (von 20 flachen Vertiefungen, die in scharfer Kante aneinander stoßen) kühn in die Höhe. Der Schaft (c) schwillt bis auf etwa ein Drittel seiner Höhe um ein Geringes an und verjüngt sich dann wieder allmälig. Dicht unter dem obern Ende zieht sich ein feiner Einschnitt (e) ringsum und bezeichnet den Hals der Säule; darüber folgen drei schmale Riemchen (d) und über diesen ladet die Säule, um das Kapitäl zu bilden, weit über den Schaft aus (Echinus b) und trägt eine kräftige viereckige Platte. (Abakus a). Auf dieser Platte ruht, etwas zurücktretend, der Architrav (f); ein schmales vortretendes Plättchen gränzt ihn nach oben vom Friese (g h) ab, der durch viereckige kanellirte Steinplatten (Triglyphen h), welche als Träger des Giebels erscheinen, in einzelne Felder getheilt und abwechselnd mit Sculpturen geschmückt ist. Die Anordnung der Triglyphen, die sich schon am Architrav durch sechs Pflöckchen (Tropfen) andeuten, ist so, daß über jeder Säule und zwischen je 2 Säulen sich eine erhebt. Das fast quadratische Feld (Metopon g) zwischen den Triglyphen ist entweder offen, bisweilen mit hineingestellten Gefäßen oder durch eine Steinplatte, die bald nackt, bald mit Reliefs (Zophoros) versehen ist. Das Kranzgesims (Geison i), welches nach oben den Fries begrenzt, besteht aus einer weit ausladenden hohen Platte und enthält die schmalen viereckigen, und nach unten mit Tropfen versehenen Dielenköpfe (Mutuli), einen über jeder Triglyphe und über jeder Metope. Das Dachgesims des Giebels (l) besteht aus derselben Platte wie das Kranzgesims, nur ohne Dielenköpfe; über dem Gesimse lagert noch die Rinnleiste (Sima m), deren Ende mit einem Löwenkopfe (o) geziert zu sein pflegt und dem Wasser zum Abflusse dient. Stirnziegel erheben sich auf einer Platte (u) an den Seiten und in der Mitte des Giebels; der Giebel (k) selbst, mit erhabenem Bilderschmucke, ist sehr niedrig. Fries und Giebel trugen in der Regel noch verschieden und lebhaft-farbige (besonders blaue und rothe) Bemalung(Polichromie), während Säulen und Architrav aus blendend weißem Marmor bestand.

b. Jonischer Styl.

Dieser Styl zeichnet sich vor dem ernsten und strengen dorischen durch heitre Anmuth und milde Weichheit aus; die Verhältnisse sind feiner, leichter, eleganter; die einzelnen Bauglieder sind weniger streng von einander getrennt, gehen im Gegentheil sanft in einander über. – Die Säulen (in weiterem Abstande von einander stehend) besitzen eine Basis, und diese besteht zu unterst aus einer viereckigen Platte (Plinthus), auf welcher Glieder von runder Grundfläche lagern, über denen sich dann zwei scharf eingezogene Hohlkehlen (Trochilus) und ein polsterartiger Wulst (Torus) befinden, auf welchem letzteren (der in der späteren Zeit mit plastischen Ornamenten in Gestalt von Ländern, Blättern und Knospen geschmückt wurde) sich der Schaft erhebt. Die sogen. attische Basis bestand nur aus runden Gliedern, mit einer Hohlkehle und zwei Wulsten. –- Der kanellirte Schaft ist bei der jonischen Säule von leichterer schlankerer Gestalt als bei der dorischem mit leiserer Anschwellung und mäßigerer Verjüngung Er besitzt 24 und tiefere, rund ausgehöhlte Kanäle, die aber einen breiteren Steg zwischen sich lassen. Auch enden diese Kanäle kurz oberhalb der Basis und kurz unterhalb des Kapitäls in einer runden Linie, an welcher Stelle sich die Säule plötzlich mit einer starken Ausbiegung (Ablauf) erweitert. – Im Kapitäl stellt sich der Echinus als Eierstab und der Säulenhals unter diesem als ein schmales, manchmal mit einem Perlenstabe geschmücktes Band dar. Auf den Echinus legt sich ein Polster, das, nach beiden Seiten weit ausladend, mit seinen vertieften Kanälen sich zu Schnecken (Voluten) erweitert, die dann spiralförmig sich zusammenziehen und zuletzt in einem Auge (bisweilen von einer Rosette ausgefüllt) enden. Auf der Seitenansicht

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_173.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)